Köln | Jeden Februar erhalten hunderte Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern eine Absage zu ihrem Schulwunsch, wenn sie von der Grundschule auf die weiterführende Schule wechseln. 2021 verschickte die Stadt Köln 695 Absagen. Das ist zwar in fünf Jahren die niedrigste Zahl aber es geht hier um das Schicksal von Kindern und deren Weg in ihre persönliche Zukunft. Die Kölner Linke spricht von einem Schlag ins Gesicht der Eltern und Kinder, die sich für diese Schulform entscheiden. Auch die SPD übt Kritik. Die Parteien des kommenden Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt schweigen.

In den vergangenen Jahren von 2017 an lehnte die Stadt Köln bei insgesamt 4.066 Kindern den Wunsch eine weiterführende Schule der Schulform Gesamtschule zu besuchen ab. Ein Missstand, den die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln Henriette Reker und das den Rat beherrschende Ratsbündnis aus CDU und Grünen nicht abstellen. Dabei ist der Grund nicht schwierig zu benennen: Köln baut zu wenig und zu langsam Schulen, insbesondere Gesamtschulen. Dabei versprach Henriette Reker im OB-Wahlkampf 2020 in zartrosa Typografie „Tempo beim Schulbau“.

Die Stadt Köln schreibt ganz nüchtern zur Anmeldung an Gesamtschulen: „Nachfrage erneut größer als das Angebot an Plätzen“. Hinter den nun folgenden Zahlen steht das Schicksal eines Kindes. 2.268 Schülerinnen und Schüler haben einen positiven Bescheid erhalten und können an eine der 15 Kölner Gesamtschulen im Sommer 2021 wechseln. Von ihren Eltern wurden allerdings 2.963 Kinder angemeldet. 695 Kinder erhielten eine Absage. Deren Eltern müssen ihr Kind jetzt vom 1. bis 5 März an einem Gymnasium, Realschule oder Hauptschule anmelden. Über deren Anmeldeverfahren wird die Stadt Mitte April informieren, wenn diese abgeschlossen sind.

Kritik von SPD und Linken

Für die SPD kritisiert deren schulpolitischer Sprecher Oliver Seeck schriftlich: „Jährlich grüßt das Murmeltier. Schon wieder werden in diesen Tagen bei hunderten Kölner Kindern Tränen fließen, weil sie nicht die Gesamtschule besuchen dürfen, die sich sich gewünscht haben. Wir reden hier nicht von Statistiken, sondern von Schicksalen! Und auch der ausdrückliche Elternwunsch wird wieder einmal missachtet. Köln schafft es weiterhin nicht, den Pänz die Bildungschancen zu geben, die sie verdient haben.“
Die Kölner Linke spricht gar von einem Markenzeichen Kölns. Heiner Kockerbeck, Sprecher der Ratsfraktion die Linke und Mitglied im Schulausschuss des Stadtrates schriftlich: „Wieder einmal gibt es an Gesamtschulen für fast ein Viertel aller dort angemeldeten Kinder keinen Platz. Auch wenn die Zahl der Ablehnungen gegenüber dem Vorjahr gesunken ist, sollte das niemanden in Rat und Verwaltung beruhigen. Die große Kölner Lücke bei den Gesamtschulen ist landesweit bekannt. In über zehn Jahren haben die regierenden Parteienbündnisse im Rat es versäumt, genügend dieser Schulen für alle Kinder zu gründen. Gesamtschulen müssen endlich Priorität haben.“

Carolin Butterwegge, Sachkundige Einwohnerin fürdie Linke im Schulausschuss ergänzt schriftlich:„Die fehlenden Gesamtschulen sind ein Schlag ins Gesicht jener Eltern und Kinder, die diese sozial integrierende Schulform für die bessere Alternative halten. Gesamtschulen sind beliebt, weil sie Kinder aller Schichten individuell coachen und zum bestmöglichen Abschluss bringen wollen, statt viel zu früh zu selektieren. In Zeiten, in denen die soziale Spaltung zunimmt, muss die Stadt mehr in sozial integrative Schulen investieren.“
Bessere Bildungschancen für Alle

Die Stadt Köln verweist darauf, dass auch auf dem zweiten Bildungsweg die Möglichkeit besteht ein Abitur und damit die Allgemeine Hochschulreife nachzuholen gegeben sei. Die Linke führt dagegen eine Untersuchung der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule NRW an, die 2020 feststellte, dass 79 Prozent der Abiturientinnen und Abiturienten von Gesamtschulen an der Grundschule keine gymnasiale Einstufung erhielten. Bei den Abiturientinnen und Abiturienten mit Migrationshintergrund waren es sogar 89 Prozent. Eine Stadt wie Köln, die sich als Ort der Multikulturalität versteht und deren Repräsentanten gerne auf die 180 Nationen, die hier leben verweisen, sollten diese Zahlen aufhorchen lassen.

Autor: red