Das Symbolbild zeigt den leeren Deutschen Bundestag.

Berlin | dts | Die Ampelkoalition schlägt eine einschneidende Wahlrechtsreform vor, die die Größe des Bundestages erheblich beschränken würde. Geplant ist der Wegfall aller Überhangmandate. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf einen entsprechenden Vorschlag von SPD, Grünen und FDP.

Nicht jeder Kandidat, der in seinem Wahlkreis siegt, könnte demnach sicher sein, tatsächlich in den Bundestag einzuziehen. Mit den Überhangmandaten würden auch die Ausgleichsmandate entfallen. Es soll zwar beim personalisierten Verhältniswahlrecht mit Erst- und Zweitstimme bleiben, über die Größe des Bundestages soll jedoch nur noch die Zweitstimme entscheiden.

Damit soll der Bundestag auf die gesetzlich vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten begrenzt werden. Durch Überhang- und Ausgleichsmandate ist er bei der Wahl im vorigen September auf 736 Sitze gewachsen. Nachdem es bisher trotz vielfacher, jahrelanger Bemühungen keine grundsätzliche Reform zur Begrenzung der Größe des Bundestages gab, legen die drei Obleute in der Wahlrechtskommission von SPD (Sebastian Hartmann), Grünen (Till Steffen) und FDP (Konstantin Kuhle) nun einen Vorschlag vor, der Überhangmandate nicht mehr vorsieht.

Diese entstehen, wenn eine Partei in einem Land mehr Direktmandate gewinnt, als ihr durch das Listenergebnis zustehen. Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 werden die Überhangmandate seit der Bundestagswahl 2013 für die anderen Parteien ausgeglichen, was zu der enormen Vergrößerung des Parlaments geführt hat. Der Ampel-Vorschlag sieht vor, dass eine Partei in einem Land nur so viele Wahlkreismandate zugeteilt bekommt, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen.

Sind es mehr, so bekommt sie diejenigen nicht, in denen sie im Vergleich zu ihren anderen Wahlkreisen das schwächste Wahlergebnis hat. Diese Wahlkreise werden dann unter Einbeziehung sogenannter Ersatzstimmen einer anderen Partei zugeteilt. Jeder Wähler soll zusätzlich zur Erststimme eine Ersatzstimme bekommen.

Mit dieser kann der Kandidat gewählt werden, den ein Wähler am zweitliebsten als Wahlkreisvertreter sähe. Die Ersatzstimmen werden zu den Erstpräferenzen der anderen Wähler hinzugezählt. Die Ampel kann ihren Vorschlag im Bundestag mit einfacher Mehrheit durchsetzen.

Nachdem sich der Bundestag so stark ausgedehnt hat, schreiben Hartmann, Steffen und Kuhle: „Eine Wahlrechtsreform ist deswegen eine Frage der Selbstachtung des politischen Betriebs.“

Union verärgert über Ampel-Vorstoß zur Bundestags-Verkleinerung   

Die Union lehnt den Vorschlag der Ampel-Koalition für eine drastische Verkleinerung des Bundestags ab. Die Koalition plane eine „Entwertung des Wahlkreis-Gedankens“ und schüre „Politikverdrossenheit“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Mittwoch. Auch über das Vorgehen der Ampelfraktionen zeigte sich die Union empört: „Es ist ganz schlechter Stil der Ampel, den Beratungen der Wahlrechtskommission vorzugreifen. Wir würden gern ernsthaft über das Vorhaben informiert werden und nicht nur in der Presse darüber lesen.“ SPD, Grüne und FDP hatten zuvor angeregt, den Bundestag in der kommenden Legislaturperiode von derzeit 736 auf dann 598 Sitze zu verkleinern. Das soll durch den Wegfall aller Überhangmandate geschehen.

In der Folge würde es dann auch keine Ausgleichsmandate mehr geben. Nicht jeder siegreiche Wahlkreiskandidat käme in den Bundestag. Darunter hätten bei den vergangenen Bundestagswahlen weit überwiegend Kandidaten von CDU und CSU gelitten.

Harte Kritik äußerte deshalb auch der CSU-Politiker Michael Frieser, der bereits in der vergangenen Legislaturperiode intensiv an Vorschlägen zu einer Wahlrechtsreform mitgearbeitet hatte. Frieser sagte der FAZ, der Vorschlag sei nach erster Durchsicht „eigentlich ein doch bekanntes Modell der Nicht-Zuteilung von bereits errungenen Wahlkreisen“. Aus seiner Sicht mache die geplante Einführung einer „Ersatzstimme“ dieses Problem nur noch deutlicher.

Es sei „zweifelhaft“, ob eine Diskussion im Parlament durch die Ampel wirklich gewünscht sei, „da wiederum ein Vorschlag erst über die Öffentlichkeit kommuniziert wird, noch bevor man gemeinsam daran arbeiten konnte“. Eine fraktionsübergreifende Kommission soll sich von dieser Woche an mit den Plänen befassen. Frei sagte weiter: „Fest steht: Der Vorschlag der Ampel enthält keine neuen Gedanken, und gegen ihn wurden bereits in der Vergangenheit zahlreiche rechtliche Bedenken geltend gemacht. Dieses Modell würde die Rolle der direkt gewählten Abgeordneten beschädigen und die Distanz zwischen Wählern und Volksvertretern vergrößern. Damit wächst die Politikverdrossenheit.“