Köln | Mit gleich zwei Pressemeldungen ging das in Köln ansässige Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt an die Öffentlichkeit. Ein neugestaltetes Seitenleitwerk und Pilotenassistenzsysteme sollen das Fliegen effizienter und leiser machen.

Das DLR kooperiert dabei als bundeseigene Forschungseinrichtung mit verschiedenen Industrie- und Forschungspartnern zusammen. Beim neuen Anflugverfahren konnte das DLR die Fluggesellschaft Lufthansa dazu gewinnen, nun 86 Maschinen des Typ Airbus A320 mit einem neu entwickelten Assistenzsystem auszustatten. Die sollen künftig am Standort Frankfurt am Main testen, ob die digitale Unterstützung tatsächlich hilft, Lärmemissionen für die betroffenen Anlieger in Flughafennähe zu reduzieren.

Gemeinsam mit dem Umwelt- und Nachbarschaftshaus (UNH) in Kelsterbach bei Frankfurt und dem Flughafenbetreiber Fraport geht der Test nun in die Langzeiterprobung. Vorab hatte das DLR bereits 25 Lufthansa-Piloten mit dem neuen System vertraut gemacht, sowohl die Softwareintegrationsarbeiten als auch die ersten Integrationsflüge konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Sobald alle Rahmenbedingungen erfüllt sind, soll die Erprobung auf alle A320-Piloten der Lufthansa ausgeweitet werden, hieß es dazu weiter.

LNAS (Low Noise Augmentation System) ist ein displaybasiertes Assistenzsystem, das die Piloten bei der Ausführung lärmarmer und kerosinsparender Anflüge unterstützt. Als primäre Plattform der Langzeiterprobung des Assistenzsystems LNAS fungiert der Flughafen Frankfurt, da dort die FRAPORT AG und das UNH zahlreiche Lärmmessstellen unterhalten und die Lärmmessdaten für eine statistisch belastbare Aussage zu Lärmminderungspotentialen zur Verfügung stellen. LNAS wird aber nicht nur in Frankfurt genutzt, sondern soll im gesamten Operationsnetz der A320-Familie der Deutschen Lufthansa eingesetzt werden. So können zudem weitere wichtige Erkenntnisse zum Treibstoffeinsparungspotential bei energieeffizienten LNAS-Anflügen getroffen werden.

Das DLR hatte bereits 2016 erste Flugversuche mit dem Forschungsflugzeug A320 ATRA am Flughafen Frankfurt unternommen bei denen bereits erste Ergebnisse zur Wirksamkeit des Systems ermittelt werden konnten. Das Landeassistenzsystem LNAS wird auch am DLR-Stand auf der ILA Berlin 2018 präsentiert.

Neues Seitenleitwerk im Test

Der Forschungsflieger des DLR testet das neue Seitenleitwerk.  Bild: DLR

Ein weiterer Baustein zum Treibstoffverbrauch könnte zudem ein neugestaltetes Seitenleitwerk werden, das vom DLR derzeit in die Testphase geht. Im Projekt AFLoNext (Active Flow Loads & Noise control on next generation wing) erforschen 40 Partner aus 15 unterschiedlichen Ländern mit Airbus als Koordinator und unter wesentlicher Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)Technologien der Strömungs- und Lastenkontrolle.

Ausgehend von Braunschweig finden von April bis Mai 2018 Flugversuche mit einem am DLR-Forschungsflugzeug A320 ATRA umgebauten Seitenleitwerk statt. Hierbei wird erstmals in Europa ein neues System zur Hybridlaminarisierung im Flugversuch getestet. Mit dieser Technologie der schwachen, gezielten Absaugung soll für Flugzeuge von Morgen der Treibstoffverbrauch deutlich gesenkt werden. Die Innovation greift auf Erfahrungen früherer Zeiten zurück, denn die Grundidee ist nicht neu.Seine Wirksamkeit wurde bereits 1998 im Flugversuch gezeigt, damals allerdings mit einem immensen technischen Aufwand. Im EU-Projekt ALTTA ist 1998 vom DLR bereits ein deutlich vereinfachtes System entwickelt worden, seine Funktionalität konnte bisher aber nicht im Flugversuch nachgewiesen werden. Heute ist man in Puncto Herstellung einen erheblichen Schritt weiter gekommen.

Die Hybrid-Laminarisierung (HLFC: Hybrid Laminar Flow Control) ist eine Schlüsseltechnologie zur signifikanten Reduktion des Treibstoffverbrauchs und der Emissionen mit einem Einsparpotential für Langstreckenflugzeuge von bis zu neun Prozent beim Verbrauch. „Eine laminare Grenzschicht weist geordnete Strukturen auf mit wenig Impulsaustausch quer zur Strömungsrichtung, was einen geringen Reibungswiderstand bewirkt. Unser Ziel ist Stabilisierung der laminaren Grenzschicht durch schwache aber gezielte Absaugung weit über den Punkt ihrer natürlichen Transition hinaus. Mit dieser Hybrid-Laminarisierung lässt sich der Reibungswiderstand deutlich reduzieren und mit ihm der Treibstoffverbrauch, die Emission von Schadstoffen und damit auch die Energiekosten“, erläuterte der Projektleiter für die HLFC-Technologie im Flugversuch Dr. Heiko Frhr. Geyr von Schweppenburg vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.

Ein erster Checkflug im November vergangenen Jahres lässt die Entwickler hoffen. „Es funktionierte einwandfrei, allerdings mussten Nachbesserungen an der Verkleidung der Infrarot-Kameras am Höhenleitwerk durchgeführt werden“, erklärt Gerald Ernst von der DLR-Einrichtung Flugexperimente. Für die jetzigen Flugversuche haben die Mitarbeiter von DLR und Airbus das überarbeitete Bauteil am Seitenleitwerk innerhalb von zwei Monaten erneut eingebaut. Seit einem zweiten Checkflug am 9. April 2018 fliegt das DLR-Forschungsflugzeug ATRA nun kontinuierlich mit dem modifizierten Seitenleitwerk. „Wir testen unser Absaugsystem in verschiedenen Höhen, Geschwindigkeiten und Schiebewinkeln“, erklärt Geyr von Schweppenburg weiter. Dabei variieren die Tester die Absaugleistung, um die Leistungsfähigkeit und Effizienz des Systems zu ermitteln. Die aufwändige Instrumentierung des HLFC-Systems und des Seitenleitwerks erlaubt sehr detaillierte Messungen. „Mit der neuen Inflight-Datenauswertung können wir die einzelnen Testpunkte sehr effizient ansteuern und wissen genau, wie unser System reagiert“, so der Luftfahrtexperte weiter.

Dabei untersuchen die Wissenschaftler auch zwei verschiedene Systeme zur Energiegewinnung für das Absaugsystem. Zum einen ein aktives System, bei dem der für die Absaugung notwendige Unterdruck im HLFC-System durch Kompressoren erzeugt wird. Kompressoren haben einen hohen Wirkungsgrad, bedeuten aber auch ein deutlich höheren System- und Wartungsaufwand. Die zweite Variante ist ein passives System, bei dem eine speziell ausgelegte Absaugklappe entgegen der Flugrichtung geöffnet und hierdurch der Unterdruck für die Absaugung erzeugt wird. Dieses System kommt ohne zusätzliche Kompressoren aus, hat allerdings einen geringeren Wirkungsgrad als Kompressoren, so der Plan.

Das DLR-Forschungsflugzeug A320-ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) wird in vollständiger AFLoNext-Forschungskonfiguration auf der ILA 2018 in Berlin zu sehen sein. Die Luftfahrtmesse beginnt am heutigen Mittwoch und dauert bis zum Sonntag an.

Autor: bfl
Foto: Mit dem neuen Anflugverfahren Treibstoff sparen und weniger Lärm erzeugen. Die ersten Versuche verliefen vielversprechend, nun geht der Test in die Fläche.  Bild: DLR