Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder auf einem undatierten Foto.

Berlin | dts | Politiker der Ampel-Parteien sowie der AfD haben die Forderung von CSU-Chef Markus Söder nach einem Gesetz zur Abschaltung der Kommunikationsplattform Telegram als „totalitär“ kritisiert.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle sagte der „Welt“ (Dienstagausgabe): „Es passt nicht zu einem freiheitlichen Rechtsstaat, digitale Plattformen einfach abzuschalten. Dieser Vorschlag passt in totalitäre Regime, aber nicht in unsere Verfassungsordnung.“ Ähnlich sieht es Tabea Rößner (Grüne), Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag: „Ich bin immer wieder entsetzt über derartige populistische Forderungen. Eine ganze App abzuschalten, ist eine Form der staatlichen Medienzensur, die wir in Deutschland nicht wollen.“ Plattformregulierung gehöre zu den Aufgaben der Länder, die für die Medienpolitik zuständig seien. „Dass uns Telegram heute Sorgen macht, ist auch Resultat der zurückhaltenden Medienpolitik der vergangenen Jahre, also auch von Herrn Söder.“

Die digitalpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Joana Cotar, sagte: „Die AfD lehnt diesen Vorschlag vehement ab. Länder, die bisher gegen Telegram vorgegangen sind, sind: China, Russland, der Iran, Weißrussland und Indonesien. Deutschland sollte sich hier unter keinen Umständen einreihen.“

Um mehr rechtliche Handhabe zu haben, wird in den Ampel-Parteien diskutiert, auf Telegram das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) anzuwenden. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, sagte der „Welt“: „Telegram ist kein reiner Messenger-Dienst, sondern unterliegt als soziales Netzwerk mit seinen teilweise weit mehr als 100.000 Personen umfassenden Gruppen der Regulierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.“ Ein Verbot einzelner Chatgruppen könnte ein Ausweichen auf andere Kanäle oder Netzwerke nach sich ziehen.

Laut einer Sprecherin des Justizministeriums wäre eine Abschaltung des Diensts nach diesem Gesetz aber nicht möglich: „Das NetzDG enthält keine Ermächtigung, um dem Betreiber eines sozialen Netzwerkes den Betrieb zu untersagen. Das Bundesamt für Justiz, das für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständig ist, ist dementsprechend nicht befugt, eine solche Anordnung zu erlassen.“