Köln | Jörg J. Schmitz ist der Geschäftsführer des Kölner Studierendenwerks. Im Interview spricht er über geschlossene Mensen und unbesetzte Plätze in den Wohnungen.

Wie erleben Sie gerade Köln?

Jörg J. Schmitz: Ich bin aktuell wenig in Köln unterwegs. Das liegt auch daran, dass ich anstatt der Bahn das Auto nutze, um vom Rhein-Sieg-Kreis zur Arbeit zu kommen. Auffällig sind die leeren Straßen – man kommt ohne Stau ans Ziel. Ansonsten ist mein beruflicher Alltag auf die paar Quadratmeter im Büro beschränkt. Die Mensen sind aktuell geschlossen und in die Wohnheime gehe ich in der Regel nicht, um nicht dort das Infektionsrisiko zu erhöhen.

Was sind die größten Herausforderungen für Sie?

Schmitz: Das Kölner Studierendenwerk ist an einigen Stellen sehr von der Krise betroffen. So sind seit zwei Monaten unsere Mensen geschlossen, und 300 Mitarbeiter mussten in die Kurzarbeit geschickt werden. Dazu kommt die besondere Situation in den Wohnheimen. Da ist uns die Warteliste weggeschmolzen und es gibt dort nicht belegten Wohnraum, was sehr ungewöhnlich ist. Das liegt auch daran, dass jetzt digital studiert wird und es nicht unbedingt notwendig ist, am Hochschulort zu wohnen. Zu unseren Aufgaben gehört es auch, mit den Studierenden, die wegen der aktuellen Lage ihre Mieten nicht zahlen können, Lösungen zu finden. Andere Bereiche sind das BAfÖG sowie die psychologische und soziale Beratung, die jetzt nur telefonisch oder per Videokonferenz abläuft. Gerade die Situation in den Wohnheimen und den Mensen hat uns finanziell empfindlich getroffen. Wir haben 5000 Wohnungen, und bei Volllast gehen bis zu 30.000 Essen pro Tag raus. In beiden Bereichen ist die Nachfrage eingebrochen.

Viele Studenten haben ihre Jobs zum Beispiel in Restaurants oder Kneipen verloren.

Schmitz: Wir versuchen Studierenden, die keinen Rat mehr wissen, mit unserer sozialen und psychologischen Beratung zu helfen. Die soziale wird dabei häufig zur ökonomischen Beratung. Wir haben einen eigenen Sonderfonds in Höhe von 100.000 Euro für zinslose Sofortdarlehen aufgelegt. Aktuell wird von den Studierendenwerken in Deutschland ein weiterer Nothilfefonds mit dem zuständigen Bundesministerium vorbereitet. Er wird 100 Millionen Euro umfassen, davon bekommen wir in Köln gut drei Millionen. Damit werden wir etwa 2000 Studenten vor Ort finanziell helfen können. Das Verfahren dazu muss jetzt aus dem Boden gestampft werden.

Wie wird das digitale Studium die Hochschullandschaft auch nach der Krise weiter prägen?

Schmitz: Die Krise hat gezeigt, wie verletzlich unsere Geschäftsmodelle im Wohn- und Verpflegungsbereich sind, wenn es das Format Präsenzstudium nicht mehr gibt. Da muss man sich die Frage stellen, welche Rolle die Mensa beim digitalen Studium noch spielt, und ob sich Zimmer ohne einen Highspeed-Internetanschluss überhaupt noch vermieten lassen. Und Wohnen kann man beim digitalen Lehrbetrieb auch weiter bei den Eltern, dafür muss man nicht unbedingt nach Köln ziehen. Nach der Krise wird diese Entwicklung weitergehen. Das Präsenzstudium wird zwar zurückkehren, aber es ist damit zu rechnen, dass zehn bis 15 Prozent künftig digital ablaufen werden. Das hätte deutliche Auswirkungen auf unseren Betrieb. Wichtig ist, dass wir in der Krise ein zuverlässiger Partner für die Studierenden sind. Das BAfÖG läuft weiter, und unser Beratungsteam wurde entsprechend vergrößert, auch wenn die Beratung jetzt etwas anders abläuft. Ich gehe davon aus, dass Telefon- und Videokonferenzen auch nach der Krise noch eine wichtige Rolle spielen werden, weil so ortsunabhängig zusammengearbeitet werden kann. Das ist auch eine Chance für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Wann wird es an den Hochschulen wieder eine neue Normalität geben?

Schmitz: Im Sommersemester wird das nur sehr partiell der Fall sein. Es gibt Hochschulen wie die Sporthochschule oder die Musikhochschule, die ohne Präsenz nicht auskommen können. Das ist bei der Universität oder der TH in der Regel anders. Wir als Studierendenwerk sind immer am Puls der jeweiligen Hochschule. Es wird vielleicht in den Hochschulen, wo Studenten vor Ort sind, wieder eine Basisversorgung geben. Das muss natürlich entsprechend der Vorgaben zum Schutz der Gesundheit geschehen.

Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was macht Ihnen Sorgen?

Schmitz: Sorgen macht mir die wirtschaftliche Unsicherheit für das Studierendenwerk. Es gab zwar die Landesfinanzhilfe für März und April sowie die Kurzarbeiterregelung. Aber die finanzielle Belastung wird für uns bleiben. Da müssen wir überlegen, ob es eine Erhöhung der Sozialbeiträge geben muss. Das kann ich aber aktuell noch nicht beurteilen. Hoffnung machen mir die tollen Erlebnisse hier im Werk. Es ist ein tolles Wir-Gefühl entstanden. Das gilt zum Beispiel für die Zusammenarbeit beim Nothilfefonds über alle Abteilungen hinweg. Ich hoffe außerdem, dass wir nach der Krise keinen ökologischen Rückfall erleben werden. Es ist uns wichtig, weiter nachhaltig zu arbeiten.

Wie gehen Sie privat mit der Krise um?

Schmitz: Ich muss persönlich aufpassen, dass ich im Privatleben wieder aus dem beruflichen Krisenmodus herauskomme und das Privatleben auch als Erholungsphase nutze. Nur so kann ich meine Arbeitsfähigkeit langfristig erhalten. Ansonsten ändert sich das Leben – wir empfangen normalerweise zu Hause gerne Gäste, um sie zu bekochen oder etwas mit ihnen zu unternehmen. Das ist weggefallen und fehlt mir sehr. Aber ich bin mir auch bewusst, dass ich in einer privilegierten Situation bin. Ich habe meine Arbeit und das bei einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen. Da geht es Bekannten und Freunden, die zum Beispiel freiberuflich arbeiten, deutlich schlechter.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Studierendenwerk