Bochum | Die Kunden von Markus van den Boom kommen inzwischen selbst aus dem Ausland. Denn der 41 Jahre alte Bochumer hat sich darauf spezialisiert, Rollwagen für Hunde zu bauen, mit deren Hilfe auch teilweise gelähmte Tiere wieder laufen können. Der Rollwagen ist nun auch die letzte Hoffnung für Dackeldame Fleur.

Jeden Tag ein Wagen

Fleur ist Martin Zanders ganzer Stolz. Alle Jagdhund-Prüfungen habe die Dackeldame gewonnen, berichtet der Velberter. Doch jetzt? Ihre Hinterbeine hat die Hündin schlaff zur Seite abgewinkelt, ihr Hinterteil streift den Boden, als sie mithilfe der Vorderbeine versucht, vorwärts zu robben. „Ein Bandscheibenvorfall“, sagt Zander traurig. Seine Hoffnung, eines Tages wieder mit Fleur jagen gehen zu können, hat er aber noch nicht aufgegeben. Dabei helfen soll ihm Markus van den Boom. Der 41 Jahre alte Bochumer hat sich darauf spezialisiert, Rollwagen für Hunde zu bauen, mit deren Hilfe auch teilweise gelähmte Tiere wieder laufen können. Auslöser für die Idee war sein eigener Hund. Seine damalige Freundin und heutige Ehefrau, eine Tierärztin, riet ihm damals, das Leben des fußlahmen Tieres zu beenden. „Sie gab mir nur eine Woche Zeit. Wenn es ihm dann nicht besser ginge, wollte sie ihn einschläfern“, erinnert sich der gelernte Orthopädietechniker.

Im Internet suchte er nach Möglichkeiten, seinen Hund doch noch zu retten – und wurde fündig: Eine Firma bot Rollwagen für Tiere an. Doch weil der Wagen erst in den USA bestellt werden musste, sollte die Lieferung sechs Wochen dauern. Zu lang für van den Boom und so machte sich der Bochumer daran, selbst einen Wagen zu bauen. Über das Ergebnis staunte er selbst ein wenig. „Mein Hund lief damit, als habe er nie etwas anderes gemacht“, sagt der 41-Jährige.

In der Tierklinik, in der seine Freundin arbeitete, sprach sich der Erfolg schnell herum und erste Aufträge kamen rein. Vor etwa drei Jahren waren es so viele, dass er seine Arbeit als Orthopädietechniker für Menschen aufgab und sich selbstständig machte. „Inzwischen baue ich fast jeden Tag einen Wagen“, sagt van den Boom. Dabei nehme er nicht einmal jeden Kunden an. „Wenn ich sehe, dass das Tier große Schmerzen hat, dann lehne ich den Auftrag ab“, sagt er. Der Tierschutz gehe bei ihm vor. Manchmal sei es eben doch besser, wenn ein Hund eingeschläfert werde. „Ich möchte nicht auf Kosten der Tiere Geld verdienen“, betont van den Boom. „Ich möchte denken: Du hast es richtig gemacht und fertig – nicht des Geldes wegen.“

Alle Wagen sind Einzelstücke

Ein Wagen kostet seine Kunden meist 300 bis 600 Euro. Jedes Gefährt ist dabei eine passgenaue Einzelanfertigung. Für große Hunde nutzt van den Boom Fahrradräder, für Chihuahua-Wagen kleine Räder, wie sie unter Rollskiern zu finden sind. Die Tragerahmen schweißt er zusammen, die Geschirre, die dem Hund um den Brustkorb gelegt werden, näht er selbst. Sogar seine Nachbarn staunten noch immer, wenn die Hunde dann mit den fertigen Wägelchen vor seiner Garage herumflitzten, berichtet der 41-Jährige. Und viele seien erstaunt, dass er mit seiner Geschäftsidee Geld verdienen könne. Selbst seine Frau Birgit gibt zu, dass sie den Rollwagen anfangs skeptisch gegenüber stand. „Wenn man aber ein paar Hunde sieht und sieht, wie viel Lebensqualität sie zurückbekommen haben, denkt man anders“, sagt sie.

Doch nicht alle sehen das offenbar so. Kunden berichteten immer wieder, dass sie angefeindet würden, wenn sie mit ihrem Hund und dem Wagen spazieren gingen. „Sie hören dann: ‚Was quälst Du Dein Tier‘ oder ‚Schläfer ihn doch besser ein'“, sagt die Tierärztin.

Erste Anfragen aus der Türkei

Wie viel Konkurrenz van den Boom hat, weiß er nicht. Von drei oder vier anderen auf Tiere spezialisierten Anbieter in Deutschland habe er gehört, sagt er. Genaue Zahlen hat auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag nicht. Doch die Konkurrenz lässt van den Boom ohnehin kalt. Schließlich steigt die Nachfrage bei ihm stetig. Inzwischen hat er nicht nur Kunden in Deutschland und dem angrenzenden Ausland. Auch in die Türkei und nach Rumänien verschickte er schon seine Werke. Sein neustes Werk, der Rollwagen für Fleur, wartet nur noch auf den Anprobe. Kaum sind ihre Hinterbeinchen in ihr neues Gefährt gehängt, flitzt die Dackeldame auch schon los und beginnt, im Gras ein Loch zu buddeln. „Da kommt gleich die Lebensfreude zurück“, sagt Besitzer Zander entzückt und lacht. Und die Hoffnung, eines Tages doch wieder mit Fleur jagen gehen zu können, ist bei ihm ein bisschen größer geworden.

Autor: Tonia Haag/ dapd | Foto: Tim Schulz/ dapd
Foto: Markus van den Boom in seiner Hunde-Rollwagen-Werkstatt in Bochum