Köln | Die großen Gewinner dieser Wahl ist Bündnis 90/Die Grünen. Zum ersten Mal sind sie stärkste Fraktion im Rat und sie gewinnen bis auf drei Ausnahmen sechs Bezirksvertretungen, wo sie in Zukunft den Bezirksbürgermeister oder -meisterin stellen werden und das obwohl es in ihren Kerngebieten Konkurrenz durch Klima Freunde und Gut gab. Verlierer ist die Kölner CDU, die auf Reker baute und „Wir verantworten Köln“ plakatierte. Auch die SPD verlor, aber nicht so stark, wie manche voraussagten und sie geht mit ihrem OB-Kandidaten Kossiski in die Stichwahl.


Vorweg: Der Wahlkampf dümpelte in Köln eher dahin und gewann nie an Schärfe, zu nahe sind sich Themen und Lösungsangebote der Parteien und Gruppierungen, die sich teilweise nur in Nuancen unterscheiden.

Reker emanzipierte sich von ihren Unterstützern

Die Kölner CDU pflegte zu sagen Henriette Reker sei ihre Oberbürgermeisterin und lag damit wohl nie ganz falsch in der letzten Wahlperiode. Die führt aber schon lange ein Eigenleben und hat sich von den sie protegierenden Parteien schon im Wahlkampf entfernt und emanzipiert. Reker braucht sie schlicht nicht mehr, weil sie ihren Wahlkampf und ihr Storytelling so optimal auf sich abgestellt hat. Und Sie hatte die beste Wahlkampagne on- und offline, wenngleich die Fragen zu ihren Social Media Accounts und der Leihe nach wie vor offen sind. Aber auch der „WDR“ und „Kölner Stadtanzeiger“ irrten als sie die 61 Prozent ihrer in Auftrag gegebenen Umfrage als die Kölnerinnen und Kölner lieben Reker interpretierten.

CDU und SPD fehlt Großstadtinstinkt für Themen der Zeit

Reker ist eine wandlungsfähige, ausgebuffte und geschickte Politikerin. Noch am Wahlabend sagt sie dem WDR: „Diese Wahl ist auch ein deutliches Votum für die Themen der Grünen.“ Auf ihren Plakaten hatte sie sich noch an die CDU mit dem Buzzword „Verantworten“ angelehnt. Die Grünen haben ja jetzt im Kölner Stadtrat das Sagen und bestimmen wo es langgeht, denn für SPD und CDU reicht es nicht. Nicht wenige politische Beobachter raunten vor der Wahl, dass auch eine kölsche Groko möglich wäre und so warfen alle mit Wattebäuschen anstatt sich klar zu positionieren. Aber hatte CDU und SPD nicht zu viel Aua-Themen für die Kölnerinnen und Kölner: Gleueler Wiese und Ausbau der Ost-West-Achse, um nur zwei zu nennen. Bei beiden Themen fehlte der politische Instinkt in beiden Parteien, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. So konnte nur der CDU Kreisvorsitzende, Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Petelkau und De Bellis-Olinger zwei von 6 Lindenthaler Wahlbezirken für die CDU gewinnen.

Kölner SPD muss sich mehr trauen

Die SPD schnitt besser ab, als manch einer glauben wollte. Die SPD checkt auf eine Reise ein, mit erstaunlich vielen frischen und jungen Kandidatinnen und Kandidaten, die sehr wohl die Zeichen der Zeit erkannt haben, aber noch nicht im oberen Machtbereich angekommen sind. Die SPD-Unterbezirksvorsitzende Christiane Jäger zieht hier behutsam und richtig im Hintergrund die Fäden. Wenn die SPD sich öffnet für nachhaltigere Themen und ein innovatives Stadtleben und Stadtplanungskonzept, dass sich für die soziale Stadt noch stärker engagiert ist sie auf dem richtigen Weg. Dies scheinen allerdings einige bei den Grünen noch nicht erkannt zu haben und grooven dissend auf die SPD vor allem im Stadtrat ein. Die Kölner Linke als soziales Korrektiv wird hier immer noch gebraucht und gerade auch als Korrektiv zu Grünen, die seit Jahren auch im Rat immer stärker in die Mitte rücken und es sich in der Machtkuschelecke recht bequem machen.

Jetzt sind die politischen Gewinner – die Grünen – in der Pflicht

Denn die Gewinner von den Grünen müssen jetzt ordentlich eine Schippe alternative Energie nachlegen, denn hier spielt Köln nach 21 Jahren grüner Mitmacht nicht in der Königsklasse: Der ökologische Umbau der Rheinenergie, Solarenergie auf den Dächern der Stadt und eine echte Förderung des ÖPNV. Jetzt können Sie sich nicht mehr hinter der Floskel der letzten 21 Jahre verstecken: „Wir waren doch nur der Juniorpartner“. Das es bei dieser Wahl mit Gut und Klima Freunden gleich zwei kleine Parteien gab, die Forderungen stellten, zeigt dies. Und Volt: Der Erfolg von Volt ist gigantisch. Auch sie füllen ein Vakuum, dass die Grünen offen lassen und die FDP.

Welches Bündnis werden die Grünen schmieden?

Spannend dürfte die Bündnisfrage werden: Wird es Rot-Grün im Rat geben oder Rot-Rot-Grün? Oder weiter ein Kernbündnis mit der CDU? Aber dann mit welchem Partner und welchen gemeinsamen Themen? Eines ist deutlich, der Verzicht der CDU auf den Machtanspruch, das Amt des Oberbürgermeisters selbst stellen zu wollen und die vielen Klein-Klein-Kompromisse mit den Grünen scheinen der CDU-Klientel nicht zu schmecken. Dabei wurde – bis auf das Thema Verkehrswende – viel für diese getan und Köln präsentierte sich immer Investorenfreundlich. Und wer stünde von den Kleinen, so wie Gut es seit Jahren tat, als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung? Das dürfte nach der Wahl noch spannend werden.

Viele Umwälzungen in den Bezirken

Auch in sechs der neun Kölner Bezirke, Innenstadt, Rodenkirchen, Lindenthal, Ehrenfeld, Nippes und Mülheim haben die Grünen das Sagen. Zwei, Chorweiler und Porz gehen an die CDU und einer, Kalk, an die Kölner SPD. Köln wird also sechs grüne Bezirksbürgermeister bekommen. Bei so viel Macht müssen die Kölner Grünen es jetzt beweisen, dass sie fähig und reif sind eine Millionenmetropole in eine nachhaltigere Zukunft zu führen.


Hinweis: Noch immer sind nicht alle Stimmbezirke ausgezählt und es fehlen um 23:50 Uhr noch Ergebnisse, daher könnte es noch zu Verschiebungen kommen.

Autor: Andi Goral