Essen | aktualisiert 16:36 Uhr | Bei Deutschlands zweitgrößtem Energieversorger RWE droht ein weiterer Stellenabbau. Zugleich zog der künftige RWE-Chef Peter Terium einen Schlussstrich unter den Pro-Atom-Kurs seines Vorgängers Jürgen Großmann. Terium kündigte an, dass RWE keine neuen Atomkraftwerke mehr bauen werde, weder im Ausland noch im Inland.

„Auch bei RWE stehen harte Entscheidungen an“, sagte der künftige RWE-Chef Peter Terium wenige Wochen vor seinem Amtsantritt. Das Unternehmen werde das Geschäft mittel- und langfristig mit weniger Mitarbeitern führen müssen. Allerdings soll der Stellenabbau nach seinen Worten sozialverträglich erfolgen. Details nannte der Manager nicht. Zuerst wolle das Unternehmen die notwendigen Maßnahmen mit den Mitarbeitern besprechen. Terium betonte: „In drei Jahren wird der Konzern nicht mehr die gleichen Strukturen haben wie jetzt.“ Solche Anpassungen seien ein ständiger Prozess.

„Atomausstieg 2.0“ beim Energiekonzern RWE

Nach der Energiewende in Deutschland gibt Deutschlands größter Stromproduzent auch alle Pläne für den Neubau von Atomkraftwerken im Ausland auf. Wenige Wochen vor seinem Amtsantritt kündigte der künftige Konzernchef Peter Terium an: „Wir werden nicht mehr in neue Kernkraftwerke investieren.“ Das finanzielle Risiko von Reaktor-Neubauten sei für Deutschlands zweitgrößten Energieversorger „nicht zumutbar“. Der Manager verabschiedet sich damit vom Pro-Atom-Kurs seines Vorgängers Jürgen Großmann. Konkurrent E.on hält sich dagegen die Option zum Neubau von Reaktoren im Ausland ausdrücklich offen. „Wir entscheiden das je nach Markt“, sagte Konzernsprecher Carsten Thomsen-Bendixen der Nachrichtenagentur dapd. Aktuell bereitet der Konzern im finnischen Pyhäjoki mit einheimischen Partnern den Bau eines Kernkraftwerks vor. „Das Projekt geht wie geplant weiter“, sagte der Sprecher. Außerdem ist E.on an drei Kernkraftwerken in Schweden beteiligt. RWE hält lediglich noch eine 30-prozentige Beteiligung am niederländischen Kernkraftwerk Borssele.

Statt in Atomkraft will Terium verstärkt in erneuerbare Energien investieren. Dabei kommt auch die bislang von RWE eher kritisch beurteilte Solarenergie zu neuen Ehren. Der Preisverfall bei Solarmodulen sei um ein Vielfaches höher ausgefallen als erwartet, sagte Terium. Vor allem in Südeuropa und Nordafrika würden Investitionen in Sonnenenergie damit attraktiv. Doch auch in Deutschland sei das Unternehmen bereit, zusammen mit Partnern wie etwa den Stadtwerken den Bau von Solarparks voranzutreiben, wenn der Subventionsrahmen stimme. Terium setzt sich damit deutlich von seinem Vorgänger Großmann ab, der einer der profiliertesten Atomkraft-Befürworter in Deutschland war.

Vorläufig keine neuen Kohle- und Gaskraftwerksprojekte

Bereits Ende März hatten RWE und E.on ihre Pläne aufgegeben, gemeinsam in Großbritannien mit einem Kostenaufwand von bis zu 17 Milliarden Euro fünf bis sechs neue Atomkraftwerke zu bauen. Das eigens dafür gegründete Gemeinschaftsunternehmen Horizon Nuclear Power steht nun zum Verkauf. Zuvor hatte RWE bereits AKW-Projekte in Rumänien und Bulgarien gestoppt.

Auch beim Bau neuer Gas- und Kohlekraftwerke tritt Terium auf die Bremse. Auch konventionelle Kraftwerksprojekte werde RWE „in absehbarer Zeit“ nicht in Angriff nehmen, sagte der Manager. Die regulatorischen Rahmenbedingungen dafür seien in Europa zurzeit nicht gegeben. Der Hintergrund: Wegen des Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien und gesunkener Großhandelspreise wird der Betrieb konventioneller Kraftwerke für die Energiekonzerne zunehmend unattraktiv. Die RWE-Aktie büßte bis zum Montagnachmittag rund 0,6 Prozent an Wert ein. E.on legte dagegen leicht zu.

Terium rückt zum 1. Juli an die Spitze des zweitgrößten deutschen Versorgers.

Autor: Erich Reimann | dapd