Budapest | Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán beharrt auf seiner Forderung nach einer finanziellen Beteiligung der EU an den Kosten für Errichtung und Bewachung des ungarischen Grenzzaunes. „Eben deswegen möchte ich die Bitte der ungarischen Regierung wiederholen, indem die Europäische Union die Hälfte der Kosten der ungarischen Maßnahmen für den Schutz der gemeinsamen Schengen-Grenzen – das heißt des Baus des Grenzzauns – bezahlen soll“, schreibt Orbán in einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, aus dem die „Bild“ (Freitag) zitiert.

„Diesen Betrag, 270 Milliarden Forint, haben in den vergangenen zwei Jahren die ungarischen Steuerzahler in vollem Umfang auf sich genommen. Der Zaun und die ungarischen Grenzjäger schützen gleichwohl nicht nur die ungarischen, sondern auch die österreichischen, deutschen und andere EU-Bürger.“ Weiter heißt es: „Im Namen der ungarischen Regierung möchte ich klarstellen, dass unseres Erachtens das Prinzip der Solidarität – in der von Ihnen präsentierten Interpretation – mit den Rechtsvorschriften der EU nicht im Einklang steht. Ebenfalls steht es nicht im Einklang mit den historischen Traditionen Ungarns.“

Das Verhältnis zu Migration und Einwanderung leitet Orbán mit einem Seitenhieb auf die Geschichte anderer EU-Länder her: „Im Gegensatz zu einigen bedeutsamen Mitgliedstaaten der EU, war Ungarn in der Vergangenheit keine Kolonialmacht. Diese bedeutsamen EU-Staaten, als Konsequenz ihrer Verpflichtungen im Zusammenhang mit ihrer früheren Position als Kolonialmacht, wurden Migrationsländer. Ungarn ist hingegen kein Migrationsland und wünscht es sich auch nicht, zu einem solchen zu werden.“

Orbán wirft Juncker und den Kritikern Ungarn in der EU vor, sie wollten sein Land gewaltsam umgestalten: „Ferner kann Ungarn auch nicht akzeptieren, dass zu einer solchen Veränderung gezwungen wird. Die in Ihrem Brief dargestellte Interpretation des Solidaritätsprinzips gilt eigentlich nicht anders, als die Umgestaltung Ungarns zu einem Migrationsland – trotz des Willens der ungarischen Bürger. Dies bedeutet meines Erachtens keine Solidarität, sondern Gewalt.“

Orbán scheut auch vor der offenen Konfrontation mit Juncker und der Kommission nicht zurück: „Schließlich stelle ich mein Erstaunen und Unverständnis fest, dass Sie und die Europäische Kommission nicht bereit sind, für den Grenzzaun Geld auszugeben. Ich bin davon überzeugt, dass jener, der den Zaun nicht unterstützt, die Bürger der Europäischen Union weder verteidigen kann, noch verteidigen will. Im Fall von massenhaften Versuchen, Grenzen illegal zu überschreiten, ist eine Verteidigung ohne Errichtung physischer Hindernissen nicht möglich“, so der ungarische Ministerpräsident. „Wenn die Europäische Kommission statt der Verteidigung der Grenzen ausschließlich dazu bereit ist, Maßnahmen und Institutionen zu finanzieren, die die Aufnahme von Migranten anstreben, werden wir bloß einen erneuten Anreiz Hunderttausenden von Migranten bieten, die sich in Richtung Europas auf den Weg machen würden – anstatt die Migration aufzuhalten.“ Angefangen hatte der Streit Ende August mit einem Brief Orbáns mit einer Rechnung über 440 Millionen Euro an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Mit der Summe sollte sich die EU an den Kosten für den ungarischen Grenzzaun und dessen Bewachung beteiligen.

Autor: dts