Köln | Es gibt drei neue Dezernate in Köln. Eines davon ist ein Superdezernat und hört sich gleichzeitig wie ein Gemischtwarenladen an: „Stadtentwicklung, Digitales, Wirtschaft, Regionale Zusammenarbeit“. Wie paßt das zusammen und welche Qualifikationen muss jemand mitbringen ein solches Dezernat zu führen? Teil 2 in der Serie Akteure der Kölner Politik beschäftigt sich mit der Stellenbeschreibung des Superdezernats „Stadtentwicklung, Digitales, Wirtschaft, Regionale Zusammenarbeit“.

Der Blick in die Stellenausschreibung

Stadtentwicklung ist ein großes Wort und vor allem weit gefasst. Da ist die historische Dimension einer Stadt wie Köln. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung versteht unter Stadtentwicklungsplanung eine fachübergreifende Koordinierungsaufgabe im Sinne des Gemeinwohls und damit auch für die Identitätsbildung einer Stadtgesellschaft. In der Stellenausschreibung der Stadt Köln heißt es: „Die Stadtentwicklung Kölns wird in den kommenden Jahren an den Vorgaben der Stadtstrategie ‚Kölner Perspektiven 2030+‘ ausgerichtet. Dabei gilt es, über die 360-Grad-Perspektive alle Handlungsfelder der Kölner Stadtentwicklung zu adressieren und sich gleichzeitig über eine stadträumliche Perspektive mit der räumlichen Zukunft Kölns zu befassen. Hohe Priorität liegt auf dem Umbau der Stadt Köln zu einer SmartCity und dem Angebot von optimalen Entwicklungsbedingungen für Unternehmen, insbesondere für Gründungen und die Ansiedlung von jungen Unternehmen. Köln soll zu einem Standort für herausragende Wirtschafts- und Industrieprojekte, vorrangig für nachhaltige Branchen, und Start-up-Hauptstadt in NRW werden.“

Die Ausschreibung der Stadt Köln irritiert den, der die Ansätze der Neue Leipzig-Charta kennt, die Ende November 2020 bei einem vom Bundesinnenministerium organisierten Ministertreffen verabschiedet wurde. Dieses Treffen wurde fachlich begleitet vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Die Neue Leipzig-Charta ist das Leitdokument für eine zeitgemäße Stadtpolitik in Deutschland und Europa und sie formuliert einen neuen Kompass, der geprägt ist von gemeinwohlorientiert und dem Wort „gemeinsam“. Die Neue Leipzig-Charta formuliert drei Handlungsdimensionen für Stadtentwicklungspolitik: die gerechte Stadt, die grüne Stadt, die produktive Stadt und die Gestaltung der digitalen Transformation sowie Bodenpolitik, die als konkrete Aufgabenfelder benannt werden.

Fünf Schlüsselprinzipien guter urbaner Governance nennt die Neue Leipzig-Charta, die in der Kölner Stellenausschreibung nicht zu finden ist:
• die Gemeinwohlorientierung
• der integrierte Ansatz
• Beteiligung und Koproduktion
• die Mehrebenenkooperation
• der ortsbezogene Ansatz

Durch die Ausweitung auf regionale Zusammenarbeit findet sich wenigstens aus der Charta die räumliche Ebene der Stadtregion in der Begrifflichkeit der „Regionalen Zusammenarbeit“ im neuen Kölner Dezernat. Das Zusammenbinden der Bereiche Wirtschaft und Stadtentwicklung irritiert in mehrfacher Hinsicht, da sie, wie die Stellenausschreibung auch sehr stark auf den wirtschaftlichen Aspekt fokussiert und das Gemeinwohl nicht zentral im Blick hat. Zudem gründete die Stadt Köln die Wirtschaft aus dem städtischen Portfolio erst kürzlich in die privatwirtschaftlich organisierte KölnBusiness Wirtschaftsförderungs-GmbH aus. Warum braucht die Stadt jetzt wieder einen Wirtschaftsdezernenten, um eine Stabsstelle Wirtschaft zu leiten?

Digitalisierung

So definiert die Stadtverwaltung und der Kölner Rat den Geschäftsbereich Digitalisierung in der Stellenausschreibung: „Im Aufgabenschwerpunkt Digitalisierung ist eine klar erkennbare digitale Transformation in Stadtverwaltung und Wirtschaft zu erreichen. Ein ‚Masterplan Digitalisierung‘ für die städtische Digitaloffensive ist zu erstellen und flankierend die Verantwortung für Digitalisierungsprozesse an einer Stelle in der Stadtverwaltung zu bündeln. Maßnahmen in den Handlungsfeldern ‚Digitale Bildung‘, ‚Digitale Infrastruktur‘ und ‚Digitale Bürger*innenservices‘ sind zu intensivieren. Zudem gilt es, die Digitalisierungsstrategie mit den städtischen Gesellschaften abzustimmen.“ Auch hier fehlt ein sozialer oder gemeinwohlorientierter Ansatz. Eingegliedert werden hier das städtische Amt für Informationsverarbeitung und die Stabsstelle Digitalisierung. Das wird, so vermittelt es die Stellenausschreibung eine Querschnittsaufgabe nicht nur über die Stadtverwaltung, sondern sogar bezogen auf die städtischen Unternehmen. Das ist gigantisch und zeigt, dass die Stadt, Rat und ihre Verwaltung immer noch wenig von der Komplexität der Digitalisierung verstehen und ihren Auswirkungen auf Stadtgesellschaft, Bürger*innen und Einwohner*innen. Alleine die Fragestellung wie in einer ehemaligen Arbeiterstadt wie Köln Menschen in die Welt der Digitalisierung mitgenommen werden können und vor allem die Digitalisierung nicht nur konsumptiv nutzen, sondern auch verstehen können, stünde der Stadt gut an. Es zeigt aber auch, dass die Digitalisierung nur ein Teilbereich bleibt und nicht wirklich ernst genommen wird. Hätte Köln nicht gerade hier eine/n Fachfrau/mann gebraucht?

Der neue Dezernent Niklas Kienitz

Niklas Kienitz ist als Politiker in Köln und vor allem in Ehrenfeld bekannt. Dort leitete er in der Bezirksvertretung Ehrenfeld die CDU-Fraktion. Kienitz ist Jurist mit 1. Staatsexamen und Immobilienökonom. Kienitz ist kein Stadtplaner oder Architekt. Er ist auch kein Digitalisierungs-Experte mit entsprechender Vorbildung oder Querverbindungen, zumindest ist dies aus den Beschreibungen der Stadt Köln nicht zu erkennen. Die Stellenausschreibung verlangt: fundiertes Fach- und Methodenwissen und die Fähigkeiten zur Steuerung komplexer Planungen und Realisierung von Projekten und Großvorhaben. Kienitz leitete als Ratsmitglied den Stadtentwicklungsausschuss und ist Fraktionsgeschäftsführer der Kölner CDU. Mehr weiß die Öffentlichkeit nicht, denn die Vorstellung der Dezernenten erfolgt hinter verschlossenen Türen und auch bei ihrer Wahl im Rat stellten sie sich nicht vor, so auch Kienitz. So weiß die Kölner Öffentlichkeit nicht, welche Ziele Kienitz verfolgt, wohin er Stadtentwicklung, Digitalisierung, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit treiben will. Eigentlich schade für die Öffentlichkeit. Der Rat als politisches Gremium wird ihm zwar einen politischen Rahmen vorgeben, aber wie er diesen umsetzt bleibt in seiner Hand. Nun bleibt zu hoffen, dass die Kölner Politik Niklas Kienitz auf Herz und Nieren geprüft hat, denn er wird die Geschicke in diesem Bereich lange in Köln bestimmen. Bis 2029. Dann haben die Kölner*innen 2025 schon wieder einen neuen Rat gewählt und Kienitz wird die Stadtentwicklung, Digitalisierung, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit prägen.

Autor: Andi Goral