Berlin | Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, hat die Notwendigkeit bekräftigt, mittels einer speziellen Software („Staatstrojaner“) auf die Kommunikation bei Whatsapp und anderen Messenger-Diensten zuzugreifen. „Wir leben im Zeitalter verschlüsselter Kommunikation. Bei besonders schweren Straftaten muss es im Einzelfall und auf Grundlage einer richterlichen Anordnung möglich sein, diese zu überwachen“, sagte Münch dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe). Die FDP kündigt eine Klage gegen den Staatstrojaner an.

Hierfür müsse man vor oder nach der Verschlüsselung auf die Daten zugreifen. „Dafür haben wir eine entsprechende Software selbst entwickelt“, sagte Münch. „Dadurch wissen wir, dass die Software nur das kann beziehungsweise macht, was sie darf.“

Denn eins sei klar, so der BKA-Chef: „Solche Instrumente müssen höchste Sicherheitsstandards erfüllen, damit deren Ergebnisse vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden.“ Der Bundesrat hatte im vergangenen Jahr den Weg für die Überwachung von Kommunikation über Messenger-Dienste wie Whatsapp freigemacht. Seitdem darf nun auch die Polizei Nachrichten über solche Dienste mitlesen, die zwischen den Geräten verschlüsselt übermittelt werden („Quellen-TKÜ“ oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung).

Die Sicherheitsbehörden hoffen, auf diese Weise etliche Straftaten wie Mord, Raub, Betrug oder Geldwäsche aufklären zu können. Der Datenschutz-Verein Digitalcourage wollte an diesem Dienstag in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz der Staatstrojaner einreichen. Der Verein kritisiert, der Staat halte absichtlich Sicherheitslücken für die Ermittler offen und verletze das Grundrecht auf Vertraulichkeit der Informationstechnik.

FDP klagt gegen Staatstrojaner

Die FDP will beim Bundesverfassungsgericht gegen sogenannte „Staatstrojaner“ klagen. Die Überwachung von Computern und Smartphones sei „ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, den Funke-Zeitungen. Buschmann kritisierte, „die Große Koalition hat es nicht vermocht, mit ihrer Regelung der Online-Durchsuchung die Grenzen der Verfassung einzuhalten. Vielmehr hat sie sie bewusst überschritten“. Offen ist, welcher FDP-Abgeordneter nach Karlsruhe ziehen wird, Buschmann selbst oder Parteichef Christian Lindner. Bestärkt fühlt sich die FDP durch ein rund 150 Seiten langes Gutachten des Kölner Rechtsgelehrten Nikolaos Gazeas.

„Der nächste Schritt ist eine Verfassungsbeschwerde, die wir als Freie Demokraten jetzt in Angriff nehmen“, kündigte Buschmann an. Laut Gutachten geht der Eingriff in das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme – das so genannte IT-Grundrecht – bei der Online-Durchsuchung noch tiefer als bei der Wohnraumüberwachung. Der Einsatz von so genannten Staatstrojanern durch das Bundeskriminalamt sei unverhältnismäßig und zu unbestimmt.

Die FDP erwartet, dass das Karlsruher Verfassungsgericht die bisherigen rechtsstaatlichen Vorgaben anpassen wird. Seit seiner letzten Entscheidung aus dem Jahr 2008 habe sich das Nutzerverhalten der Bürger „essentiell verändert“, so Gutachter Gazeaas. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht im Oktober 2007 war beispielsweise das iPhone in Deutschland noch nicht eingeführt.

Smartphones aber hätten seither das Verhältnis des Menschen zu informationstechnischen Systemen gravierend verändert. Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des Staatstrojaners hatte am Montag bereits eine Gruppe um die Journalisten Can Dündar und Hajo Seppelt sowie den Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz ebenfalls eine Beschwerde in Karlsruhe angekündigt.

Autor: dts