Köln | Der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse, Alexander Wüerst, spricht im Interview über die Bedeutung seines Unternehmens für die regionale Wirtschaft und über den Service im Privatkundenbereich.

Wie erleben Sie Köln im Moment?
Alexander Wüerst: Ich erlebe Köln momentan mit etwas Wehmut. Diese quirlige, lebendige und turbulente Stadt ist auch jetzt bei schönstem Wetter fast menschenleer. Wenn man überlegt, was sonst in Köln los ist, wie viele Menschen beispielsweise am Dom oder am Wochenende beim FC im Stadion unterwegs sind, wirkt die Stadt aktuell „blutleer“, was eine ganz neue Erfahrung ist.

Welche Herausforderungen bringt die Krise für Sie und Ihr Unternehmen mit sich?

Wüerst: Die Kreissparkasse gehört zu den sogenannten systemrelevanten Unternehmen und hat als Marktführer eine hohe Bedeutung für Privatkunden und die mittelständische Wirtschaft in der Region. Wir sind aktuell besonders gefordert, unsere Kunden tatkräftig mit konkreten Angeboten zu unterstützen. Gleichzeitig haben wir eine besondere Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, beispielsweise die in den Filialen an den Kassen, im Servicebereich oder an den Beratungsplätzen arbeiten. Sie sind im täglichen Publikumsverkehr besonderen Herausforderungen und einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt.

Welche Bedeutung hat die Kreissparkasse für die regionale Wirtschaft?

Wüerst: Unser Marktanteil im mittelständischen Firmenkundensegment liegt bei über 40 Prozent, bei den kleinen Unternehmen ist der Marktanteil sogar noch höher. Das Interesse unserer Kunden an den Fördermitteln, als auch an den Kreditmitteln der Kreissparkasse Köln ist sehr hoch, ebenso der Informationsbedarf. Für die zügige Bearbeitung der Kreditanträge hält die Kreissparkasse Köln maximale Personalkapazitäten bereit. So tun wir von unserer Seite alles für eine schnelle – und soweit möglich – unbürokratische Bearbeitung. Um dies mit Zahlen zu belegen: Unsere Kundenberater haben inzwischen rund 3000 Beratungsgespräche über die Voraussetzungen und Vergabe von Fördermitteln geführt. Aus den Soforthilfeprogrammen sind bereits rund 115 Millionen Euro an unsere Kunden geflossen. Hinzukommen jetzt die Schnellkredite der KfW, die eine rasche Prüfung erfordern. Da liegt ein mächtiger Berg Arbeit vor uns, den wir bewältigen müssen. Erhöhten Kreditbedarf haben auch große Unternehmen, die jetzt Vorsorge für die kommenden Wochen und Monate treffen müssen. Die grundsätzliche Frage ist, wie geht es Anfang Mai weiter und wie kommt die Wirtschaft mit ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten wieder ans Laufen. Über alle Kundengruppen hinweg werden aktuell auch unsere Infoseiten auf unserer Homepage abgerufen, hier zählen wir 2000 bis 3000 Zugriffe täglich.

Welche Folgen hat die Krise für die Unternehmen in der Region?

Wüerst: Die Auswirkungen werden beachtlich sein. Nach unserer Einschätzung könnten etwa die Hälfte der Unternehmen Umsatzrückgänge von mehr als 50 Prozent verzeichnen. Vor allem Kleinstunternehmen wie Restaurants, Caterer, Sportstätten und der Einzelhandel sind betroffen. Entscheidend ist, wie lange die eingeleiteten Maßnahmen andauern und wie schnell die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Auch wird es Unternehmen geben, die den Shutdown nicht überstehen werden. Das werden vor allem Unternehmen sein, die schon vor der Krise Probleme hatten.

Welche Folgen ergeben sich für die Kreissparkasse selbst?

Wüerst: Stand jetzt gibt es für uns noch keine betriebswirtschaftlichen Auswirkungen, auch wenn wir unseren Arbeitsmodus umstellen mussten. Die Kreditnachfrage der Unternehmen steigt, dagegen sind bei den Verbraucherdarlehen, sowohl bei der Konsum- als auch bei der Immobilienfinanzierung Rückgänge zu verzeichnen. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich im zweiten Halbjahr fortsetzen. Wir erwarten des Weiteren anziehende Kreditausfälle, was sich dann auch im Jahresergebnis niederschlagen dürfte. Die Kreissparkasse Köln ist jedoch gut kapitalisiert und wird das verkraften können.

Wie stellt sich die Situation bei den Privatkunden dar?

Wüerst: Zu Beginn der Krise gab es eine erhöhte Nachfrage nach Bargeld, so wurden im Einzelfall Beträge zwischen 10.000 und 50.000 Euro abgehoben. Inzwischen hat sich die Lage jedoch wieder normalisiert. Die Kunden haben erkannt, dass es bei uns keine Engpässe bei der Bargeldversorgung gibt. Auch setzt sich das bargeldlose Zahlen im Einzelhandel immer mehr durch. Viele Geschäfte bitten um mobile Bezahlung mit Karte oder per Handy. Im Zuge der Krise haben wir ein Drittel der Filialen vorübergehend nicht geöffnet. Da jedoch die Foyers der Filialen nutzbar bleiben, stehen den Kunden weiterhin an diesen Standorten die Geldautomaten und die weiteren SB-Geräte zur Verfügung. Auch unsere sechs Mobilen Filialen fahren weiterhin 64 Standorte an und stellen damit die Versorgung mit Finanzdienstleistungen in der Region sicher. In den weiterhin geöffneten Filialen arbeiten wir derzeit im Zweischichtbetrieb, sodass immer ein zweites Team zur Verfügung steht. Unser Beratungsgeschäft findet zum großen Teil telefonisch oder auch im Chat statt.

Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter?

Wüerst: Es wird sehr auf Abstand und Hygiene geachtet. Bei den offenen Kassen haben wir sogenannte „Spuckwände“, ich mag diesen offiziellen Begriff eigentlich nicht, aufgebaut. In den Stabsbereichen arbeiten inzwischen viele Mitarbeiter mobil. Den Vorstand haben wir in zwei Teams aufgeteilt. Darüber hinaus haben wir ein eigenes Gesundheitsmanagement, welches den Kolleginnen und Kollegen beratend zur Seite steht.

Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag verändert?

Wüerst: Im Moment sind alle Veranstaltungen und Dienstreisen abgesagt. Auch das Kulturleben, bei dem ich oft als Repräsentant vor Ort bin, findet nicht mehr statt. Ich selbst arbeite sowohl mobil von zu Hause als auch vor Ort im Büro am Neumarkt. Das Telefon hat für mich deutlich an Bedeutung gewonnen. Meine Kopfhörer sind ständig im Einsatz, um das parallele Blättern in Unterlagen zu erleichtern.

Was macht Ihnen Hoffnung und was Sorgen?

Wüerst: Es ist sicherlich gut, dass wir im Moment auch so manches gewohnte Tun der Vergangenheit infrage stellen. So können wir in Zukunft das Ein oder Andere effektiver gestalten. Allerdings sind beispielsweise Telefon- und Videokonferenzen nicht in allen Bereichen eine dauerhafte Lösung, da der persönliche Kontakt ebenso sehr wichtig ist. Es gibt aber auch viele Anlässe, bei denen das (Video-)Telefonat heute und vielleicht auch in Zukunft durchaus ausreicht. Zu meinen Hoffnungen gehört insbesondere, dass die neuen Infektionsfälle zurückgehen. Allerdings werden in den Nachrichtensendungen oft nur die Bruttozahlen der Gesamtinfizierten genannt. Dabei ist die Entwicklung bei den Genesenen durchaus beachtlich und macht Hoffnung, dass unser Gesundheitssystem nicht überfordert wird. Immerhin sinkt die Anzahl der akut Infizierten seit einigen Tagen. Sorge macht mir, wenn durch die schrittweise Öffnung die Zahlen wieder ansteigen sollten. Denn ein zweiter Shutdown könnte noch gravierendere Folgen haben. Auch sind die Ausweitung der Testkapazitäten und die Chance auf einen Impfstoff echte Hoffnungsträger.

Wie wird sich unsere Gesellschaft verändern?

Wüerst: Es wird wahrscheinlich Veränderungen im persönlichen Umfeld geben. Man kommt mehr zur Ruhe und verbringt mehr Zeit mit der Familie. Die Menschen werden so „geerdet“ und besinnen sich auf ihre Wurzeln. Ich denke auch, dass sich das Reise- und Flugverhalten der Menschen ändern wird.

Wie gehen Sie privat mit der Bedrohung um?

Wüerst: Zum einen halte ich mich so gut es geht an die Empfehlungen des RKI und versuche so dazu beizutragen, dass sich das Virus langsamer ausbreitet. Vielleicht gelingt es, dass die Anzahl der akut Infizierten weiter sinkt und wir Zeit gewinnen bis ein Impfstoff entwickelt ist. Daneben haben sich auch meine Abende verändert. Sonst bin ich häufig unterwegs, jetzt habe ich auch mal Zeit ein Buch zu lesen und selbst zu Hause zu kochen, was ich sehr gerne mache.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Frank Rossbach