Bonn | Der wegen der Energiewende forcierte Ausbau von Hochspannungsleitungen wird von der Mehrheit der Bevölkerung nicht mitgetragen. Das geht aus einer heute in Bonn veröffentlichten Studie des Bundesamtes für Naturschutz hervor. Demnach gaben 54 Prozent der Befragten an, dass ihnen weitere Stromtrassen nicht gefallen beziehungsweise sie diese ablehnen würden. Die Energiewende werde generell aber nicht infrage gestellt, hieß es. 87 Prozent akzeptierten den Ausbau von Windparks auf dem Meer und 79 Prozent weitere Windenergieanlagen auf dem Land.

Leitungsausbau ist nötig

Der Bau neuer Hochspannungsleitungen, um Windenergie vom windstärkeren Norden in den Süden zu bringen, ist Anwohnern und Landwirten oft ein Dorn im Auge. Nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums führt an weiteren Hochspannungsleitungen kein Weg vorbei. „Wir werden einen Leitungsausbau ganz klar brauchen“, sagte die Parlamentarische Umwelt-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser (CDU) am Dienstag in Bonn. Allein mit Speichertechnologien sei die Energiewende nicht zu schaffen.

Vier große Übertragunsgnetzbetreiber hatten im Mai angekündigt, in den nächsten zehn Jahren 3.800 Kilometer neue Stromtrassen, vor allem in Nord-Süd-Richtung, bauen zu wollen. Auf weiteren gut 4.000 Kilometer sollen bestehende Netze ausgebaut werden. Die Kosten wurden auf 20 Milliarden Euro beziffert.

„Es ist zu erwarten, dass der Leitungsbau vor der eigenen Haustür nicht ohne Konflikte ablaufen wird“, sagte Heinen-Esser. Die Politik müsse frühzeitig mit betroffenen Bürgern vor Ort ins Gespräch kommen. Grundsätzlich treffe die Energiewende bei der deutschen Bevölkerung auf Zustimmung. Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, sagte: „Es wird unvermeidbar sein, dass die Energiewende sichtbare Veränderungen in der Natur mit sich bringt.“

Bürger pro Energiewende

Grundsätzlich steht die Bevölkerung laut Studie hinter den erneuerbaren Energien. Rund 77 Prozent der Bevölkerung würden es in Kauf nehmen, dass bei der Errichtung von Solaranlagen außerhalb von Siedlungen das Landschaftsbild beeinträchtigt wird. Bei der Zunahme von Rapsfeldern sind es 67 Prozent und bei Maisfeldern 63 Prozent. Dagegen akzeptieren den Angaben zufolge nur 35 Prozent einen verstärkten Holzeinschlag im Wald. Für die Studie „Naturbewusstsein 2011“ waren im Auftrag des Bundesumweltministeriums deutschlandweit rund 2.000 Personen befragt worden.

„Es herrscht in der Bevölkerung ein hohes Verantwortungsbewusstsein zum Schutz der Natur“, sagte Jessel. Fast jeder Bürger (95 Prozent) sieht den Naturschutz als eine Pflicht der Menschen an. Rund 56 Prozent können sich vorstellen, sich aktiv im Naturschutz zu engagieren oder machen dies bereits. Fast acht von zehn Bürgern halten den Einsatz der Wirtschaft für zu gering. Fast jeder Dritte gab an, dass sich der Zustand der Natur in den vergangenen 20 Jahren verschlechtert habe.

Autor: Fabian Wahl/ dapd | Foto: flashpics/ fotolia