Köln | Flughafenchef Johan Vanneste spricht im Interview über die Auswirkungen von Corona auf den Airport Köln/Bonn und über seine Arbeit in schwierigen Zeiten.

Wie erleben Sie im Moment den Flughafen?

Johan Vanneste:Das gibt es zwei Seiten. Da sind einerseits die Passagierterminals so leer, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Das ist sehr außergewöhnlich anzuschauen. Es gibt Tage, da haben wir zwei oder drei Flüge und vielleicht acht oder neun Passagiere. Das ist befremdlich. Bei der Fracht, bin ich froh, wenn ich aus dem Fenster schaue und gerade ein großer Flieger von UPS reinkommt. Zu ersten Mal ist bei uns auch eine Cargolux 747 gelandet. Meine früheren Kollegen in Luxemburg schaffen es im Moment nicht die Frachtmaschinen abzufertigen und so kommen diese jetzt zu uns. Wir haben teilweise mehr Arbeit als vorher.

 

Wie ist Ihr Eindruck von der Stadt?

Vanneste: Ich wohne in Bayenthal und laufe gerne nach der Arbeit noch am Rheinufer. Da wurden es zuletzt immer weniger Menschen, denen ich begegnet bin. In den vergangenen Tagen komme ich aber meist nicht vor 22 Uhr aus dem Büro, da ist keine Zeit mehr zum Laufen. Ich hoffe jetzt, dass es am Wochenende klappt.

 

Welche Folgen hat die Krise für den Flughafen Köln/Bonn?

Vanneste: Das bedeutet für uns einen riesigen Einbruch beim Umsatz. Wir rechnen im schlimmsten Fall mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Man muss leider davon ausgehen, dass die Krise noch sehr lange anhalten wird. Bei der Fracht gibt es verschiedene Szenarien. Beim besten bleibt alles konstant, bei schlechtesten wird es um 20 Prozent runtergehen. Bislang läuft hier aber alles gut.

 

Wie wollen Sie die Krise bewältigen?

Vanneste: Aktuell gibt es einen totalen Ausgaben- und Einstellungsstopp – verschiedene Projekte werden verschoben. Dazu kommt die geplante Einführung der Kurzarbeit. Für das laufende Jahr rechnen wir dennoch damit, dass uns die Krise einen zweistelligen Millionenbetrag kosten wird. Bei der Fracht, die gut läuft, werden wir versuchen, möglichst viele neue Kunden zu gewinnen. Es gibt derzeit viele Anfragen von Flugesellschaften mit Frachtmaschinen. Da könnten wir gestärkt aus der Krise kommen.

 

Wie wird Corona die Flugbranche verändern?

Vanneste: Ich rechne mit ziemlich großen Veränderungen in unserer Branche. Die Krise hat hier starke Auswirkungen. So merken viele Unternehmen jetzt, dass sich dienstliche Flugreisen auch mit Video- oder Telefonkonferenzen ersetzen lassen und nehmen wenn dann lieber der Zug als den Flieger. Es geht auch um das Vertrauen der Passagiere, die jetzt in Zeiten der Bedrohung durch einen Virus nur ungern eng zusammen in einem Flugzeug sitzen möchten. Das wird sich wohl erst ändern, wenn ein Impfstoff gefunden wird. Und das kann lange dauern. Der Flugzeughersteller Boeing schon vor der Krise angeschlagen. Jetzt bleiben auch noch die Bestellungen aus. Hier könnte die Krise die Situation nochmal verschlimmern.

Wie wichtig ist jetzt die schnelle Hilfe des Staates?

Vanneste: Ohne staatliche Hilfe werden viele Fluggesellschaften die Krise nicht überleben. Die wären dann bis Ende Mai zahlungsunfähig, da sie aktuell keinerlei Einnahmen haben. Ich fürchte, es wird Insolvenzen geben, das gilt insbesondere für kleinere Fluggesellschaften, die keine Hilfe bekommen.

 

Wie sieht es bei der Gastronomie und dem Einzelhandel am Flughafen aus?

Vanneste: Unser Supermarkt hat noch 24 Stunden auf, vor allem um unsere Mitarbeiter zu versorgen. Das gilt auch für die Bäcker, Starbucks und die Apotheke. Sitzplätze gibt es nirgends mehr bei den Bäckern, da ist alles nur noch zum Mitnehmen. Wir werden die Schrankenanlage an den Terminals öffnen, damit Menschen von außen einfach und kostenlos bei uns zum Einkaufen kommen können, um sich mit den wichtigsten Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen.

 

Wie gehen Sie selbst mit der aktuellen Situation um?

Vanneste: Freizeit ist derzeit fast nicht vorhanden, das lässt die Arbeit am Flughafen gerade nicht zu. Ich habe den Test mit dem Home Office gemacht, aber mein Büro ist mir ehrlich gesagt doch lieber. Außerdem ist es wichtig, dass ich vor Ort auch Präsenz zeige. Ansonsten bleibe ich privat zu Hause, vermeide soziale Kontakte und gehe, wenn ich Zeit habe, nur zum Laufen nach draußen.

 

Wie empfinden Sie gerade Ihre Arbeit am Flughafen?

Vanneste: Ich war gerade bei der Nachtschicht am Flughafen vor Ort und habe die Abfertigung von Frachtmaschinen der UPS und FedEX besucht. Natürlich mit dem gebotenen Abstand. Man spürt, dass die Mitarbeiter stolz auf den Flughafen sind, den sie am Leben erhalten. Wenn es um Lösungen geht, halten hier alle zusammen. Die Leute machen eine wirklich tolle Arbeit.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Flughafen