Köln | Der Präsident der TH in Köln, Prof. Stefan Herzig , spricht im Interview über die Herausforderungen für seine Hochschule und über die langfristigen Veränderungen für Studenten und Dozenten.

Wie erleben Sie Köln in der Krise?

Prof. Stefan Herzig: Wir haben sechs Wochen erlebt, in denen es in der Stadt sehr ruhig gewesen war. Köln war schon früh von der Krise betroffen und hat schnell, konsequent und klug reagiert. Die Stadtbevölkerung hat das toll mitgetragen. Aktuell wird es in Köln wieder etwas belebter und alles geht wieder schrittweise in Richtung Normalität. Was sich auch gezeigt hat, ist das Köln eine sehr emotionale Stadt ist und dass man diese Emotionen auch in der Krise nicht aus Köln herausbekommt.

Was sind für Sie als Präsident der TH jetzt die größten Herausforderungen?

Herzig: Das Besondere an der Situation ist, dass man ständig Organisationsabläufe vordenken, begleiten und antizipieren muss. Die Zeithorizonte haben sich für uns verschoben. Normalerweise wird an einer Hochschule in Abständen von einem halben Jahr gedacht. Da gibt es dann den Lehrbetrieb im Semester und die dazugehörigen Prüfungen – darauf kann man sich verlassen. Das ist jetzt so nicht mehr möglich – wie es weitergehen wird, kann man in einer Zeit der Unbestimmtheit nicht verlässlich vorhersagen. Wir wissen jetzt noch nicht, womit wir im Wintersemester rechnen müssen. Entsprechend müssen sich Entscheidungsprozesse anders gestalten – es gibt keine Gremienvorläufe mehr. Alles geht viel schneller und man muss in den Krisenstäben lernen, mit den Besonderheiten umzugehen. Das hat bislang erstaunlich gut funktioniert.

Wie läuft aktuell der Semesterbetrieb?

Herzig: Zurzeit haben wir eine Lehre, die fast vollständig auf Distanz und digital abläuft. Das klappt in weiten Teilen sehr gut. Bestimmte Dinge wie zum Beispiel das Arbeiten im Labor oder die Arbeit der Restauratoren in den Werkstätten lassen sich nicht digital lösen. Dies wird in diesem Monat wieder sehr begrenzt hochgefahren. Hier müssen wir die Arbeit vor Ort in den entsprechenden Räumlichkeiten der TH ermöglichen. Da sind wir gerade in der Bestandserhebung und prüfen, wie man die Infrastruktur der Gebäude so nutzen kann, dass Hygiene- und Abstandsvorschriften eingehalten werden können. Und wir prüfen, wo das Arbeiten vor Ort auch wirklich sein muss. Alles wird schrittweise passieren und nur einen ganz kleinen Teil des Lehrbetriebs betreffen. Das gilt zum Beispiel für Studierende, die jetzt ihre Abschlussarbeiten im Labor durchführen müssen. Es ist wichtig, alles sehr gut organisatorisch vorzubereiten.

Wie funktioniert das digitale Studium?

Herzig: Erstaunlich gut. Wir sind da über eine Brücke gegangen, was wir wohl ohne den Druck der Pandemie nicht so schnell getan hätten. Zugute kam uns dabei, dass sich Experten aus der Professor*innenschaft und am Zentrum für Lehrentwicklung bereits vor der Krise intensiv mit dem digitalen Studium beschäftigt hatten. Das waren jetzt unsere Leitfiguren. Die Mehrzahl der Studierenden zeigt sich zufrieden mit dem Angebot und nutzt es wohlwollend. So bringt die Krise einen Digitalisierungsschub für die Lehre, der auch nach der Krise noch Bestand haben wird.

Wie sieht im Moment Ihr beruflicher Alltag aus?

Herzig: Normalerweise wäre ich jetzt gerade mit einer Delegation in Israel. Aber in der Krise wurde die Reisetätigkeit auf null heruntergefahren. Die so freiwerdende Zeit nutze ich, um zusätzlich anfallende Managementaufgaben zu bewältigen. Es gibt regelmäßige Sitzungen des Präsidiums und des Krisenstabs, die hier die notwendigen Dinge regeln. Vieles davon läuft als Videokonferenzen ab.

Wann gibt es die Chance, wieder zu einem normalen Lehrbetrieb zurückzukehren?

Herzig: Eine vollständige Normalität, wie wir sie vor der Krise kannten, wird es auch danach nicht mehr geben. Die Neuerungen, die wir jetzt krisenbedingt erproben, werden auch den Lehrbetrieb der Zukunft prägen und es wird eine neue Normalität geben. Wir hoffen, dass wir mit dem Wintersemester in diese neue Normalität starten können. Es wäre aber auch keine Überraschung für mich, wenn wir auch dann noch unter gewissen Auflagen arbeiten müssen. Darauf werden wir uns jetzt schon vorbereiten.

Wie laufen die Prüfungen in Krisenzeiten ab?

Herzig: Da gibt es drei Szenarien. Aktuell laufen Abschlussprüfungen von Studierenden; diese erfolgen termingerecht, aber per Videokonferenz. Dann wird es Prüfungen geben, die wir aus den Hochschulgebäuden auslagern und die in einer anderen äußeren Form als gewohnt stattfinden werden. Alles, was da möglich ist, werden wir auch nutzen. Das dritte Szenario sind Prüfungen zum Beispiel in Grundlagenfächern wie Mathematik oder Statistik mit einer großen Anzahl von Studierenden, die in Form von Klausuren vor Ort in der Hochschule durchgeführt werden müssen. Hier müssen wir räumliche Lösungen finden, die den Abstands- und Hygieneregeln gerecht werden. Dabei kann es passieren, dass die Prüfungen mit einer Zeitverzögerung erst im September möglich sind. Wichtig ist uns, dass alle semesterbezogenen Lehrveranstaltungen und Prüfungen abgeschlossen werden können. Wichtig ist außerdem, dass den Studierenden durch die veränderten Bedingungen der Krise keine Nachteile entstehen dürfen. Das gilt zum Beispiel, wenn ein Fehlversuch den Abbruch des Studiums bedeuten würde. Wir haben Regelungen geschaffen die das ausschließen.

Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was Sorgen?

Herzig: Hoffnung macht mir, dass wir aus der Krise viel lernen können, was die Digitalisierung und Modernisierung der Lehre angeht. Man wird auch Dienstleistungen und Organisationsabläufe überdenken müssen. Das gilt zum Beispiel für das Homeoffice, das mehr Bedeutung haben wird, als dies früher der Fall war. Sorge macht mir die große wirtschaftliche Belastung der Gesellschaft durch die Krise. Hier hoffe ich darauf, dass die Politik auch weiter willens und in der Lage sein wird, die Hochschulen künftig angemessen zu finanzieren.

Wie gehen Sie privat mit der Bedrohung und der Krise um?

Herzig: Das Leben ändert sich natürlich auch privat. So muss man jetzt andere Formen der Entspannung finden. Und man muss sich disziplinieren, wenn man im Homeoffice arbeitet. Da geht es dann auch um die Auszeiten, die man sich immer wieder nehmen muss. Und natürlich hat sich auch die Form der Kontakte mit der Familie verändert. Aber auch das funktioniert erstaunlich gut.

Welche Tipps haben Sie für Menschen in der Zwangspause?

Herzig: Das ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Manchen Menschen bricht Beschäftigung weg und sie müssen jetzt ein Vakuum füllen. Andere Menschen haben, wie das bei mir der Fall ist, deutlich mehr zu tun. Wer zu viel Zeit hat, der sollte sich vielleicht auf Dinge zurückbesinnen, die früher einmal in seinem Leben wichtig waren, wie alte Hobbys oder die Chance, statt Netflix zu schauen, einfach mal ein Buch in die Hand zu nehmen.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Thilo Schmülgen/TH