Köln | Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) und die als rechtsextrem geltende Bürgerbewegung „Pro Köln“ haben heute in der Kölner Innenstadt Wahlkampfveranstaltungen abgehalten. Bei beiden gab es Proteste und Gegenkundgebungen.

Rund 400 Anhänger der AfD auf dem Roncalliplatz

Eine große Bühne hatte man aufgebaut, AfD-Chef Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel aufgeboten. Auch der Bielefelder Rechtsanwalt Pretzell, NRW-Spitzenkandidat auf der AfD-Liste zur Europawahl sprach vor Lucke. Der wollte noch kürzlich bei einer Veranstaltung der AfD Jugend in Köln vom britischen Rechtspopulisten Nigel Farage von der UKIP (United Kingdom Independence Party ) lernen, wie die Frankfurter Rundschau berichtet. Pretzell scheint was gelernt zu haben. Zu agitieren. Auffällig ist bei Pretzell und Lucke, dass beide kritisieren, kritisieren und diffamieren aber keine konkreten inhaltlichen Vorschläge machen, wie sie sie Politik gestalten würden, wenn sie regieren. Pretzell ätzt gegen Juncker, den Kandidaten der Konservativen, dass dieser immer lüge wenn es ernst werde. Und auch gegen Martin Schulz, Präsident des europäischen Parlamentes, und Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, dass dieser bei der AfD noch nicht einmal das Licht ausknipsen dürfe und man ihm nicht die Sparbüchse eines kleinen Mädchens anvertrauen würde.

Lucke kreist lange um das Selbstbestimmungsrecht

Lucke kreiste mehr als 30 Minuten um den Begriff des Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes. Er nennt die Schweiz und vor allem Schottland als Beispiel. Selbstbestimmungsrecht was bedeutet das, was versteht Lucke wirklich darunter? Will er zum Nationalstaat zurück, um es zugespitzt zu formulieren bis zum Rheinland? Es gibt Wissenschaftler, wie Götz Aly, der den Begriff des Selbstbestimmungsrechts für die Katastrophen des 20. Jahrhunderts verantwortlich machen. Ralf Dahrendorf schrieb: „Es gibt kein Recht der Armenier, unter Armeniern zu leben. Es gibt aber ein Recht für armenische Bürger ihres Gemeinwesens, Gleiche unter Gleichen zu sein, nicht benachteiligt zu werden, ja auch ihre eigene Sprache und Kultur zu pflegen. Das sind Bürgerrechte, Rechte der Einzelnen gegen jede Vormacht. Das sogenannte Selbstbestimmungsrecht hat unter anderem als Alibi für Homogenität gedient, und Homogenität heißt immer die Ausweisung oder Unterdrückung von Minderheiten.“ Im Völkerrecht ist das Selbstbestimmungsrecht verankert, aber es ist dort höchst umstritten. Die „Friendly Relations Declaration“ schützt Staaten die Regierungen besitzen, die die Bevölkerung ihres Staatsraumes ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertreten.

Populistisch dozieren

Zuwanderung, Griechenland sind weitere Themen, die Lucke anschneidet. Lucke doziert populistisch aus der Kanzel des Volkswirtschafts-Professors. Lucke findet nicht heraus, sondern recherchiert bei Eurostat und führt die Bundesregierung vor. Aber ist das wirklich so? Obwohl es mittlerweile die Runde gemacht, dass der vermeintliche AfD-Coup, dass die griechischen Zahlen zum Primärüberschuss nicht gestimmt hätten, widerlegt ist, spricht Lucke diesen auch in Köln wieder aus. Auch wenn die EU-Inspekteure und der Internationale Währungsfonds (IWF) die griechischen Angaben bestätigt hatten, Lucke weiß es besser. Es ist bekannt, dass die Zahlen der Statistiker sich von denen der griechischen Regierung unterscheiden, auch weil dies vertraglich so festgelegt und gängige Praxis des IWF ist. Lucke ignoriert dies und für Griechenlandbashing gibt es viel Applaus.

Nur acht „Pro Kölner“ bei Infoveranstaltung

Zwei junge Männer kommen an der AfD Veranstaltung vorbei, einer sagt „das ist die neue NPD“. Rund 100 Menschen aus dem linken Spektrum, auch der Antifa, demonstrieren, gegen die Veranstaltung der AfD. Die Gegendemonstranten wanderten allerdings gegen 15 Uhr weiter auf den Alter Markt. Dort saßen viele Menschen und Touristen im Freien und tranken ein Kölsch. Der Infostand, der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung „Pro Köln“ war umringt von Polizei. Acht Mitglieder der Bürgerbewegung waren gekommen. Etwa 50 Gegendemonstranten waren auch da. Sie riefen und fragten nach dem derzeit inhaftierten „Pro Köln“-Mitglied aJörg Uckermann oder fragten lautstark den Redner Wiener wann er wieder vor Gericht stehe. Denn vier Stadträten, darunter Wiener und Uckermann wird bandenmäßiger Betrug zum Nachteil der Stadt Köln vorgeworfen. Die Pro Köln-Politiker sollen zu Unrecht Sitzungsgelder kassiert haben. Sie müssen sich derzeit vor dem Landgericht Köln verantworten. Viele Menschen die auf dem Alter Markt unterwegs waren solidarisierten sich spontan mit den Gegendemonstranten, darunter die Aktivisten Kein Veedel für Rassismus. Den Infostand von „Pro Köln“ besuchte bis zur Auflösung der Veranstaltung niemand.

Autor: Andi Goral
Foto: Die Gegendemo zur AfD-Veranstaltung