Köln | aktualisiert | Die Schule beginnt und damit für viele Kinder, vor allem die, die zum ersten Mal eingeschult werden, ein neuer Lebensabschnitt. Alleine in Köln fehlen zum Stichtag 31. August 45 Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen. Dies teilte die Bezirksregierung Köln mit. Auf die Kölner Grundschulen gehen zum Schuljahr 2018/19, so die Prognose der Bezirksregierung 37.752 Kinder. An den Berufskollegs der Stadt Köln fehlen sogar 46 Lehrerinnen und Lehrer. Angela Bankert, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Stadtverband Köln, spricht von einem „absoluten Bildungsnotstand“. Klaus Klemm, Bildungsforscher an der Universität Duisburg-Essen, sagte der „Passauer Neuen Presse“, dass im Jahr 2025 in Deutschland 35.000 Grundschullehrer fehlen könnten.

So viele Lehrerinnen und Lehrer fehlen

Aber nicht nur an der Grundschule fehlen Lehrer. Auch an anderen Schulformen. An den Kölner Realschulen fehlen 7 Lehrkräfte, am Gymnasium 5, an den Gesamtschulen ebenfalls 5, den Förderschulen 4 und den Kölner Berufskollegs 46 Lehrerinnen und Lehrer. In der Summe sind dies 112 Lehrkräfte, die zum Schulstart nicht zur Verfügung stehen. Lediglich an den Hauptschulen und Sekundarschulen konnte die Bezirksregierung alle Lehrerstellen besetzen, die sie bis zum Stichtag 31. August ausgeschrieben hatte. Im gesamten Kölner Regierungsbezirk konnten 604 Stellen nicht besetzt werden und ausgerechnet die Grundschule, also dort wo Kinder zum ersten Mal mit der Schule in Berührung kommen sind im Regierungsbezirk die meisten unbesetzten Stellen, 255 an der Zahl.

Die Kölner Schülerzahlen in der Prognose für das Schuljahr 18/19

Die höchsten Schülerzahlen haben nach den Grundschulen in Köln die Berufskollegs mit 37.632, vor den Gymnasien mit 27.949 Schülerinnen und Schülerinnen. Die Gesamtschulen bieten 13.805, die Realschulen 11.363 Kindern und Jugendlichen Platz. Auf die Hauptschule sollen 4.844 und die Förderschule 4.463 Schülerinnen und Schüler gehen.

„Absoluter Bildungsnotstand“

Angela Bankert von der GEW spricht von einem absoluten Bildungsnotstand und einem Mangel, der seit 10 Jahren bestehe. Dabei handele es sich gerade im Grundschulbereich um ein strukturelles Problem. Denn die Grundschullehrer müssen zwar eine gleichlange Ausbildung, wie Lehrkräfte der Sekundarstufe II durchlaufen, bekommen aber später rund 500 Euro weniger an Gehalt. Und das bei einem höheren Stundenansatz von 28 Unterrichtsstunden und größeren Klassen. Da brauche man schon viel Idealismus, wenn man in einer Grundschule unterrichte. So verfange auch das Landesprogramm nicht, Lehreramtsanwärter von der Sekundarstufe II in die Grundschule zu locken. Landesweit seien dies nur, so Bankert, 150 gewesen, die wechselten.

Es sollte mit Unterrichtsausfall gerechnet werden

Bankert sagt, dass vor diesem Szenario mit Unterrichtsausfall zu rechnen sei. Zwar gebe es auch den Vertretungslehrerpool, aber ob dieser die aktuelle Situation auffangen könne, müsse man sehen. Auffallend sei, dass das Land dort aktuell keine Stellen zu vergeben habe, obwohl auf der anderen Seite Lehrer nach den Ausschreibungen der Bezirksregierung fehlten. Zudem seien gerade die Grundschullehrer oft noch mehr belastet, etwa wenn sie Seitensteiger, die Kunst, Musik, Sport und Englisch unterrichten dürfen, als Mentoren begleiten. Denn anders als in der Sekundarstufe II, bekommen Seitensteiger in Grundschulen keine Möglichkeit, berufsbegleitend eine vollwertige pädagogische Ausbildung zu absolvieren sondern nur eine Kurzausbildung für ihr Unterrichtsfach. Und die Seiteneinsteiger erhalten oftmals befristete Kettenverträge, so die GEW. Damit diese sich aber nicht einklagen können, weil permanent die befristeten Verträge verlängert werden, sind Zwangspausen vorgesehen. Bankert kennt einen Fall einer Lehrkraft, der in 11 Jahren 31 Verträge erhielt. Die GEW fordert daher diesen Zustand zu ändern und auch im Grundschulbereich eine berufsbegleitende pädagogische Vollausbildung für Seitensteiger einzuführen und Planungssicherheit für Lehrerinnen und Lehrer.

Insgesamt so Bankert, müsse der Lehrerberuf attraktiver gestaltet werden. Dies fange an der Wurzel, also in den Schulen an. Denn wer will nach seiner Schulzeit Lehrer werden, wenn er selbst in heruntergekommenen Schulen, bei denen die Decken herabfielen und Toiletten verdreckt sind, ausgebildet wurde. Schule dürfe nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten betrieben werden, bei der jeder Schulhaushalt auf Kante genäht sei, sondern brauche gut ausgebildete Lehrer und ein entsprechend attraktives Umfeld.

Experte: Im Jahr 2025 fehlen womöglich 35.000 Grundschullehrer in ganz Deutschland

Im Jahr 2025 könnten nach Ansicht von Klaus Klemm, Bildungsforscher an der Universität Duisburg-Essen, 35.000 Grundschullehrer in Deutschland fehlen. Diese Prognose werde Realität, wenn sich die Absolventenzahlen aus den Hochschulen nicht ändern, sagte Klemm der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstagausgabe). „Jahrelang wurden die Kapazitäten heruntergefahren, zugleich steigen die Schülerzahlen“, sagte Klemm.

Bei den Zahlen der Studienbewerber und -anfänger gebe es allerdings gar keinen Rückgang, also könne es nicht an der mangelnden Attraktivität des Berufs liegen, sagte Klemm. „Es fehlen nicht nur Lehrer, sondern auch die Lehrer-Ausbilder. An vielen Universitäten gibt es fürs Lehramt noch den Numerus Clausus, da werden bereits viele Bewerber früh aussortiert. Zugleich werden hinterher Absolventen in den Schuldienst aufgenommen, die das Examen mit 4,0 bestanden haben“, monierte der Bildungsforscher. „Hier braucht es neue Vorgaben der Ministerien an die Hochschulen.“ Klemms Forderung: „Das Kooperationsverbot gehört ganz abgeschafft, es ist völlig unsinnig.“

Allerdings werde durch die Aufhebung keine einzige Lehrerstelle neu geschaffen. „Die unbesetzten Stellen sind ja bereits finanziert und in den Länderhaushalten eingestellt. Es fehlt nicht das Geld, es fehlen Menschen“, sagte er der Zeitung.

Das sei aber nicht die Schuld der Hochschulen, sondern der Länder. „Sie müssen die Hochschulen anweisen, mehr Lehrer auszubilden, und das entsprechend finanzieren. Aber auch das würde nicht sofort helfen: Wenn die Unis jetzt mehr ausbilden, haben wir erst in acht Jahren mehr Lehrer.“ Zudem forderte Klemm höhere Lehrer-Gehälter. „Es ist ungerecht, Grundschullehrer schlechter zu bezahlen als Lehrer an weiterführenden Schulen, obwohl beide Studiengänge inzwischen gleich lange dauern“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

Autor: Andi Goral, dts