Köln | Mit einem Festakt beging und erinnerte der DGB Region Köln Bonn an das in Kraft treten des Betriebsverfassungsgesetzes vor 60 Jahren. Dabei blickte man natürlich zurück, aber warf den Blick vor allem in Richtung Zukunft. Wie können und müssen Betriebsräte auf die Globalisierung oder die zunehmende Zahl der prekären oder befristeten Arbeitsverhältnisse reagieren und wie muss das Betriebsverfassungsgesetz weiterentwickelt werden. Am Ende stand eine Liste mit 10 Kölner Forderungen, um die das geltende Betriebsverfassungsgesetz erweitert und überarbeitet werden solle.

Mitbestimmung und Beteiligung sind Grundelemente einer effektiven und produktiven Wirtschaft

Guntram Schneider, Arbeitsminister des Landes Nordrhein Westfalen, machte deutlich dass man an einem solchen Tag nicht nur gedenken solle und das Betriebsverfassungsgesetzes nicht altes Eisen sei. Es sei höchst aktuell, hinsichtlich der Verwerfungen in der Arbeitswelt und aus Sicht der NRW Landesregierung reformbedürftig, so der Minister. Die Landesregierung habe vor zwei Jahren die Konsequenzen gezogen und für den öffentlichen Dienst das Landespersonalvertretungsgesetz reformiert, das heute zu den Besten in dieser Republik gehöre, lobte der Minister die eigene Arbeit. NRW sei Mitbestimmungsland Nr. 1, nach Schneider. Schneider erinnerte an die Anfänge des Betriebsverfassungsgesetzes und die kontroversen Diskussionen – auch in den eigenen Reihen – aus dem Jahr 1952. Die Geschichte der Arbeiterbewegung sollte wieder verstärkt an den Gewerkschaftsschulen gelehrt werden, mahnte Schneider, der auch mit Blick auf das erste Betriebsverfassungsgesetz von 1920 in der Weimarer Republik, weit zurückblickte.

Das heutige Betriebsverfassungsgesetz sei weiter zu entwickeln, so Schneider: Dringend nötig sei es neben dem individuellen Recht Tarifverträge einklagen zu können, auch das Verbandsklagerecht zu verankern. Dazu brauche man bei 20 Prozent Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor neue Regeln zur Entgeldgestaltung. Das Thema sei nicht vom Tisch, wenn im Dezember 2013 der gesetzliche Mindestlohn komme, orakelte Schneider vor dem Hintergrund der im September 2013 stattfindenden Bundestagswahl.

Prekäre Beschäftigung, Leiharbeit, erzwungene Teilzeitarbeit, Werkverträge, die zum Teil sittenwidrig seien, sind Themen die verdeutlichten, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausgeweitet werden müssen. Schneider forderte, dass das unbefristete Normalarbeitsverhältnis wieder die Regel werde und die Befristung die Ausnahme. Als Beispiel nannte der Minister die Hochschulen, wo es neben den verbeamteten Hochschullehrern teilweise nur noch befristete Verträge gebe. Ein weiterer Bereich werde durch den demografischen Wandel immer wichtiger. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir länger arbeiten müssen.“, so Schneider, der altersgerechte Arbeitsplätze forderte: „Wenn Menschen länger arbeiten sollen, aber keine Arbeitsplätze da sind, dann ist das de facto eine Rentenkürzung.“ Soziale Marktwirtschaft wäre ohne die verbrieften Rechte der Betriebsräte nicht denkbar, so das Fazit von Schneider, der zudem verdeutlichte, dass der Kapitalismus durch Gesetze wie die Betriebsverfassung erst zivilisiert worden sei. Mitbestimmung und Beteiligung seien keine Sahnehäubchen, sondern Grundelemente einer effektiven und produktiven Wirtschaft.

Mitbestimmung bei befristeten Arbeitsverhältnissen gefordert

Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hanau erläuterte, dass das was die Betriebsverfassung derzeit für befristet Beschäftigte leisten könne, dürftig sei. Hanau ist Arebeitsrechtsexperte vom Institut für Deutsches- und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln. Der Professor forderte in seinem kleinen Vortrag unter anderem ein Anhörungsrecht des Betriebsrates auch bei befristeten Arbeitnehmern, wenn deren Zeitverträge auslaufen, so wie dies bei Kündigungen von festangestellten Mitarbeitern vom Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen sei.

Selbstorganisation von Betriebsräten bei globalen Themen gefordert

Dr.Thomas Klebe, Justiziar der IG Metall, zeigte die Verwerfungen durch die Globalisierung und die Zunahme von Zeitarbeitsverträgen, befristeten Arbeitsverhältnissen, Werkverträgen und Crowd Sourcing auf. Es komme immer stärker zu einer Leistungsverdichtung und Entgrenzung von Arbeitsverhältnissen. Belegschaften würden international gegeneinander ausgespielt, aber auch Staaten. Um etwa ein Automobilwerk an eine Standort zu bekommen, würden Staaten nicht mehr nur mit tollen und kostenlosen Infrastrukturen locken, sondern auch anbieten zukünftige Belegschaften auf deren Kosten drei Jahre auszubilden. Hier gebe es einen regelrechten Subventionswettlauf. Die Konzerne und deren Management seien längst international organisiert, während Betriebsräte dies bislang nicht seien. So würden etwa Entwicklerteams weltweit zusammenarbeiten, da begönnen die Kollegen in Japan, wenn in Europa Nacht sei, dann übernehmen die Kollegen aus Europa und so weiter.

Klebe leitet daraus ab, dass sich auch die Betriebsräte in den großen internationalen Konzernen miteinander vernetzen und über Landesgrenzen hinweg denken müssen. Dies müsse in Eigeninitiative erfolgen und man müsse die nationalen Stärken/Rechte international kombinieren. Häufig gebe es in anderen Ländern stärkere Rechte, die man nutzen könne. Man müsse eine Art Weltbetriebsrat oder zumindest Action Groups bilden und die neuen Medien, wie das Internet oder Videokonferenzen nutzen. Hier sollten Betriebsräte nicht auf den Gesetzgeber warten, sondern das nutzen was man heute schon machen könne.

10 Kölner Forderungen

Der DGB Region Köln Bonn hat zum 60. Jahrestag zehn Kölner Forderungen zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes aufgestellt. In den Bereichen der Prekarisierung der Arbeit, Globalisierung, Standortschließung, Verlagerung, Outsourcing, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Arbeitsplatzgestaltung, Stichwort altersgerechte Arbeitsplätze, Qualifizierung und Gleichstellung müsse das Betriebsverfassungsgesetz überarbeitet und erweitert werden. Zudem fordert man eine Ausweitung der Mitbestimmung bei Personalfragen, wie etwa Befristung von Verträgen, Minijobs, Zeitarbeit und Werkverträgen.

Autor: Andi Goral
Foto: NRW Arbeitsminister Guntram Schneider, SPD, sprach auf dem Festakt zum 60. Jubiläum des Betriebsverfassungsgesetzes in Köln