Wien | Nach der Aufkündigung der Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ durch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat der österreichische Innenminister Herbert Kickl der ÖVP Wortbruch vorgeworfen. „Es geht Bundeskanzler Kurz und der ÖVP nur um die Macht. Offenbar auch um den Preis der Sprengung einer Regierung, die in der Bevölkerung die höchste Anerkennung für ihre Arbeit seit vielen Jahren hat“, schreibt Kickl auf Facebook.

Bis Samstagvormittag habe Einigkeit in der Koalition darüber bestanden, wie man weiter vorgehen wolle. Demnach sollten die FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus die Verantwortung für das umstrittene Ibiza-Video übernehmen und zurücktreten. „Darüber hinaus sollten inhaltliche Punkte für einen Neustart definiert werden“, so Kickl.

Vereinbart worden sei eine Erklärung Straches für 12 Uhr, dann für 13 beziehungsweise spätestes 14 Uhr eine solche des Kanzlers. „Die FPÖ hat ihr Wort gehalten“, fügte der Innenminister hinzu. Er warf der ÖVP vor, „insgeheim ein anderes, ihr wahres Ziel“, verfolgt und sich deshalb nicht an die Absprache gehalten zu haben: „Sie wollte meinen Rückzug als Innenminister erzwingen“, schreibt Kickl.

Demnach sollte er in ein anderes Ressort verschoben werden, wodurch das Innenministerium durch die ÖVP besetzt werden könne. „Die Entwicklungen rund um dieses, von der ÖVP in den Nachmittagsstunden aufgebaute Druckszenario sind der Grund dafür, warum der Kanzler nicht wie zunächst geplant um 14 Uhr, sondern erst um 19:45 Uhr vor die Medien getreten ist“, so Kickl. Die FPÖ habe aber nicht nachgegeben.

Man sei für eine Auseinandersetzung mit der ÖVP im Wahlkampf gerüstet, kündigte Kickl an. Ausgelöst worden war die aktuelle politische Krise in Österreich durch ein von SZ und „Spiegel“ veröffentlichtes Video, welches heimlich aufgenommen wurde und Kurz` bisherigen Koalitionspartner Strache zeigt. Offensichtlich war Strache eine Falle gestellt worden, in dem Video sieht man unter anderem, wie er vor der letzten Nationalratswahl in einer Villa auf Ibiza mögliche Auftragsvergaben durch eine neue Regierung erörtert – im Gegenzug für Wahlkampfhilfe. Als Reaktion hatte Strache am Samstag seinen Rücktritt als Vizekanzler und FPÖ-Chef verkündet. Wenig später hatte Kurz Neuwahlen angekündigt. Der Neuwahl-Termin soll nach Angaben von Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen vom Sonntag „wenn möglich zu Beginn des Septembers“ stattfinden. Die künftige Konstellation der Regierung bis zu den Parlamentswahlen ist noch unklar. Unterdessen hatte die Regierungskrise am Sonntag auch Auswirkungen auf die österreichische Landespolitik. Der Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil (SPÖ), kündigte vorgezogene Landtagswahlen an. Der genaue Termin soll später genannt werden. Im Burgenland regiert aktuell die SPÖ gemeinsam mit der FPÖ.

Autor: dts