Berlin | Zwei Länder sorgen für einen alarmierenden Anstieg der weltweiten Hinrichtungszahlen: Im Iran (mindestens 369) und Irak (mindestens 169) sind 2013 fast Hundert Personen mehr hingerichtet worden als 2012. Zusammen mit China, Saudi-Arabien (mindestens 79), den USA (39) und Somalia (mindestens 34) stellen sich diese Staaten gegen den weltweiten Trend zur Abschaffung der Todesstrafe, wie aus dem aktuellen Bericht zur Todesstrafe von Amnesty International hervorgeht.

Beunruhigend ist aus Sicht der Menschenrechtsorganisation auch, dass Indonesien, Kuwait, Nigeria und Vietnam nach längerer Unterbrechung 2013 wieder Menschen hinrichteten. „Dass die Masse der Hinrichtungen auf das Konto einiger weniger Staaten geht, ist bestürzend und beschämend“, sagte Oliver Hendrich, Vorstandssprecher von Amnesty International in Deutschland und Experte zur Todesstrafe.

„Außerhalb Chinas finden fast 80 Prozent der Hinrichtungen in nur drei Ländern statt: Iran, Irak und Saudi-Arabien. Umso erfreulicher sind die kleinen Erfolge, die es in allen Regionen gab. In den meisten Teilen der Welt gehören Hinrichtungen der Vergangenheit an.“

Weltweit haben inzwischen 140 Staaten die Todesstrafe im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft. Zahlen zu China veröffentlicht Amnesty seit 2009 nicht mehr, da China Angaben zur Todesstrafe als Staatsgeheimnis behandelt. Die Organisation geht davon aus, dass dort weiterhin jährlich Tausende Menschen – und somit mehr als im Rest der Welt zusammen – hingerichtet werden.

China ausgenommen wurden 2013 insgesamt mindestens 778 Menschen (2012: 682) in 22 Ländern (2012: 21) hingerichtet und mindestens 1.925 Menschen (2012: 1.722) in 57 Ländern (2012: 58) zum Tode verurteilt. Aber auch für Iran schätzt die Organisation, dass es Hunderte offiziell nicht bestätigter Exekutionen gab. Verlässlichen Quellen zufolge könnten dort 2013 mehr als 700 Menschen hingerichtet worden sein.

„Iran hält wie so manches Land Zahlen über Todesurteile und Hinrichtungen geheim, außerdem entsprechen die Gerichtsverfahren oft nicht internationalen Standards“, so Hendrich. „In Irak erging die große Mehrheit der Todesurteile aufgrund vager Anti-Terror-Gesetze. Besonders schockierend ist auch, dass in Saudi-Arabien drei minderjährige Straftäter hingerichtet wurden.“ Amnesty sieht aber auch Fortschritte in allen Regionen der Welt: In den USA schaffte Maryland als 18. Bundesstaat die Todesstrafe ab. Aus ganz Europa und Zentralasien wurden erstmals seit 2009 keine Hinrichtungen gemeldet. Viele Länder, die noch 2012 Gefangene hingerichtet hatten, vollstreckten 2013 keine Todesurteile, darunter Gambia, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan. In Bahrain, Benin, Jamaika und Tschad ergingen keine Todesurteile. Benin, die Komoren, Ghana, Liberia und Sierra Leone brachten Gesetzes- beziehungsweise Verfassungsänderungen auf den Weg, die die Abschaffung der Todesstrafe ermöglichen sollen.

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— Leserbrief —

Hinweis der Redaktion: Der Leserbrief stellt die Meinung seines Verfassers dar (kursiv gesetzt)

Alexander Lord
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An den Verfasser des Artikels „Amnesty: 2013 deutlich mehr Hinrichtungen im Iran und Irak“:
Den aktuellen Bericht von Amnesty International im Hinblick auf die meisten Hinrichtungen auf der Welt habe ich nun etwas genauer unter die Lupe genommen, und dabei wird leider deutlich, dass zu viele Nachrichtenportale, die Artikel darüber veröffentlicht haben, entscheidende Punkte unerwähnt geblieben gelassen haben. Eines dieser Punkte ist unter Anderem, dass die absolute Mehrheit der Hingerichteten laut Amnesty International aus dem Drogenmilieu kommen. Bekanntlich herrscht in der Region dort ein großes Drogenproblem, und der Drogenschmuggel würde – wenn die abschreckende Todesstrafe in Iran abgeschafft werden würde – tatsächlich viel mehr Menschenleben gefährden, als er ohnehin bereits tut.
Demnach ist es auch absolut nicht verständlich, wie die Hinrichtungen von Drogenschmugglern, die durch den Schmuggel nur noch mehr Menschen gefährden, so stark hervorgehoben werden kann, während zum Beispiel die Tötung durch Drohnen im Jemen, in Pakistan oder in Somalia nicht einmal Erwähnung im neuen Bericht von Amnesty International finden, obwohl diese viel schlimmer sind, da sie ganz ohne Verhandlungen stattfinden und viele unschuldige Menschen betreffen, die niemals ihr eigenes Volk gefährdet haben.
Hinzu kommt, dass man – wenn das Ziel ist, dass möglichst viele Menschenrechte bewahrt bleiben – nicht die Anzahl der Hinrichtungen in Iran verurteilen und die Auswirkungen der Sanktionen in diesem Zusammenhang ignorieren kann. Die Sanktionen wirken sich bekanntlich negativ auf das iranische Volk aus. Sie fördern Armut und steigern somit das Potenzial, dass mehr und mehr Iraner zu Maßnahmen wie dem Drogenschmuggel greifen. Einige wundern sich bis heute noch, dass unter dem gemäßigteren Rouhani die Anzahl der Hinrichtungen im Vergleich zu Ahmadinejad gestiegen ist. Es wurde bei uns leider immer noch nicht verstanden, dass die Justiz in Iran unabhängig ist, und durch die Sanktionen der Sicherheitsapparat sensibilisiert wurde.
In Iran würden die Hinrichtungen rapide abnehmen, wenn der Westen endlich den Drogenanbau und -Schmuggel in Afghanistan beenden würde und in Iran hätten die Hinrichtungen bereits rapide abgenommen, wenn man nicht die Sanktionen verhängt hätte, die auch insofern eine Menschenrechtsverletzung darstellen, als dass der Zugang zu Medizin erschwert wurde und dadurch, dass der Geldhahn zugedreht wurde, der Tod vieler Iraner beschleunigt wurde. Ich würde Sie bitten, diese Punkte im Artikel zumindest erwähnt zu haben.
mfg
Alexander Lord

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Autor: dts | Foto: vkara/fotolia