Köln | Am morgigen Sonntag wählen die Kölnerinnen und Kölner in der Stichwahl an der Urne eine oder einen Oberbürgermeister/in. Zur Wahl stehen die Amtsinhaberin Henriette Reker, unterstützt von den Grünen und der CDU, und Andreas Kossiski von der SPD, der nach dem ersten Wahlgang keine Unterstützer aus anderen Parteien hinter sich vereinen konnte.

Die Ausgangslage

Reker vereinte 45,05 Prozent der Stimmen auf sich und Kossiski 26,77 Prozent. Kossiski schnitt dabei besser ab als seine Partei, die nur 21,58 Prozent der Kölnerinnen und Kölner bei der Ratswahl überzeugen konnte. Reker schlechter, als die beiden sie unterstützenden Parteien Grüne und CDU, die zusammengerechnet 50,01 Prozent erhielten. Im Kölner Rat stellt sich die Situation so dar, dass sowohl Grüne und SPD oder Grüne und CDU jeweils gemeinsam auf 45 von 90 Stimmen kommen. Denn die Grünen haben 26 Sitze und die beiden anderen Parteien je 19. Bei Abstimmungen im Rat, bei denen die oder der Oberbürgermeister mitstimmen darf, wäre diese oder dieser das Zünglein an der Waage, denn das jeweilige Bündnis könnte so die Mehrheit ohne weiteren Partner oder Unterstützer gewinnen. Die Ergebnisse der Ratswahl stärken im Fall von Zweierbündnissen die Position der oder des Oberbürgermeisters/in.

Zwei Wochen nach der Ratswahl ist offiziell unklar, wer mit wem sich ein Bündnis vorstellen kann. Die Jugendorganisationen der Parteien haben sich geäußert, wie etwa die Grüne Jugend, die zum Dialog und zur Prüfung der Option von Grün-Rot-Rot aufrief. Und es gibt Signale aus den kleineren Parteien, wen sie bei der OB-Stichwahl unterstützen, obwohl diese im ersten Wahlgang eigene OB-Kandidaten aufstellten. Dr. Ute Symanski von den Klima Freunden und Thor Zimmermann von der Wählergruppe Gut unterzeichneten den öffentlich abgedruckten Wahlaufruf zu Gunsten von Henriette Reker. Es könnte ein Zeichen sein, dass beide Gruppierungen, jeweils mit zwei Sitzen im neuen Rat vertreten, ein Grün-Schwarzes Bündnis unterstützen könnten. Denn dazu gibt es auch eine Historie: Deine Freunde, Symanski und Zimmermann waren bei der Kommunalwahl 2014 angetreten, gehörten zu den Unterstützern von Reker bei der OB-Wahl 2015. Auch nach der Trennung der Ratsmitglieder von Deine Freunde von ihrer Gruppe und der Neuaufstellung zur Wählergruppe Gut unterstützte dieses in der ausgelaufenen Wahlperiode Schwarz-Grün. Interessant ist, dass beide Gruppen (Deine Freunde verschmolz mit Klima Aktivisten zu Klima Freunde) Gut und Klima Freunde mit Zimmermann und Gabrysch eigene OB-Kandidaten aufstellten. Die Wählergruppe Gut unterstützte bereits in der vergangenen Wahlperiode das Schwarz-Grüne Kernbündnis intensiv.

Die Option Grün-Rot-Rot

Ist die Option Grün-Rot-Rot überhaupt realistisch? Nach den zwei Wochen zwischen Kommunal- und Stichwahl scheint sie weiter entfernt. Die Linke, im ersten Wahlgang mit Jörg Detjen als OB-Kandidat angetreten, unterstützt den SPD-Bewerber Kossiski nicht. Man habe die programmatischen Übereinstimmungen und Differenzen abgewogen. Den Ausschlag gab, dass Kossiski vorläufig an der Tunnellösung auf der Ost-West-Achse festhalte und sich weigere die Rheinenergie im Sinne des Bürgerbegehrens bis 2030 auf Klimaneutralität festzulegen. Kossiski sagte im Interview mit dieser Internetzeitung am 21.09.2020, dass er die Tunnellösung mittragen könne. Er sagte aber auch, dass der Rat die endgültige Entscheidung treffen müsse, er aber in jedem Fall dafür plädiere, dass die Maßnahme in der Innenstadt nicht zu Lasten von lange geplanten Erweiterungen in den Außenbezirken führen dürfe. Reker spricht sich für die Tunnellösung aus und steht damit gegen die sie unterstützenden Grünen, die keinen Tunnel wollen. Ein anderes Beispiel wäre die Gleueler Wiese. Hier gibt es für die Pläne des FC einen Ratsbeschluss, der mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP getroffen wurde. Die Bürgerinitiative „Grüngürtel für Alle“ fordert jetzt die Grünen auf, den Ratsbeschluss zurückzunehmen. Kossiski bleibt hier bei seiner Linie der Unterstützung des FC und sagt, dass es einen rechtmäßigen Beschluss des alten Rates gebe, der zunächst einzuhalten sei, wie dies auch für den Beschluss zum Gürtel oder den Godorfer Hafen gelte, außer es gebe neue Mehrheiten dafür, die aber aus der Mitte des Rates kommen müssten. Reker schwenkte spät für den Erhalt der Gleueler Wiese ein. Von ihren politischen Gegnern wurde kolportiert, dass sie dies tat, um die Unterstützung der Kölner Grünen für ihre erneute Kandidatur nicht zu verlieren.

Rekers Unterstützer

In einer großen Zeitungsannonce ruft eine Vielzahl prominenter Menschen zur Wahl von Henriette Reker auf. Diese Liste der Unterstützer führt unter anderem die Top-Politiker aus Bund und Land der Grünen auf, aber auch der CDU. Die Familie Adenauer ist mit mehreren Mitgliedern vertreten, darunter auch der Kanzlerenkel Konrad Adenauer, der vehement für den Erhalt der Gleueler Wiese kämpfte.

Ein Blick zurück in den OB-Wahlkampf 2015. Zeitgleich feierte die Kölner CDU 2015 in den Balloni-Hallen ihre Jubelfeier zu 70 Jahren CDU. Dort sprach die damalige OB-Bewerberin Reker, die sich in ihrer Rede intensiv mit Konrad Adenauer auseinandersetzte. Sie sagte damals, dass sie mit einer Enkelin Adenauers zur Schule gegangen sei und Adenauer ihr das Boccia Spiel erklärte. Und sie erklärte, dass man Adenauer nicht kopieren, aber kapieren könne. Sie sagte zudem, dass sie die „Sozialdemokratisierung der Stadt beenden“ wolle und dass sie nicht aufräumen, sondern ausräumen wolle. Bernd Petelkau, damals und heute CDU-Kreisvorsitzender, schenkte Reker damals einen roten Besen mit orangener Schleife daran.

Wer einen genauen Blick auf die Unterstützerliste wirft, wird Menschen finden, die für sehr unterschiedliche Positionen stehen, und sich fragen, wie passt das zusammen. Zur Klarstellung vorab: Eine Unterstützerliste sagt natürlich nichts darüber aus, ob einzelne Unterstützer von anderen Unterstützern wussten, die auf der Liste stehen und natürlich können diese Menschen auch unterschiedliche Positionen vertreten oder vertreten haben und würden sich heute vielleicht anders entscheiden.

Da stehen Top-Grüne und Klima Freunde neben Paul Bauwens-Adenauer, der 2010 – wohlgemerkt vor zehn Jahren – den „energiepolitischen Appell“ unterschrieb, in dem der damalige Umweltminister Röttgen, darauf hingewiesen wurde, dass Deutschland auf Kohle und Kernenergie nicht verzichten könne und ein vorzeitiger Ausstieg Milliarden vernichten würde. Die „FAZ“ nannte das Schreiben, das in mehreren großen Tageszeitungen abgedruckt wurde, eine „Attacke auf Bundesumweltminister Röttgen (CDU)“. (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/energiepolitischer-appell-40-manager-greifen-roettgens-politik-an-1643264.html) Der „energiepolitische Appell“ negierte nicht, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehöre.

Auch Peter Jungen steht auf der Liste der Unterstützerinnen und Unterstützer von Henriette Reker. Peter Jungen ist eine der Figuren einer Greenpeace-Recherche aus dem Jahr 2005 in dem Artikel „Mit amerikanischen Mitteln gegen den Klimaschutz“ mit dem Untertitel „In Brüssel formiert sich eine aggressive Anti-Kyoto-Lobby“. (https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/FS-antikyoto-lobbyNEU2_0.pdf)

Die benannte Greenpeace-Recherche beschäftigt sich mit dem „European Enterprise Institute“ (EEI), deren Präsident zum Zeitpunkt der Greenpeace Recherche Peter Jungen war; einer in die Jahre gekommenen Website des EEI nach zu urteilen (http://www.european-enterprise.org/items/aboutus/index.html) ist er weiterhin in dieser Funktion tätig.

Greenpeace schreibt: „ ‚Das European Enterprise Institute‘ (EEI) ist die Schwesterorganisation des amerikanischen Competitive Enterprise Institute (CEI), das für seine Arbeit gegen jede Form von wirkungsvollem Klimaschutz bekannt ist. Das Institut [Anm. der Redaktion von report-k: gemeint ist hier das amerikanische CEI] wird u.a. finanziert von ExxonMobil, die sich bereits in Amerika einen zweifelhaften Ruf als stärkster Gegner gegen die internationalen Klimaschutz-Verhandlungen erworben hat. Der Präsident des europäischen EEI ist Peter Jungen. Sein Strippenzieher und Cheflobbyist in Klimafragen ist Christopher C. Horner. In der amerikanischen Anti-Kyoto-Szene ist Horner ein alter Bekannter. Horner, Research-Direktor beim EEI, ist ebenfalls Senior Fellow beim ‚Competitive Enterprise Institut‘ in Washington und involviert in die Arbeit der ‚Cooler Heads Coalition‘, einer Gruppe von ‚Klimaskeptikern‘.“ Eine aktuelle Recherche dieser Internetzeitung fand das EEI nicht mehr im Lobbyregister des Europäischen Parlaments.

Auch wenn all diese Dinge schon länger zurückliegen, wirft es dennoch die Frage auf, wie die aktuellen Forderungen von Klima Freunden, Gut und Grünen damit zusammenpassen?

Die Finanzierung der Kampagnen

Beim SPD-Herausforderer Andreas Kossiski ist eines klar: Die Spenden gehen an die SPD, eine politische Partei, die dem Parteiengesetz unterliegt. Bei der parteilosen Bewerberin gehen die Spenden (auch) an die Parteien, die sie unterstützen: Grüne und CDU. Reker ruft auf ihrer Kampagnenseite aktiv dazu auf, an die sie unterstützenden Parteien mit dem Hinweis „Verwendungszweck: „OB-Wahlkampf: Henriette Reker 2020“ zu spenden. Bei den Grünen wird dies so gehandhabt, wie Kreisgeschäftsführer Jonathan Sieger auf Anfrage dieser Internetzeitung schreibt: „Spenden, die dezidiert für Henriette Reker bei uns eingegangen sind, wurden für ihren Wahlkampf entsprechend verwendet. Das Wahlbüro von Henriette Reker hat uns eine Dankeschön Briefvorlage für das Grüne Büro vorbereitet. Diese haben wir dann immer gemeinsam mit der Grünen Spendenquittung an den/die Spender*in verschickt.“ Die CDU beantwortet die Anfrage so: „Auf dem Parteitag am 10. Oktober 2019 wurde Henriette Reker offiziell als OB-Kandidatin der CDU Köln nominiert. Daher ist es selbstverständlich, dass die CDU Köln Henriette Reker auch finanziell unterstützt. Die bei uns eingegangenen Spenden wurden und werden für unseren und ihren Wahlkampf eingesetzt.“

Diese Internetzeitung fragte beim Deutschen Bundestag nach, wie Parteien parteilose Kandidaten unterstützen können. Dieser antwortete: „Parteien dürfen im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit selbstverständlich auch Wahlkampf für ein Nicht-Parteimitglied machen oder diesen unterstützen. Gerade im kommunalpolitischen Bereich kommt es öfter vor, dass auch Bürgermeister-Kandidaten einer anderen Partei oder parteilose Kandidaten unterstützt werden. Für eine solche zulässige politische Betätigung darf eine Partei folglich auch ihr Geld einsetzen und entsprechend gezielt hierfür – im Sinne einer politischen Verwendungsabsicht – Spenden einwerben. Eine Parteispende wäre es typischerweise erst dann nicht mehr, wenn sich die Partei – z. B. aufgrund einer rechtsverbindlichen Treuhandabsprache mit dem Begünstigten – gar nicht als Eigentümer des Spendengeldes versteht, sondern dieses Geld aufgrund besagter rechtlichen Verpflichtung an den eigentlich Begünstigten weiterleitet. Für ein solches treuhänderisch eingenommenes Geld dürfte die Partei keine Spendenquittung ausstellen und sie dürfte solche Beträge auch nicht als Spende im Rechenschaftsbericht aufführen (vielmehr nur als sog. „Sonstige Einnahme“, die nicht staatlich bezuschusst wird). Die Vorlage einer Spendenquittung beim Finanzamt setzt natürlich voraus, dass tatsächlich eine Parteispende vorliegt.“

Nach Auffassung des deutschen Bundestages ist damit eine solche Konstellation zweifelsohne zulässig und beantwortet eine der Fragen, die in der Berichterstattung dieser Internetzeitung zuletzt aufgeworfen wurde: Ein Bürger spendet ausdrücklich und mit Verwendungszweck an Bündnis90/Die Grünen Köln. Die Grünen können diese Spende sodann für die Wahlkampfkampagne von Henriette Reker einsetzen.

Schwieriger ist die Bewertung der Antwort des deutschen Bundestags jedoch in der Frage, ob die mit „Verwendungszweck: „OB-Wahlkampf: Henriette Reker 2020“an die Grünen abgegebenen Spenden und deren Aktivitäten im Hinblick auf das Versenden von Dankesschreiben mit dem Briefkopf des Wahlbüros von Reker im Sinne der Ausführungen des Bundestages etwa treuhänderisch gebunden oder anderweitig zu beanstanden wären.

Die Wahlentscheidung ist schwierig

Inhaltlich unterscheiden sich beide Kandidaten in vielen Punkten kaum voneinander, so ein Blick auf die Positionen, wie sie der Kommunalwahlcheck 2020 der Universität Münster ausweist. Dabei fällt vor allem ins Auge, dass sowohl die Bewerberin Henriette Reker, als auch der Bewerber Andreas Kossisksi in vielerlei Hinsicht in veralteten Strukturen verhaftet sind, die einem Fortschritt zum Wohle der Stadt nicht zwingend förderlich sind.

Kossiski ist ein Sozialdemokrat mit Sozialisierung im letzten Jahrhundert; gerade das loben seine Unterstützer. Wer ihm begegnet spürt dies von der ersten Sekunde an. Aber gerade die Sozialdemokratie fällt damit auf, dass sie sich nur quälend langsam modernisiert. Der Unterstützerliste von Frau Reker ist ein Fingerzeig auf ihre Interessengebundenheit, insbesondere in Richtung der Konservativen. Die Reihe ihrer Unterstützer mutet – zugleich wie ihre politischen Zielsetzungen im Hinblick auf den Klimaschutz – widersprüchlich an.

Die „Fridays for Future“ Bewegung legt dieser Tage zumindest in der Klimafrage genau hier den Finger in die Wunde, wenn sie ein Handeln der politischen Akteure fordert. Aber können die das wirklich, wenn die eine in ihren individuellen Netzwerken und der andere in seinen althergebrachten Strukturen, geeint in der Frage nach der Machtoption, gefangen ist. Dabei müssten sie zumindest in der Klimafrage handeln.

Wen also am morgigen Sonntag wählen? Wählen gehen ist das Wichtigste. Warum? Nur so können Bürgerinnen und Bürger zeigen, dass sie mächtig sind. Und sie werden nur so als mündiger Souverän von denen, die entscheiden und Weichen stellen, ernst genommen.

Autor: Andi Goral