Köln | Stefan Löcher ist der Chef der Lanxess-Arena in Deutz. Aktuell ist die Multifunktionsarena wegen der Corona-Krise geschlossen. Im Interview spricht er über die Folgen und das, was ihm gerade Hoffnung macht, und wie er privat die Krise erlebt.

Wie ist die Situation in der Arena aktuell?

Stefan Löcher: Vor zwei Wochen gab es für uns die behördliche Anweisung zur Schließung der Arena – das plötzliche Aus von einem Moment zum anderen. Das bedeutet für uns als Unternehmen mit 450 Mitarbeitern und jährlichen Fixkosten in Höhe von 30 Millionen Euro einen wirtschaftlichen Totalausfall – das ist heftig. Dazu kommen unsere Zulieferer und Dienstleister mit noch einmal 1500 bis 2000 Mitarbeiter, die ebenfalls von der Schließung betroffen sind. Die Arena muss auf Hochtouren laufen, damit es sich rechnet. Wir sind im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungsorten zu 100 Prozent privatwirtschaftlich organisiert. Schlimm ist auch, dass ein hochklassiges Programm in der Arena, das mit sehr viel Einsatz und Arbeit verbunden war, jetzt zumindest in den kommenden Wochen so wegen der Schließung nicht stattfinden kann. Bei uns hängt die Messelatte immer sehr hoch und die Nachfrage ist da. Im Mai haben wir zum Beispiel keinen einzigen freien Veranstaltungstag. Das ist wie ein großes Gebäude, das man mit viel Mühe aufgebaut hat und das jetzt einzustürzen droht.

Was steht jetzt für Sie und Ihr Team an Arbeit gerade an?

Löcher: Wir arbeiten auf Hochtouren jetzt daran, neue Termine im laufenden und im kommenden Jahr für abgesagte Konzerte und andere Termine zu finden. Das gelingt, ist aber auch nicht immer einfach, da Konzerte in große Welt- und Europatouren eingebunden sind. Pro Tag sind es jetzt etwa bis zu 600 Mails mit den Veranstaltern. Und Termine zum Beispiel im Herbst zu finden, ist gar nicht so einfach, da es dort ja schon lange gebuchte Veranstaltungen gibt. Da kommen auf einen Tag schon mal drei Anfragen. Und schon die Absagen bis zum 19. April bedeuten für uns einen Millionenverlust. Heftig ist im Moment auch die Unplanbarkeit. Keiner geht gerade neu in den Vorverkauf, Pläne für neue Touren werden jetzt erst einmal ausgesetzt. Und alles ist uneinheitlich – denn in jedem Land läuft es anders.

Was passiert wenn die Schließung über den 19. April hinausgeht?

Löcher: Dann wird es für uns richtig heftig. Natürlich bin ich mir bewusst, dass jetzt viele Wirtschaftszweige von der Corona-Krise betroffen sind und dass die Maßnahmen dem Gemeinwohl dienen. Aber wir haben jetzt durch die Schließung überhaupt keine Einnahmen mehr und die Mitarbeiter sorgen sich um ihre Jobs. Wir müssen jetzt auch wieder an Kurzarbeit denken. Es gibt auch die Überlegung, ob wir die Arena für Kliniken zu Verfügung stellen, wir wissen aber noch nicht, ob das wirklich umsetzbar ist.

Wie erleben Sie Köln, wenn Sie jetzt unterwegs sind?

Löcher: Es gibt keinen Stau mehr auf dem Weg zur Arbeit. Aber ich würde jetzt lieber jeden Tag 14 Stunden arbeiten und jeden Abend eine ausverkaufte Veranstaltung haben. So ein Stress ist besser, als das, was wir aktuell haben. Es geht jetzt darum, das Vertrauen der Mitarbeiter zu erhalten und sie auch immer wieder motivieren, weiterzumachen. Die Arena war in ihren ersten elf Jahren stetig von der Insolvenz bedroht, in den vergangenen elf Jahren ging es stetig nach oben und wir hatten eine sehr gute Auslastung. Wir stehen auf gesunden Füssen, aber da bröckelt es jetzt. Ich muss mich jetzt erstmals nach mehr als 15 Jahren wieder mit dem Thema Kurzarbeit beschäftigen. Und es trifft die gesamte Veranstaltungsbranche sehr hart – vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen.

Wie war es beim Publikum?

Löcher: Der Eventwille ist da, wir hatten vor der Schließung viele ausverkaufte Veranstaltungen. Es werden auch noch Tickets verkauft. Bei KIZ, die 2021 nach Köln kommen, waren an einem Tag 7000 Karten weg. Die Leute freuen sich, bei aller Vernunft die aktuell gegeben ist, auf die Zeit nach der Krise, wenn es endlich weiter geht und fragen ständig nach den Ersatzterminen für die verschobenen Shows.

Wie erleben Sie die Corona-Krise privat?

Löcher: Ich bin normalerweise sehr viel unterwegs – sei es bei den eigenen Veranstaltungen oder auch bei anderen Events. Das ist jetzt alles weggefallen. Aber ich bin jeden Tag im Büro, auch um Flagge zu zeigen. Meine Frau geht ebenfalls arbeiten, nur unsere Kinder sind zu Hause und wollen da sinnvoll beschäftigt werden. Jetzt gibt es von der Schule aus das E-Learning, was für unsere Kinder echtes Neuland ist. Da muss man auch schon mal aufpassen, dass sie nicht überstrapaziert werden.

Was macht Ihnen derzeit Hoffnung?

Löcher: Die Entwicklung in Deutschland ist zum Glück noch nicht ganz so tragisch wie in anderen Ländern. Da bleibt die Hoffnung, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Vielleicht bringt die Wärme des Frühlings doch noch etwas Entlastung bei der Corona-Krise, zumindest bis ein Impfstoff oder eine Therapiemöglichkeit gefunden worden ist. Und natürlich hoffe ich, dass unser Veranstaltungsbetrieb wieder anläuft, den Leuten wird das sehr wichtig sein. Und es gibt positive Themen, die wir aus der Krise mitnehmen können – den Zusammenhalt der Menschen, eine größere Sensibilität für die Mitmenschen und vielleicht auch die Erkenntnis, dass man Dienstreisen auch durch Videokonferenzen ersetzen kann.

Der Jugend wird gerade vorgeworfen, dass die Krise nicht ernst nimmt und einfach weiterfeiert. Ist das gerechtfertigt?

Löcher: Das vermag ich nicht final zu beurteilen. Es ist natürlich nachvollziehbar, dass junge Menschen sich treffen wollen, wir waren ja auch selbst einmal jung. Aber Corona-Partys zu feiern und die dringlichen Bitten der Regierung einfach zu ignorieren, halte ich für sarkastisch, das geht gar nicht. Wenn ich die Videos aus den Parks so sehe, ist es aber sicherlich auch nicht nur die Jugend die sich zum Teil falsch verhält.

Wie kann man die Zeit zu Hause am besten nutzen?

Löcher: Es gibt momentan so tolle Bücher, die man lesen kann, und auch Spieleabende sind nicht verkehrt. Es wurden auch schon die ersten „Geisterkonzerte“ live gestreamt. Leider bin ich persönlich noch nicht dazu gekommen, dazu gibt es bei uns in der Arena im Moment einfach zu viel zu tun.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Louis Bürk