Tübingen | Während in Berlin ein Volksbegehren zur Enteignung von Immobilienkonzernen initiiert wird, versucht sich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer an einem anderen Rezept, um Wohnungsnot zu lindern: Er will Privatleute mit baureifen Grundstücken zum Bauen zwingen. Das Mittel dafür sieht Palmer im sogenannten „Baugebot“, einem Paragraphen (176) im Baugesetzbuch, der die Pflicht zum Bauen regelt, wo es schon einen Bebauungsplan gibt. Als Sanktionsmöglichkeit sieht das Baugebot die Enteignung vor.

Palmer, der auch schon mit der Beschlagnahme von leerstehenden Wohnungen für die Vermietung an Flüchtlinge von sich reden gemacht hat, hat in Tübingen 350 Grundstücke ausfindig gemacht, auf die das Baugebot angewandt werden könne, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Mein Ziel ist es, von diesen 350 Grundstücken spätestens in zehn Jahren 95 Prozent bebaut zu haben.“ Um entsprechenden Druck aufzubauen, bekommen die Grundstücksbesitzer nach Ostern einen Brief von Palmer, mit der Bitte, verbindlich mitzuteilen, „ob Sie beabsichtigen, Ihr Grundstück innerhalb der nächsten vier Jahre zu bebauen und spätestens in zwei Jahren einen entsprechenden Bauantrag zu stellen.“ Alternativ könnten die Eigentümer in den nächsten zwei Jahren ihr Grundstück an Dritte zur Bebauung veräußern, oder auch an die Stadt, die den Verkehrswert zahle.

Zur Begründung zitiert Palmer in dem Brief, der der FAZ vorliegt, die Sozialbindung des Grundgesetzes und die „höchstrichterliche Rechtsprechung“, wonach der größte Teil des Grundstückswerts durch das Baurecht entstehe, also durch eine Vorleistung der Allgemeinheit.

Autor: dts