Berlin | Angesichts der breiten Kritik an den neuen Löschvorschriften für Hasskommentare im Internet will die Union das Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) auf den Prüfstand stellen. „Grundsätzlich ist nichts in Stein gemeißelt“, sagte die Vize-Chefin der Unions-Bundestagsfraktion, Nadine Schön (CDU), dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe). „So bin ich der Ansicht, dass die Netzwerkanbieter verpflichtend mit einer freiwilligen Selbstkontrolle zusammenarbeiten sollen“, sagte die CDU-Politikerin.

Laut dem Gesetz besteht für die Unternehmen schon heute die Möglichkeit, die juristische Beurteilung besonders komplizierter Löschentscheidungen an eine unabhängige Einrichtung der regulierten Selbstregulierung zu übertragen. Das NetzDG erlaubt den Netzwerkbetreibern den Aufbau einer solchen vom Bundesamt für Justiz anerkannten Einrichtung. Eine gesetzliche Pflicht besteht aber nicht.

„Bisher ist dies fakultativ – ein Zugeständnis an den Koalitionspartner“, sagte Schön mit Blick auf die SPD. Gleichwohl wundere sie, dass die Plattformen das Angebot des Gesetzgebers nicht nutzen. „Denn durch die Zusammenarbeit mit einer Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle könnten sie leicht dem Vorwurf begegnen, zu früh und zu viel zu löschen. Außerdem können keine Sanktionen mehr verhängt werden“, sagte die CDU-Politikerin. Das sieht auch der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek so. Die gesetzlichen Löschfristen gelten nur, wenn hausintern bei Facebook und Co. gelöscht werde.

„Durch das Anschließen an eine anerkannte Beschwerdestelle werden diese Fristen außer Kraft gesetzt“, sagte Jarzombek der Zeitung. „Warum Facebook und Twitter das nicht tun, ist mir rätselhaft.“

SPD will Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht aufweichen

Die SPD lehnt eine Aufweichung der Lösch-Vorschriften im Gesetz gegen Hasskommentare (Netzwerkdurchsetzungsgesetz; kurz: NetzDG) strikt ab. „Sollten die Beschwerden stark steigen oder die gesetzlichen Löschfristen nicht eingehalten werden, kann die Konsequenz nicht die Lockerung der rechtlichen Vorgaben für die Anbieter, die Milliardengewinne machen, sein“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). Vielmehr müssten die Plattformen dann ihre Anstrengungen verstärken, um den gesetzlichen Vorgaben nachzukommen.

Die Grünen plädieren dagegen für eine grundlegende Überarbeitung des NetzDG. „Das Gesetz wurde in einem Hauruck-Verfahren durch das Parlament gepeitscht“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast dem „Handelsblatt“. Alle Vorschriften müssten daher „evaluiert und gegebenenfalls verbessert werden“. Ähnlich äußerte sich der Digitalexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek.

„Statt bloßer Zielvorgaben, die Overblocking Tür und Tor öffnen, muss eine sorgfältige rechtliche Prüfung über die konkrete Ausgestaltung der Verfahrensregeln gewährleistet werden“, sagte Janecek dem „Handelsblatt“. Unternehmen müssten wissen, nach welchen Vorgaben sie vorzugehen haben. Außerdem müssten sie die betroffenen Nutzer in die Prozesse miteinbeziehen und effektiv mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten kooperieren.

„Das Netz darf weder ein straffreier Raum sein, noch sollten darin Unternehmen die Maßstäbe an eine rechtliche Prüfung bestimmen“, betonte der Grünen-Politiker.

Autor: dts