Düsseldorf | aktualisiert 13:58 Uhr | Den Strom- und Gaskunden in Deutschland drohen weitere Preisaufschläge. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied am Mittwoch in 19 Pilotverfahren, dass die Bundesnetzagentur in der Vergangenheit fehlerhafte Berechnungsmethoden zur Ermittlung des Anlagenwertes der deutschen Strom- und Gasnetze verwendet habe. Dadurch seien die Anlagenwerte zum Nachteil der Netzbetreiber zu niedrig kalkuliert worden.

Für die deutschen Verbraucher würde das Urteil, wenn es rechtskräftig wird, wohl weitere Preissaufschläge bedeuten. Denn die Netzkosten fließen in den Strompreis ein. Auch die in der Vergangenheit zu wenig gezahlten Gelder könnten dann nachträglich auf den Strompreis aufgeschlagen werden, wie ein Sprecher des Gerichts erklärte.

Zur möglichen Höhe der Aufschläge machten allerdings weder das Gericht noch die Bundesnetzagentur genaue Angaben. Schätzungen, es könne sich um einen Milliardenbetrag handeln, wollten sie nicht kommentieren. Ohnehin würde eine Nachzahlung wohl über mehrere Jahre verteilt werden.

Das Urteil des Oberlandesgerichts ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Bundesnetzagentur kann dagegen Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Vor einer Entscheidung über diesen Schritt will die Behörde aber zunächst die Urteilsbegründung prüfen, wie ein Sprecher mitteilte.

Kemfert rechnet nur mit „leichteren Preissteigerungen“

Insgesamt haben vor dem Oberlandesgericht fast 300 Gas- und Stromnetzbetreiber gegen die Berechnungspraxis der Bundesnetzagentur geklagt. Der Vorsitzende Richter des 3. Kartellsenats Wiegand Laubenstein betonte, das Urteil habe „erhebliche Bedeutung“, da es sich auch auf kommende Festlegungen der Bundesnetzagentur auswirke. Dies könnte etwa für den mehr als 30 Milliarden Euro teueren Umbau der Stromnetze im Zuge der Energiewende gelten.

Als fehlerhaft bewertete das Gericht vor allem, dass sich die Aufsichtsbehörde bei der Einbeziehung der Preis- und Lohnentwicklung in die Berechnung des Anlagenwertes auf die Lohnentwicklung im „Produzierenden Gewerbe“ gestützt hatte, statt auf den Gehaltsindex des Baugewerbes, wo die Lohnsteigerungen spürbar höher ausfielen. Schließlich entfalle ein erheblicher Teil der Netzbaukosten auf die Bauarbeiten. Außerdem habe die Aufsichtsbehörde bei ihren Berechnungen einen zu großen Produktivitätsfortschritt zugrunde gelegt.

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, riet allerdings den Verbrauchern zu Gelassenheit. Im Nachrichtensender n-tv sagte sie: „Es gibt etliche Stromanbieter, die nicht immer eins zu eins sofort alle Kosten weiterreichen. Insofern wird auch der Wettbewerb dafür sorgen, dass die Strompreise durchaus moderat sich entwickeln werden.“ Zwar sei – auch wegen des Anstiegs der EEG-Umlage – in der Summe mit „leichteren Preissteigerungen“ zu rechnen, „aber nicht so stark wie manche im Moment befürchten“.

Autor: Erich Reimann, dapd