Kleve | „Alternativen beim Schlachten“ schreibt Lehrer Christian Wucherpfennig mit Kreide an die Tafel der Schule in Kleve. Die Schüler sollen diskutieren, wie Schweine und Rinder möglichst stressfrei getötet werden können. Sie sind angehende Bio-Bauern und lernen auf der bundesweit einzigartigen Fachschule für Ökologischen Landbau in Kleve. „Momentan gibt es in Deutschland nur zwei Ökoschulen, die andere ist in Landshut“, sagt Wucherpfennig. Deswegen kommen junge Erwachsene aus der ganzen Bundesrepublik an den Niederrhein.

„Ich fand es schade, dass am meisten die Fleischqualität im Vordergrund stand“, kommentiert Schüler Jan Reimann einen Artikel über mobile Schlachtanlagen. Für ihn wie auch für viele andere Öko-Schüler ist Bio mehr als nur eine Möglichkeit zum Geldverdienen. „Die können sich mit der konventionellen Landwirtschaft nicht mehr identifizieren“, sagt der Lehrer für ökologischen Pflanzenbau und Mitbegründer der Fachschule, Ralf Grigoleit. Er und neun weitere Lehrer unterrichten Fächer wie Ackerbau und Milchverarbeitung, aber auch Marketing, Buchhaltung und Energienutzung. „Es steht in keinem Lehrbuch, was hier unterrichtet wird“, sagt er.

Die Ökoschule im Klever Haus Riswick gibt es seit 1996. Neben der Theorie im Klassenzimmer geht es auch viel um Praxis: Es gibt einen eigenen Öko-Versuchsbetrieb mit Rinderställen und anderen Tieren. Melken lernen müssen die Schüler nicht mehr – sie alle haben bereits eine Ausbildung in der Agrarwirtschaft und Berufserfahrung, ehe sie zur Schule kommen. „Die meisten kommen mit dem Ziel, später einen Bio-Hof zu führen“, sagt Wucherpfennig.

Anbauverbände profitieren von Schule

Ein Großteil der Schüler ist den Angaben zufolge 23 bis 24 Jahre alt, etwa ein Drittel ist weiblich. Ältere Landwirte, die auf Bio umstellen, kommen dagegen nicht zur Schule. Die Ausbildung brauche es nicht, um einen Bio-Hof zu führen, erklärt Wucherpfennig.

Ve Spindler ist vor einem Jahr extra aus Norddeutschland nach Kleve gekommen, um sich zur Bio-Bäuerin weiterbilden zu lassen. „Konventionelle Landwirtschaft ist zu industriell“, sagt die 21-Jährige überzeugt. Wie fast alle Bio-Schüler hat sie keinen eigenen Betrieb, den sie von den Eltern übernehmen kann. Nach ihrer Ausbildung will sie erstmal ein paar Jahre Erfahrung auf einem Hof sammeln, bis sie dann einen eigenen Betrieb haben will.

Ihr Mitschüler Jan Reimann kritisiert die konventionelle Landwirtschaft: „Die müssen halt machen, was die Subventionen ihnen vorgeben“. Mit Idealismus habe das nicht mehr viel zu tun. Deswegen will der 26-jährige aus Thüringen Bio-Bauer werden. Auch die Bioanbau-Verbände profitieren von der Schule. „Das ist eine wichtige Kaderschmiede“, sagt der Pressesprecher von Bioland, Gerald Wehde. Der Verband arbeitet seinen Angaben zufolge mit der Schule zusammen.

Mehr Nachfrage als Angebot

Die Lage für angehende Biobauern in NRW sieht auf dem Papier gut aus: In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Betriebe und die der genutzten Flächen kontinuierlich an, nach Daten der Landwirtschaftskammer waren 2011 mehr als 1.800 Öko-Betriebe gemeldet, die mehr als 70.000 Hektar bewirtschafteten. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) sagte vor kurzem: „Leider können wir hier in NRW derzeit nicht die starke Nachfrage aus eigener Produktion decken.“ Einer Marktstudie zufolge fehlen dem Land noch 36.000 Hektar Fläche, um den Bedarf mit heimischen Bio-Lebensmitteln abzudecken.

Die Jobaussichten für Absolventen sind nach Angaben von Wucherpfennig gut. „Wir kriegen regelmäßig Emails und Anrufe von Höfen mit Jobangeboten“, sagt er. Neben dem Wissen um das richtige Futter und Anbaufolgen hat die Ökoschule einen zusätzlichen Effekt: „Wir sind hier eine Eheschmiede“, scherzt Grigoleit. In den Klassen hätten sich viele Paare gefunden: „Wir können die Zahl der Öko-Babys nicht mehr zählen.“

Autor: Helena Baers, dapd