Istanbu|aktualisiert | Die türkische Wahlkommission hat die Annullierung und die Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul angeordnet. Dies berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Wahlkommission gab damit dem Antrag der Regierungspartei AKP statt, die Regelwidrigkeiten beklagt hatte.

Erdogans AKP hatte die Kommunalwahl in Istanbul am 31. März knapp an den Kandidaten der Opposition, Ekrem Imamoglu, verloren. Imamoglu hatte die Wahl mit einem Vorsprung von lediglich 24.000 Stimmen gewonnen.

Türkische Gemeinde in Deutschland kritisiert Wahl-Annullierung

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hat die Annullierung der Wahl in Istanbul kritisiert. „Das ist eine politische Entscheidung, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun hat“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Dienstagausgaben) mit Blick auf die Entscheidung der türkischen Wahlbehörde. „Sie schadet der türkischen Wirtschaft, dem türkischen Ansehen und damit der Türkei insgesamt.“

Sofuoglu fügte hinzu: „Ich wünsche mir weiterhin, dass man sich nicht von demokratischen Mitteln verabschiedet.“ Aus einer Wahlwiederholung, erklärte er, werde „die Opposition gestärkt hervorgehen“. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sagte dem RND, zunächst habe „der Wahlverlierer Erdogan“ den Besuch von Anwälten beim inhaftierten Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, genehmigt, „danach ließ er die Wahl in Istanbul annullieren. Die Strategie ist klar: Erdogan hofft, damit kurdische Stimmen zu bekommen und die demokratische Opposition zu spalten.“ Özdemir fuhr fort: „Ich glaube nicht, dass sich die Kurden von der AKP kaufen lassen. Man spürt die Panik beim autoritären Herrscher und seiner Partei.“

Maas: Wahl-Annullierung in Istanbul „nicht nachvollziehbar“

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat die Annullierung der Ergebnisse der Kommunalwahlen in Istanbul scharf kritisiert. „Die Entscheidung des Hohen Wahlrats, das Ergebnis der Kommunalwahlen in Istanbul für ungültig zu erklären und eine Wahlwiederholung anzuordnen, ist für uns nicht transparent und nicht nachvollziehbar“, sagte Maas am Dienstag. Über die Besetzung des Oberbürgermeisteramtes in Istanbul könne und dürfe allein der Wille der türkischen Wähler entscheiden.

„Die Einhaltung demokratischer Grundprinzipien mit transparenten Wahlbedingungen hat aus unserer Sicht oberste Priorität“, so Maas weiter. Auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kritisierte die Entscheidung der Wahlkommission. „Ich bin extrem beunruhigt“, sagte Roth dem „Tagesspiegel“. Das sei eine „Kriegserklärung gegen die Reste der Demokratie“, fügte sie hinzu.

Barley: Wahl-Annullierung in Istanbul „ist nicht nachvollziehbar“

Die Bundesjustizministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hat die Wiederholung der Kommunalwahl in Istanbul scharf kritisiert. „Freie Wahlen sind die wichtigste Voraussetzung für Demokratie. Die Annullierung der Wahl in Istanbul ist nicht nachvollziehbar“, sagte Barley den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben). Ankara müsse erklären, was die Wiederholung der Wahl nötig machen soll, so die Justizministerin weiter.

Annullierung von Istanbul-Wahl: Lambsdorff übt scharfe Kritik

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff übt scharfe Kritik an der Entscheidung der türkischen Wahlbehörde zur Annullierung der Bürgermeisterwahl zugunsten der Regierungspartei in Istanbul. „Der friedliche Machtwechsel und die Durchführung freier, fairer und gleicher Wahlen sind das Herzstück jeder funktionierenden Demokratie. Mit der angeordneten Wahlwiederholung verabschiedet sich die Erdogan-Türkei von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, sagte Lambsdorff der „Heilbronner Stimme“ (Mittwochsausgabe).

Er forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, aktiv zu werden. „Auf dem EU-Gipfel in Sibiu muss die Bundeskanzlerin sich endlich dafür einsetzen, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beendet werden, denn das Land kann nicht Mitglied der Europäischen Union werden“, so der FDP-Politiker weiter. Gleichzeitig müsse die EU „darauf drängen, dass die Hohe Wahlkommission ihre Entscheidung transparent, offen und nachvollziehbar erörtert“, sagte Lambsdorff.

Außenpolitiker kritisieren Annullierung der Istanbul-Wahl

Die außenpolitischen Sprecher der Linken, FDP und Grünen haben scharfe Kritik an der Annullierung der Istanbul-Wahl geübt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe mit der Annullierung „endgültig die Maske fallen lassen“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour der „Bild-Zeitung“ (Mittwochsausgabe). Wer das „wichtigste Element der Demokratie, nämlich freie und faire Wahlen“ abschaffe, der mache „aus der Türkei eine handfeste Diktatur“, so der Grünen-Politiker weiter.

Die Bundesregierung solle ihre Beziehung zu Erdogan „neu justieren“ und ihr „Schweigen brechen“, forderte Nouripour. Der Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich hält es für „inakzeptabel“, dass die Türkei unter Präsident Erdogan ein NATO-Partner ist. „Wer Wahlen annulliert, weil ihm das Ergebnis nicht passt, ist ein Diktator“, sagte Liebich.

Deutsche Waffenlieferungen sollten gestoppt und das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen aufgekündigt werden, so der Linken-Politiker weiter. Laut FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai werde mit der Annullierung der „letzte Rest, der von der türkischen `Demokratie` noch übrig war, endgültig begraben“. Man dürfe in Deutschland nicht ignorieren, dass die „Beschneidung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten“ in der Türkei zur „traurigen politischen Realität“ geworden sei, so der FDP-Politiker weiter.

Erdogan habe sich „nun ein für alle Mal von den europäischen Werten verabschiedet. Europa sollte diese Politik klar rügen“, sagte Djir-Sarai der „Bild-Zeitung“.

Autor: dts