Köln | Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, sieht durch die Corona-Krise die Gefahr für einen massiven Stellenabbau in Deutschland. Ifo-Chef fürchtet Abwärtsspirale im Finanzwesen und die Regierung sagt, sie könne sich in der Krise unbegrenzt verschulden. Mittelstand dringt auf „umfassende steuerliche Entlastung“. Im Zuge der Corona-Krise pumpt die Europäische Zentralbank (EZB) weitere 750 Milliarden Euro in den Markt.

IMK-Direktor sieht Gefahr für massiven Stellenabbau in Deutschland

Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, sieht durch die Corona-Krise die Gefahr für einen massiven Stellenabbau in Deutschland. „Ob es zu neuer Massenarbeitslosigkeit kommt, hängt nun zum einen von der weiteren Reaktion der Wirtschaftspolitik ab, zum anderen, ob die Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen, Beschäftigung zu sichern“, sagte Dullien den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). Die Wirtschaftskrise sei „die tiefste seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 und wird mit einem massiven Einbruch des Bruttoinlandsprodukts einhergehen“.

Die Wirtschaftspolitik müsse neben dem Kurzarbeitergeld und der Stundung von Steuerzahlungen weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. „Das Kurzarbeitergeld reicht nicht“, warnte der IMK-Direktor. Mit den Schließungen im Einzelhandel seien viele Beschäftigte mit niedrigen Einkommen von Kurzarbeit betroffen.

Ihnen fehle fast die Hälfte ihres Einkommens. „Das ist nicht nur sozial problematisch, sondern auch für die Wirtschaft gefährlich. Diese Menschen können nun weniger kaufen und der Konsum droht weiter belastet zu werden. Hier muss dringend über eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes gesprochen werden, etwa auf 80 oder 90 Prozent des ursprünglichen Einkommens“, sagte Dullien. Gleichzeitig dürften die Unternehmen nicht die Krise über aktuelle Notlagen hinaus dazu nutzen, Stellen abzubauen. Vor allem Kleinbetriebe und Selbständige bräuchten schnell und unbürokratisch weitere Hilfen.

Ihnen seien die Umsätze weggebrochen, während Mieten und ähnliche Kosten weiterlaufen. „Hier sind schnell und unbürokratisch zinsfreie Kredite notwendig, am besten direkt vom Staat und unter Umgehung der KfW und der Geschäftsbanken“, so der IMK-Direktor weiter. Im Fall besonders betroffener Unternehmen seien Staatsbeteiligungen und eine Aufstockung des Eigenkapitals durch Bund und Länder erforderlich, zumindest bei größeren Kapitalgesellschaften. „Wenn sich die Verluste häufen, so ist der Staat zum Teil daran beteiligt, erholt sich die Wirtschaft nach der Krise, kann er sich dann aber auch einen Teil der eingesetzten Mittel zurückholen“, so Dullien. Die Wirtschaftspolitik müsse wiederum bei den Unternehmen die begründete Hoffnung auf eine schnelle Erholung nach der Krise schaffen. „Mehr öffentliche Investitionen, aber bei dann anhaltender Konsumschwäche auch unkonventionelle Maßnahmen wie etwa Konsumschecks oder vorübergehend höheres Kindergeld, sollten möglichst schon jetzt für den Zeitpunkt angekündigt werden, an dem die akute Gesundheitskrise überwunden ist“, sagte der IMK-Direktor den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Nur wenn sich die Unternehmen „halbwegs sicher sein“ könnten, künftig wieder auf ihr altes Umsatzniveau zurückzukommen, würden sie „jetzt davon absehen, Beschäftigung abzubauen“.
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Ifo-Chef fürchtet Abwärtsspirale im Finanzwesen

Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht Deutschland auf eine große Krise zulaufen. Heute spreche vieles dafür, dass die deutsche Wirtschaft in Dimensionen gerate, die an die Finanzkrise von 2008/2009 erinnerten, sagte er am Donnerstag in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion. Eine Rezession werde sich nicht vermeiden lassen, die Frage sei eher, wie schwer sie werde.

Das hängt laut Fuest zum einen vom weiteren Verlauf der Coronavirus-Pandemie und zum anderen davon ab, wie erfolgreich die jetzt ergriffenen Maßnahmen sein werden. „Der große Unterschied ist, dass die Krise diesmal aus der Realwirtschaft kommt und dass es uns jetzt nicht hilft, die Nachfrage zu stimulieren“, so Fuest weiter. Schließlich wolle man nicht, dass die Leute in Restaurants und Läden gingen, sondern aus gesundheitlichen Gründen zu Hause blieben.

„Wir stecken in einem Konflikt zwischen der Bekämpfung der Epidemie und der Belebung der Wirtschaft.“ Das mache es schwieriger. Ein Vorteil gegenüber 2008 sei allerdings, dass Deutschland es jetzt nicht mit einer enormen Verschuldung zu tun habe.

„Wir können darauf hoffen, dass wenn die Epidemie überwunden ist, es schnell wieder aufwärts geht.“ Die Corona-Krise könne sich trotzdem auf die Finanzbranche ausweiten. „Wir sehen, dass der Finanzsektor diesmal nicht die Ursache ist, er ist aber natürlich betroffen.“

Wenn Unternehmen in die Insolvenz gingen, verlören Banken das Geld, welches sie den Firmen geliehen haben. Es bestehe die Gefahr, dass im Finanzwesen eine Abwärtsspirale entstehe, die für die Konjunktur sehr gefährlich sei. Für ein klassisches Konjunkturpaket sei es allerdings noch zu früh. „Wir müssen uns zuerst darauf konzentrieren, dass dieses Einfrieren der Wirtschaft mit möglichst geringen Schäden überstanden wird“, sagte Fuest. Danach solle der Staat überlegen, ob nicht breitere Steuersenkungen durchgeführt und Konsum- und Investitionsanreize geschaffen werden sollten.
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Regierung: Bund kann sich in Notsituation unbegrenzt verschulden

Der Bund kann nach Angaben des Bundesfinanzministeriums trotz der Schuldenbremse in einer außergewöhnlichen Notsituation wie der Corona-Krise unbegrenzt neue Schulden aufnehmen. Das ermöglichten die Regeln zur Schuldenbremse im Grundgesetz, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine Berichtsanforderung des Grünen-Politikers Sven-Christian Kindler, über welche die „Rheinische Post“ (Donnerstagsausgabe) berichtet. „Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Die Notsituation muss außergewöhnlich sein, ihr Eintritt muss sich der Kontrolle des Staates entziehen und sie muss die staatliche Finanzlage und den Haushalt erheblich beeinträchtigen“, heißt es in der Antwort. „Eine vertragliche Obergrenze der zusätzlichen Verschuldungsmöglichkeiten ist nicht festgelegt“, so das Ministerium. Zusätzlich habe der Bund auch für Nachtragshaushalte die Möglichkeit, die nach der Schuldenbremse zulässige Verschuldungsobergrenze um weitere drei Prozent der veranschlagten Steuereinnahmen zu überschreiten, wenn es unerwartete Entwicklungen auf der Einnahmen- oder Ausgabenseite gebe.
„Das entspricht derzeit einem Betrag von rund zehn Milliarden Euro“, so das Finanzministerium. „Die Schwarze Null ist längst Makulatur. Die Schuldenbremse gibt uns in außergewöhnlichen Notlagen wie dieser die Möglichkeit zur Neuverschuldung“, sagte Kindler.

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Mittelstand dringt auf „umfassende steuerliche Entlastung“

Im Zuge der Auswirkungen der Corona-Krise auf kleine und mittlere Unternehmen dringt der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) auf weitere staatliche Zugeständnisse. „In dieser Extremsituation erwartet der Mittelstand von der Politik allerdings auch umfassende steuerliche Entlastungen“, sagte BVMW-Präsident Mario Ohoven den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Er forderte, dass der Solidaritätszuschlag sofort abgeschafft wird.

„Die sofortige und vollständige Abschaffung des Soli für alle wäre eine Maßnahme mit hoher Wirkung und Symbolkraft“, so der BVMW-Präsident. Zusätzlich brauche man eine „umfassende Unternehmenssteuerreform, denn Deutschland ist für den Mittelstand längst zum Höchststeuerland geworden“. Außerdem brauche man „die Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialbeiträge und Bürgschaften für Gewerbemieten“, sagte Ohoven.

Das Problem für mittelständische Unternehmen sei nicht das Virus selbst, sondern die starke Abhängigkeit von globalen Lieferketten. Jedes zweite Unternehmen rechne bereits mit Umsatzverlusten, die Tendenz sei steigend. „Es droht eine ernste Rezession der Gesamtwirtschaft“, warnte der Mittelstandspräsident.

Die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung wie unbegrenzte Kredite, Expressbürgschaften und erleichterte Kurzarbeiterregelungen könnten „das Schlimmste abwenden“, sagte Ohoven den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Entscheidend sei jetzt eine schnelle und unbürokratische Umsetzung.

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EZB pumpt weitere 750 Milliarden Euro in den Markt

Im Zuge der Corona-Krise pumpt die Europäische Zentralbank (EZB) weitere 750 Milliarden Euro in den Markt. Das beschloss der EZB-Rat am Mittwoch. Mit dem Geld sollen bis Ende 2020 Wertpapiere des privaten und öffentlichen Sektors aufgekauft werden, wie es hieß.

Gekauft werden sollen die gleichen Wertpapiere, wie auch schon im bekannten „Asset Purchase Program“ (APP). Dazu gehören unter anderem Unternehmens-, aber insbesondere auch Staatsanleihen. Außerdem beschloss der EZB-Rat, Sicherheitenstandards für die Risikobewertung und Bonitätsregeln zu lockern.

„Dadurch wird sichergestellt, dass die Gegenparteien die Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems weiterhin in vollem Umfang nutzen können.“ Und offenbar ist die EZB auch willig, noch zu mehr Geld zu drucken: Der Rat sei „voll und ganz bereit“, die Größe seiner Programme zum Kauf von Vermögenswerten zu erhöhen und ihre Zusammensetzung „so weit wie nötig und so lange wie nötig anzupassen“. Es würden „alle Optionen und Eventualitäten untersucht, um die Wirtschaft durch diesen Schock zu unterstützen“, hieß es.

Autor: dts
Foto: Bankentürme in Frankfurt am Main