Köln | „THE DAILY SUN“ steht in Versalien auf einem Mauervorsprung in der Artothek in Köln. Und da fängt die Verwirrung schon an, die das Künstlerduo „Fort“ mit dem Betrachter beginnt. Und diese Verwirrung ist nicht nur eindimensional sondern mehrschichtig. „Fort“, wie weg, das sind Alberta Niemann und Jenny Kropp, die auf der Art Cologne den „News Positions“ Award gewannen. Jetzt haben sie extra für den tollen Raum der Artothek eine sinnliche und intellektuell anregende Ausstellung konzipiert und realisiert.

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Sommerfeeling – obwohl der Sommer schon vorbei ist

Wer die Artothek betritt, der sucht die Exponate, einige sind auf den ersten Blick zu erkennen, bei anderen fragt sich der Betrachter, gehören die dazu oder waren die schon immer hier. Verwirrt ist aber nicht nur der Kunstinteressent, sondern auch das Reinigungspersonal der Artothek. Das hat heute morgen erst einmal einen Teil der Ausstellung „sauber gemacht“, schließlich ist ja heute Abend Vernissage. Neben einem Besen, das sei ihre Signatur*, so die Künstlerinnen, lagen drei Einwickelpapiere von Stieleis. Es handelt sich um die Marke Langnese und deren Produkt Capri. Das gibt es seit 1959. Die Einwickelpapiere waren schon bei der Pressevorführung heute morgen entsorgt. Da ging es Alberta Niemann und Jenny Kropp also nicht anders als Joseph Beuys und so manch anderem Konzeptkünstler. Nicht weg sind die Reste des zerflossenen Capri-Eises von gestern und die Holzstiele liegen auf dem Boden. Es sind gelbe Spuren, die sicher auch der ein oder andere Besucher der Vernissage heute Abend erst einmal übersehen wird. Denn „Fort“ arbeitet subtil.

Fünf Eis am Stiel

Jenny Kropp sagt, man habe gestern fünf Eis am Stiel erstanden. Zwei hätten die Künstlerinnen gegessen, drei liegen auf dem Boden der Artothek. Es gibt zudem drei Sonnenschirme, handelsüblich, die die Künstlerinnen allerdings lackiert haben, es gibt die drei Wörter „THE DAILY SUN“ auf dem Vordach, bei dem man von oben sieht, dass es von Tauben verunreinigt worden ist, das Bauteil gehört übrigens nicht zur Räumlichkeit der Artothek. Es stehen drei Betonschirmständer, gegossen in Autoreifen in der Mitte des großen Raumes. An der Wand hängt eine Heizung, deren Rippen verbogen sind und in der ein gelber Spielball steckt. Auf der Empore, die Jenny Kropp Belvedere, also schöne Aussicht nennt, stehen zwei Koffer, der Besen, es fehlen die drei Eispapiere und in der Vitrine ist eine Tafel mit Reisezielen und Preisen, allerdings ohne Währung. Auf der Vitrine stehen wiederum drei Wörter „Last Minute REisen“, drei Buchstaben sind bereits verblasst das „R“ und das „en“ bei „Eisen“.

Die Sonne gequetscht zwischen die Rippen der Heizung

Die Künstlerinnen spielen mit der Vergänglichkeit, es geht aber auch um Dinge die man verloren hat. Automatisch summt im Kopf der Don Henley Song „The Boys of summer“ aus dem Jahr 1984 wenn man im Raum steht und das ganz ohne Sandstrand. Der gelbe Spielball in der Heizung, der Ball den man im Sommer am Strand braucht, die Heizung im Winter, um Wärme zu erzeugen. Die drei Schirme oder auch die Schirmständer sind aktuell nicht in Gebrauch, sie sind verwaist, stehen in der Ecke. Das Eis ist zerflossen. Capri-Eis, mit dem Namen der Insel, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts der Traum und die Sehnsucht so vieler Italienurlauber war. Das zerflossene auf dem Boden liegende Eis, Kindertränen inklusive oder das erste Eis mit der ersten Freundin/Freund, der erste Kuß, das man sich leisten konnte oder dan man ergatterte? Der Raum der Ausstellung ist clean und ganz exakt konzeptionell bespielt. Jedes Objekt für sich mit einer eigenen Story, visuell, intellektuell, aber auch emotional. Im Zusammenspiel arrangieren die Künstlerinnen ein großes Bild, passend in die Jahreszeit, aber mit viel Freiraum für den eigenen kleinen Kosmos, den man hineininterpretieren kann und das obwohl ihr Strand schon leer ist. Es ist genau dieses tiefe Spiel mit Erinnerungen, Träumen und Erlebtem, dass Alberta Niemann und Jenny Kropp in jedem von uns zu wecken vermögen, höchst individuell, aber auch in den gesellschaftlichen Rahmen eingepaßt. Und genau über den fangen wir an bei „THE DAILY SUN“ nachzudenken, gerade ohne dass die Kunst den Zeigefinger erhoben hat, sondern mit unseren Gefühlen spielt. Eine Ausstellung für die man sich einige Augenblicke Zeit nehmen sollte. Große Kunst im kleinen Raum der Artothek und ein Beweis, dass der Award „New Positions“ in diesem Jahr zu Recht an das Künstlerduo „Fort“ ging.

Die Idee zu der Ausstellung „THE DAILY SUN“ ist den Künstlerinnen übrigens an einem Regentag eingefallen.
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„Fort“ – „THE DAILY SUN“
Artothek – Raum für junge Kunst
Am Hof 50
50667 Köln
2.7.-22.8.2015

Autor: Andi Goral
Foto: Das Künstlerduo „Fort“ sind Alberta Niemann und Jenny Kropp vor einem der Objekte in der aktuellen Ausstellung „THE DAILY SUN“ in der Kölner Artothek