Köln | Garrelt Duin ist der Hauptgeschäftsführer der Kölner Handwerkskammer. Im Interview spricht er über die Bedeutung der Beratung für Betriebe und über das Handwerk als attraktiver Arbeitgeber auch in Zeiten von Corona.

Wie erleben Sie derzeit Köln in der Krise?

Garrelt Duin: Ich war gerade das erste Mal wieder in einem Restaurant in Köln. Das war etwas, das mir schon gefehlt hat. Lange waren die Straßen leer und man konnte die Wege schneller zurücklegen. Da die Abendtermine weggefallen sind, habe ich die Zeit auch genutzt, um nach Hause nach Essen zu fahren. So habe ich meine Kölner Wohnung nicht so oft genutzt, wie das normalerweise der Fall ist. Da hat die Krise den eigenen Lebensrhythmus in den vergangenen zwei Monaten schon umgestellt.

Was sind derzeit die größten Herausforderungen für die Handwerkskammer?

Duin: Zum einen beraten wir Betriebe, die ganz unterschiedlich von der Krise betroffen sind. In der ersten Welle um Ostern ging es bei den Beratungen vor allem um Betriebe, die schließen mussten. Da gab es einen großen Bedarf. Das waren zum Beispiel Friseure oder Kosmetikstudios, bei denen es zuletzt auch um die Modalitäten der Wiederöffnung ging. Das haben wir abgearbeitet. Jetzt in der zweiten Welle sind es Betriebe wie Tischlereien, die bislang noch vorhandene Aufträge abgearbeitet konnten, die aber in den vergangenen sechs Wochen keine neuen Aufträge bekommen haben. Sie müssen jetzt die nächsten Wochen und Monate überstehen. Die nächste Herausforderung war, dass wir unser Zentrum für Aus- und Weiterbildung am Butzweilerhof schließen mussten und jetzt erst am 4. Mai wieder öffnen konnten, auch wenn wir hier noch nicht auf dem Stand vor der Schließung sind. Jetzt geht es darum, die Auszubildenden die am Ende ihrer Lehre stehen, möglichst schnell und gut zur Prüfung zu bringen.

Wie ist die Stimmung in den Betrieben?

Duin: Erstaunlich gut und optimistisch – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Die meisten, wollen die Krise meistern, suchen nach Lösungen und sind sich sicher, dass sie das auch hinbekommen. Da gibt es kein Lamentieren oder Schuldzuweisungen. Es wird jetzt wieder angepackt. Das war zu Beginn der Krise noch anders. Da gab es viel Unsicherheit und Unruhe. Das galt zum Beispiel, wenn das Ordnungsamt die Schließungen an verschiedenen Orten unterschiedlich gehandhabt hat.

Wo liegen die größten Probleme der Handwerksbetriebe?

Duin: Es geht dort jetzt um die Überbrückung von finanziellen Engpässen. Neben der Soforthilfe gibt es diverse Kreditprogramme. Das ist aber Geld, das irgendwann zurückgezahlt werden muss, was sich in einer Krise, deren Ende nicht absehbar ist, schwierig gestaltet. Hier müssen unsere Berater bei jedem Betrieb die richtigen Instrumente finden und empfehlen. Ein zweites Problem sind die unterbrochenen Lieferketten, durch die ein Raumausstatter zum Beispiel nicht die Stoffe findet, die er bei einem Auftrag verarbeiten möchte. Das dritte Problem betrifft den Bereich Ausbildung. Da stellt sich die Frage, wie es nach dem Sommer im neuen Lehrjahr weitergeht. Vorstellungsgespräche sind aktuell kaum möglich, was die Auswahl erschwert. Auch bei der Zahl der Auszubildenden, die man einstellen will, tun sich Betrieb in wirtschaftlich schwierigen Zeit schwer. Unsicherheiten gibt es auch bei Auszubildenden, deren Vertrag zum Sommer ausläuft und die sich jetzt fragen, ob sie verlängern oder nicht. Insgesamt sorgt die Unsicherheit bei den Menschen derzeit, dass sie bei Entscheidungen eher zögerlich sind, da viele Fragen in einer schwer vorhersagbaren Situation geklärt werden müssen.

Welche Branchen sind von der Krise besonders betroffen?

Duin: Alle die Kontakt zu Menschen haben wie Friseure, Kosmetiker, Hörgeräteakustiker, Orthopädietechnik-Mechaniker oder Optiker haben es aktuell in der Krise schwerer als Betriebe wie Tischler, wo das weniger der Fall ist. Viele mussten lange warten, bis sie ihren Betrieb wiedereröffnen konnten.

Welche Rolle spielt die Handwerkskammer in der Krise?

Duin: Die Beratung ist hier ganz zentral. Und die war in den ersten Wochen nicht nur kaufmännisch, sondern hatte auch etwas mit Seelsorge zu tun. Wer im März gerade seinen neuen Laden aufmachen wollte, für den er auch einen Kredit aufgenommen hat, für den war das eine sehr heftige Situation. Dass unsere Beratung hier so gut angekommen ist und dass es keine Beschwerden gab, macht uns bei der Kammer schon etwas stolz. Wir waren die ganz Zeit gut erreichbar und haben die Zahl der kaufmännischen Berater durch schnelle Schulungen von sechs auf bis zu 30 aufgestockt. Aktuell sind wir verstärkt im politischen Raum unterwegs. Das gilt für die Landesebene genauso wie für die Stadt Köln, wo wir in einem intensiven Austausch mit allen Beteiligten stehen. Jetzt geht es darum, die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Betriebe zu sichern und auch die Vergabe zu vereinfachen. Jetzt Einsparungen vorzunehmen, sich zurückzuhalten und Aufträge zu streichen, wäre ein fatales Signal. Die Gespräche laufen hier aktuell gut und wir spüren von Stadt und Land ein entsprechendes Entgegenkommen. Unser drittes Aufgabenfeld ist es, die digitalen Möglichkeiten in den Betrieben zu stärken. Die digitale Auffindbarkeit und Kommunikation ist gerade jetzt von zentraler Bedeutung für jeden Betrieb. Hier geht es vonseiten der Kammer um Schulungsangebote und Förderprogramme.

Wie hat sich der Krankenstand in der Krise entwickelt?

Duin: Das war im Handwerk ein überschaubares Thema, das sich nicht besonders dramatisch gestaltet hat. Es gab Sorgen bei Betrieben wie im Baugewerbe mit den osteuropäischen Kollegen, die an Feiertagen in die Heimat zurückwollten. Da war es nicht sicher, ob sie wieder zurückkommen können und ob sie dann in Quarantäne müssen.

Welche Herausforderung bringt das Thema Ausbildung in der Krise?

Duin: Mit der Berufsschule und der überbetrieblichen Ausbildung sind zwei ganz zentrale Bestandteile der Ausbildung über einen längeren Zeitraum ausgefallen. Das ist für Betriebe, die hier von der gewohnten Arbeitsteilung leben, eine Herausforderung. Lerninhalte konnten nicht vermittelt werden und müssen jetzt in der verbleibenden Zeit nachgeholt werden. Dann gibt es bei den Betrieben eine gewisse Zurückhaltung beim Abschluss neuer Lehrverträge. Im Kammerbezirk haben wir hier aktuell einen Rückgang von zwölf Prozent. Das ist ein Warnzeichen, es wären aber auch schlechtere Zahlen möglich gewesen. Wichtig ist es jetzt, neue Onlineformate voranzubringen, da weder klassische Ausbildungsbörsen noch Schulbesuche aktuell möglich sind. Klar ist, wir brauchen im Handwerk junge Menschen über die Krise hinaus. Der Fachkräftemangel ist noch immer ein zentrales Thema.

Wie wird sich das Handwerk durch die Krise verändern?

Duin: Bei der Digitalisierung wird es einen großen Schub geben. Außerdem rückt das Handwerk jetzt in der Krise stärker zusammen. Es gibt viel Solidarität unter den Betrieben. Das war zum Beispiel der Fall, als Mitarbeiter nach dem Skiurlaub zurückkehren wollten und in Quarantäne mussten. Da haben sich die Betriebe gegenseitig mit Mitarbeitern ausgeholfen.

Was macht Ihnen aktuell Sorgen und was Hoffnung?

Duin: Sorgen macht mir die gesamte wirtschaftliche Situation. Da wird jetzt weltweit ein erheblicher Rückgang beim Wirtschaftswachstum erwartet und das auf eine nicht absehbare Zeit. Zu befürchten ist, dass sich die Verbraucher in dieser Situation bei privaten Ausgaben zurückhalten werden. Umso wichtiger ist die unbürokratische Vergabe öffentlicher Aufträge in der Krisenzeit. Hoffnung macht mir, dass Betriebe jetzt nach den harten Wochen wieder anpacken wollen und dass diese gelernt haben, mit der Situation in der Pandemie umzugehen. Das Handwerk ist durch die Krise mit seinen Dienstleistungen nicht schlechter geworden. Wichtig ist auch, dass Handwerksbetriebe zu ihren Mitarbeitern stehen und diese nicht wie teilweise in der Industrie entlassen werden. Die Betriebe wissen, was sie an ihren eigenen Leuten haben. Das vergrößert die Attraktivität des Handwerks als Arbeitgeber.

Autor: Von Stephan Eppinger