Berlin | dts | aktualisiert | Die „Ampel“-Sondierer von SPD, Grünen und FDP haben sich in ihren Gesprächen auf ein zwölfseitiges Papier geeinigt und wollen in Koalitionsgespräche einsteigen. Eine entsprechende Empfehlung gaben die Spitzen der drei Parteien am Freitagmittag ab. Dabei wurden in den Sondierungen offenbar bereits einige Streitpunkte abgeräumt, die Finanzierung der Vorhaben lässt allerdings Fragen offen.

Einerseits soll sich die anbahnende Regierungskoaltion „im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse“ bewegen, andererseits sollen „keine neuen Substanzsteuern“ eingeführt und Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöht werden. Die SPD bekommt die von ihr im Wahlkampf versprochene Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, der Kohleausstieg soll auf das Jahr 2030 vorgezogen werden. Die Grünen verzichten auf ihre Forderung nach einem allgemeinen Tempolimit auf Autobahnen, das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen soll von 18 auf 16 Jahre abgesenkt werden.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sprach vom „größten industriellen Modernisierungsprojekt“, das das geplante Bündnis anstrebe. Verwaltungsabläufe sollten „schneller und digitaler“ werden, Erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden. Dafür sollen künftig Solaranlagen auf allen geeigneten Dächern erlaubt werden, es sind Superabschreibungen für Klimaschutzinvestitionen und 400.000 neue Wohnungen im Jahr geplant.

„Ampel“ will Hartz IV in „Bürgergeld“ umbenennen und Regeln lockern  

SPD, Grüne und FDP wollen das bisherige Arbeitslosengeld II umbenennen und einige Regeln lockern. „Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen“, heißt es im zwölfseitigen Sondierungspapier, auf das sich die Sondierungsteams am Freitag geeinigt hatten. Wörtlich heißt es darin: „Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein.“

Die sich anbahnende künftige Regierung will demnach „prüfen“, welche der während der Coronakrise eingeführten Lockerungen fortgesetzt werden könnten, beispielsweise „großzügige Regelungen zu Schonvermögen und zur Überprüfung der Wohnungsgröße“, wie es im Sondierungspapier heißt. „Mitwirkungspflichten“ sollen allerdings bleiben und „entbürokratisiert“ werden. Auch die Zuverdienstmöglichkeiten sollen verbessert werden, „mit dem Ziel, Anreize für Erwerbstätigkeit zu erhöhen“.

„Ampel“ will Punktesystem für Einwanderer

SPD, Grüne und FDP wollen ein Punktesystem für Einwanderer einführen – was es beispielsweise in Kanada oder Australien schon seit Jahren gibt. „Deutschland ist ein modernes Einwanderungsland“, heißt es in dem zwölfseitigen Sondierungspapier, auf das sich die Parteispitzen am Freitag geeinigt hatten. Deswegen solle „ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ geschaffen und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz „praktikabler“ gemacht werden.

„Wir wollen außerdem ein Punktesystem als zweite Säule zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften einführen“, heißt es im Sondierungspapier. „Diejenigen, die gut in Deutschland integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen, sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten können“, haben die Verhandler von SPD, Grünen und FDP aufgeschrieben. Die jeweiligen Parteigremien müssen der Aufnahme von echten Koalitionsverhandlungen noch zustimmen.

„Ampel“ einigt sich auf Kindergrundsicherung   

SPD, Grüne und FDP wollen eine Kindergrundsicherung. Es sollen „bisherige Leistungen in einem eigenen Kindergrundsicherungsmodell gebündelt und automatisiert ausgezahlt werden, so dass sie ohne bürokratische Hürden bei den Kindern ankommen“, heißt es in dem zwölfseitigen Sondierungspapier, auf das sich die Parteispitzen am Freitag geeinigt hatten. Gleichzeitig wolle man „Kitas und (Ganztags-)Schulen weiter fördern und Angebote der Bildung und Teilhabe stärken“.

Bund, Länder und Kommunen sollten „gemeinsam darauf hinwirken, dass jedes Kind die gleiche Chance auf Entwicklung und Verwirklichung hat“. Bundesfamilienminister Christine Lambrecht (SPD) begrüßte das. „Die Bekämpfung von Kinderarmut ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in unserem Land“, sagte sie am Freitag.

„Als Bundesfamilienministerin begrüße ich es daher sehr, dass die zukünftigen Koalitionspartner das Thema ernst nehmen und die Kindergrundsicherung in den Koalitionsvertrag aufnehmen wollen.“ Ihre Partei setze sich seit langem hierfür ein, sagte die SPD-Politikerin. „Wenn junge Menschen in Armut aufwachsen, fehlt es ihnen oft im ganzen Leben an Chancen und Perspektiven. Dafür zu sorgen, dass kein Kind zurückbleibt, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die kommende Bundesregierung“, so die Ministerin.