Luxemburg | aktualisiert | Die umstrittenen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) sind laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zulässig. Die EZB verstoße damit nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung und nicht gegen ihr Mandat, urteilte der Europäische Gerichtshof am Dienstag. Für mehr als 2 Billionen Euro hatten die EZB und 18 nationale Notenbanken der Eurozone seit März 2015 Staatsanleihen aufgekauft. Nach der Entscheidung des EuGH sehen die Kläger Konfliktpotenzial mit dem Bundesverfassungsgericht. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, begrüßte das Urteil.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Sommer 2017 das Thema dem EuGH zur Prüfung vorgelegt. Die deutschen Verfassungsrichter erklärten im August 2017, sie sähen „gewichtige Gründe“ für die Vermutung, dass die EZB unzulässig Staatshaushalte finanziere. Diesen Bedenken seitens des Bundesverfassungsgerichts widersprach nun der EuGH.

Klägervertreter nennt EuGH-Urteil „Kampfansage“ an Karlsruhe

Die Kläger sehen einen Konflikt mit dem deutschen Bundesverfassungsgericht heraufziehen. „Natürlich ist das Ganze eine Kampfansage an das Bundesverfassungsgericht“, sagte der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Degenhart gehört zu einer Gruppe von Klägern, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Staatsanleihekaufprogramm EZB geklagt hatte.

Die Karlsruher Richter hatten gewichtige Gründe dafür gesehen, dass die Notenbank verbotene Staatsfinanzierung betreibt. Nachdem der EuGH nun seine gegenteilige Einschätzung abgegeben hat, liegt die letzte Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht. Dazu sagte Degenhart: „Meines Erachtens muss das Gericht, um seine Stellung zu behaupten, dem EuGH kontra geben und auf seiner Einschätzung beharren.“

Das werde einen Konflikt zwischen den beiden Gerichten unausweichlich machen. „Doch wenn der Konflikt immer nur durch kompromisshaftes Bemühen um Harmonie überdeckt wird, wird er auf Dauer nicht gelöst.“ Im Zuge des PSPP-Programms hat die EZB bereits mehr als zwei Billion Euro an Staatspapieren der Euroländer aufgekauft.

Zur Begründung seiner Entscheidung verwies der EuGH darauf, dass kein Staat bevorzugt werde. Degenhart überzeugt das nicht: „Denn selbstverständlich profitieren vor allem die Staaten von dem Programm, die andernfalls nur erschwerten Zugang zu den Finanzmärkten hätten.“

DIW-Chef begrüßt EuGH-Urteil zu EZB-Anleihenkäufen

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat das Urteil des EuGH zu den Anleihenkäufen der Europäischen Zentralbank begrüßt. „Der Europäischen Gerichtshof bestätigt die Rechtmäßigkeit der EZB-Anleihenkäufe und widerlegt die deutschen Gegner des Euro und der EZB“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwochsausgabe). Die Entscheidung sei eine Bestätigung dafür, dass die EZB völlig richtig gehandelt habe, um ihr Mandat der Preisstabilität wahrzunehmen.

Fratzscher befürchtet allerdings, „dass auch diese weitere Bestätigung die deutschen Kritiker nicht beruhigen wird, sondern die Vorwürfe und die Verschwörungstheorien weiter befeuern wird“. Der DIW-Präsident nannte es „traurig, dass vor allem in Deutschland sich sehr national denkende Ökonomen und Politiker noch immer gegen den Euro und die europäische Integration stemmen, obwohl Deutschland einer der großen Gewinner des Euro ist“. Er befürchte zudem, dass die EZB „durch die wirtschaftliche Abschwächung in Europa erst später als von vielen in Deutschland erwartet aus ihrer expansiven Geldpolitik aussteigen kann“. Fratzscher erwartet deshalb im kommenden Jahr „eine Fortsetzung der Attacken und Kritik aus Deutschland gegen die EZB.“

Autor: dts