Uni Köln fürchtet Nachfrage 2013
"Der Andrang an die Hochschulen bundesweit ist enorm und kaum zu bewältigen", so Patrick Honecker der Uni Köln. Es wurden zwar 1500 zusätzliche Plätze geschaffen – Bei 6500 Bewerbern insgesamt scheint dies jedoch nicht ausreichend. Und der größte Andrang auf die Studienplätze der Uni Köln wird noch erwartet. "Wir erwarten die stärkste Nachfrage im Jahr 2013, wenn die verkürzten Abiturjahrgänge in NRW abschließen", so Patrick Honecker.

Obwohl die Plätze an den Hochschulen bundesweit aufgrund der erwartet hohen Nachfrage deutlich aufgestockt wurden – Tausende Studierende warten auf einen Studienplatz vergeblich. Aufgrund der hohen Nachfrage ist auch die Zulassungsbeschränkung durch den NC deutlich angestiegen, so dass viele leer ausgehen oder erst durch ein Nachrückverfahren einen Platz bekommen.

Das Interview

Welche Auswirkungen haben der doppelte Abiturjahrgang und die Abschaffung der Wehrpflicht an der Universität zu Köln? Wie sieht es derzeit in der Universität zu Köln aus bezogen auf die wenigen Studienplätze und der hohen Nachfrage?

Jonas Thiele: Ja, das ist ein Problem. Die hohe Nachfrage nach Studienplätzen ist auch schon ohne den doppelten Abiturabgang und ohne die Abschaffung der Wehrpflicht immer wieder Thema. Da es teilweise sehr wenige Studienplätze in den verschiedenen Masterstudiengängen gibt, hat sich in der jüngeren Vergangenheit dieser Mangel an Plätzen oft als Problem erwiesen. Jetzt ist es so: die doppelten Abiturabgänge sind noch nicht in NRW angekommen, sondern bisher nur in Bayern und Niedersachsen. Die Abschaffung der Wehrpflicht betrifft letztendlich die Uni Köln auch gar nicht so stark. Die Uni Köln musste  wegen dieser Abschaffung 390 Studierende zusätzlich aufnehmen. Trotzdem reichen die Plätze hinten und vorne nicht. Viele junge Leute werden aus diesem Grund abgelehnt. Auch diejenigen, die einen Studienplatz bekommen haben, haben größere Nachteile. Probleme sind, dass Vorlesungen größer werden und der Wohnraum immer kleiner. Meiner Meinung nach ist es ein sehr großes Problem, dass die Studienplätze nicht einheitlich vergeben werden. Das bedeutet, dass sich sehr viele Leute auf Studienplätze an mehreren Unis und Hochschulen bundesweit bewerben. Oft treten sie diese Plätze dann nicht an, weil sie irgendwo anders etwas Besseres für sich gefunden haben. Deshalb ist eine Übersicht derzeit nur schwer möglich. Wir gehen davon aus, dass in diesem Semester schon viele 100 Studierende zusätzlich eingeschrieben sind, die irgendwie bewältigt werden müssen. Es besteht immer noch ein Mangel an Lehrenden und vor allem große Defizite bei den Räumlichkeiten.

Wo gibt es aus deiner Sicht weitere Probleme?
Neu ist, dass wir jetzt mittlerweile 28 Studierende an der Uni Köln haben, die nicht volljährig sind. Diese Studierenden sind noch nicht geschäftsfähig, d.h. sie dürften sich theoretisch nicht einschreiben, was natürlich stellvertretend die Eltern für sie gemacht haben. Sie dürften sich allerdings auch nicht für Klausuren anmelden. Das hat die Uni geschickt durch eine Generalvollmacht der Eltern gelöst in der Hoffnung, dass dann alles geklärt ist und die Studierenden im Namen der Eltern also für sie selbst handeln können. Bei der Einführung durch G8 wurde gar nicht bedacht, dass vermehrt Minderjährige an die Unis und Fachhochschulen kommen.


Welche Probleme gehen einher mit der Umstellung der Studiengänge auf Master/ Bachelor?
Einen Punkt hatte ich ja schon genannt: es gibt nicht genug Masterplätze! Angedacht war, dass nur ein gewisser Teil der Studierenden, die einen Bachelor- Abschluss gemacht haben, auch einen Masterplatz bekommen. Das ist für uns ein riesiges Problem. An der Uni Köln konnten zum Beispiel in Betriebswirtschaftslehre nur ein Bruchteil der Studierenden einen Masterplatz finden. Das ist einmal ein grundsätzliches Problem. Ansonsten lässt sich beobachten, dass die Anforderungen an ein Studium sehr stark gestiegen sind. Nicht nur, dass man mittlerweile in Modulen studiert, sondern auch innerhalb dieser Module Abschlussprüfungen machen muss. Diese sind zusätzlich und gehen direkt in die Abschlussnote ein. Dadurch wird ein permanenter Druck erzeugt. Zusätzlich sollen noch Softskills erworben werden. Das ist alles an einen ganz engen Zeitrahmen geknüpft. Man hat nicht mehr so viel Zeit wie früher. Innerhalb von 6 Semestern (3 Jahren) soll man eigentlich fertig studiert haben. Der Master wird nur von wenigen Leuten zusätzlich gemacht. Der Arbeitsmarkt zeigt natürlich was anderes. Mit dem Bachelor-Abschluss ist man nicht unbedingt so hoch qualifiziert, wie es sich die Unternehmen dann tatsächlich wünschen – gerade in einigen Bereichen wie den Ingenieurswissenschaften. So ist auch die Forderung aufgetaucht, wieder zurück zum Diplomstudiengang zurückzukehren. Fazit ist, dass die Studierenden unter einem wesentlich gestiegenen psychischen und sozialen Druck arbeiten, aber nicht mehr eine so hoch qualifizierte Ausbildung erhalten werden wie vorher.


Wie werden Bachelor- Abschlüsse im europäischen Ausland anerkannt?
Da gibt’s im Prinzip zwei Ebenen. Einmal die formale Ebene und einmal die Ebene der Wertschätzung. Die Wertschätzungsebene ist, dass das Diplom und auch der Magister im Ausland sehr hoch anerkannt waren. Im Ausland war man mit diesem Studium sehr zufrieden, was man mit dem Bachelor nicht mehr unbedingt ist. So führt es da eher zu Problemen, wenn man im Ausland einen Arbeitsplatz sucht. Die andere Ebene ist die formelle: So gibt es die Lissabon-Konvention. Sie besagt, dass alle Studienleistungen, egal in welchem Land sie abgelegt wurden, anerkannt werden. Auch das funktioniert leider in der Praxis relativ selten. Selbst in solchen Austauschprogrammen wie im Erasmus ist es häufig nicht möglich, wirklich Leistung für den eigenen Studiengang zu erbringen, sodass auch diese formale Anerkennung leider sehr zwiespältig zu betrachten ist.

Werden die  6- semestrigen Bachelor-Abschlüsse in Deutschland im Ausland nicht anerkannt werden?
Jonas Thiele: Ja, ein zusätzliches Problem ist die unterschiedliche Dauer der Studiengänge. Bei dem Bologna-Prozess wurde nicht festgelegt bzw. es wurde offen gelassen, wie lange ein Studiengang tatsächlich sein muss. In Deutschland umfasst der Bachelor 6 Semester und der Master 4 Semester. International dauert der Bachelor häufig 8 Semester und der Master 2 Semester. Das bedeutet, wenn man mit dem deutschen Bachelor-Abschluss den Master im Ausland machen möchte, muss man erstmal zusätzlich noch 2 Semester studieren. Durch die unterschiedlichen Regelungen ist international ein riesiges Durcheinander entstanden. Obwohl Bologna genau das verhindern sollte. Wo eigentlich eine Angleichung stattfinden sollte, wurden die Unterschiede verstärkt. Mit einem Diplom-Abschluss war es früher kein Problem, ein zusätzliches Master-Studium im Ausland draufzusetzen oder im Ausland eine Tätigkeit anzutreten.

Die Abschaffung der Studiengebühren in NRW ist erreicht. Welche Erwartungen haben die Studierenden?
Jonas Thiele: Der Großteil der Studierenden war natürlich erstmal sehr froh, dass die Studiengebühren endlich abgeschafft wurden. Vor allem betrifft es auch Leute, die jetzt wieder die Möglichkeit sehen zu studieren, die gerade aus Nicht-Akademiker-Haushalten stammen. In der Vergangenheit wurden in der Diskussion um die Abschaffung der Studiengebühren häufig Ängste geschürt: Nach dem Motto „da fallen zusätzliche Prüfungstermine weg, die Bibliothek darf/kann nicht mehr so oft geöffnet bleiben, usw.“. Das hat uns natürlich nicht gehindert, trotzdem für die Abschaffung der Studiengebühren zu kämpfen. Und gleichzeitig dafür zu kämpfen, dass die Studiengebühren durch das Land kompensiert werden. Was jetzt weitgehend der Fall ist. Angeblich sollten die Studiengebühren zusätzliche Gelder sein, was aber in der Realität nicht den Studierenden zu Gute kam. Wir haben natürlich die Befürchtungen, dass Sachen wegfallen. Trotzdem überwiegt die Freude, einfach darüber, dass die Studiengebühren weg sind und die Kompensationszahlungen da sind. Mit diesen Kompensationszahlungen werden dieselben Dinge finanziert werden können, die vorher durch Studiengebühren bezahlt wurden. Die Studierenden sind an dieser Verteilung beteiligt; somit können wir sicher stellen, dass mit diesem Geld auch sinnvolle Sachen finanziert werden.

Wie sieht denn derzeit die Wohnungsmarktsituation für Studierende in Köln aus?
Der Wohnungsmarkt in Köln ist sehr überladen und sehr teuer, so dass es schwierig ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Dies ist durch die vielen zusätzlichen Studierenden noch schwieriger geworden. Mich haben jetzt in der ersten Uni-Woche sehr viele Leute angesprochen, die noch keine Wohnung oder Zimmer in Köln gefunden haben. In diesen Fällen kann der ASTA leider nur an das Studentenwerk verweisen, die sich darum kümmern. Allerdings sind die Studentenwohnheime in Köln ausgebucht. Das Problem ist, dass die Studentenwohnheime nur begrenzten Wohnraum anbieten können. Was mehrere Gründe hat, zum einen die Finanzierung der Studentenwerke oder die Ausfinanzierung für Neubauten durch das Land NRW. Dadurch entsteht ein angespannter Wohnungsmarkt in Köln (hohe Preise). Mittlerweile werden nur noch wenige Baugrundstücke (einfach so) an das Studentenwerk gegeben, was früher noch der Fall war, so dass Wohnheime gebaut werden konnten.
Das Studentenwerk hat einige Projekte, wo Neubauten entstehen sollen, bis die doppelten Abiturjahrgänge in NRW angekommen sind. Hierbei handelt es sich jedoch nur um wenige hundert Plätze. Locker aus der Hüfte raus behaupte ich, dass zusätzlich ca. 5.000 Wohnungsplätze gebraucht werden, damit es genügend bezahlbaren Wohnraum gibt. Es bleibt sehr schwierig für Studierende, dass sie etwas Geeignetes finden.

Seid ihr hierzu in Gesprächen mit der Stadt Köln?
Das Studentenwerk ist permanent in Gesprächen mit der Stadt Köln, teilweise wurden wir mit zu den Gesprächen eingeladen. Ansonsten sind wir natürlich mit den Ratsmitgliedern im Gespräch. Hier weisen wir darauf hin, dass es zu wenig sozialen Wohnungsraum in Köln gibt. Zudem ist die Stadtkasse auch sehr „klamm“ und an allen Enden fehlt das Geld. Es wird sich zeigen, ob sich da etwas tut.

Welche Forderung möchtest du als AStA Vorsitzender beim Bildungsstreik besonders betonen?

Ich freue mich bereits auf die große Demonstration am 17.11.2011 in Köln. Die regelmäßige Arbeit im Bildungsstreik-Bündnis gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, Auszubildenden und Studierenden läuft seit Monaten sehr gut. Mir ist es wichtig, in dem Bündnis keine Einzelforderungen der Studierenden hoch zu halten. Natürlich ist unsere Forderungen: die Ausfinanzierung des Bildungssystems. Das fängt natürlich nicht erst in den Hochschulen an, sondern schon in den KITAS bzw. noch früher. Als Weiteres fordern wir mehr Studienplätze an den Unis sowie eine Masterplatz-Garantie für alle Bachelor-Absolventen/innen. Ich persönlich, als Lehramtsstudierender, wünsche mir, dass das Projekt „Eine Schule für Alle“ weiter kommt. Es gibt sehr viele offene Themen in der Bildungspolitik, die leider viel zu wenig bearbeitet werden und das gesamte Bildungssystem betreffen. So auch das Thema der fehlenden Ausbildungsplätze.


Informationen über Jonas Thiele
Jonas Thiele ist am 22. Mai 1984 in Recklinghausen geboren und dort aufgewachsen. Seit 2007 studiert er an der Uni Köln und wohnt auch seitdem in der Stadt. Außerdem ist er Mitglied in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und seit dem 1. Februar 2010 erster
AStA Vorsitzender an der Universität zu Köln.  Das Interview mit Jonas Thiele, 1. AStA Vorsitzender der Universität zu Köln führte Stephan
Otten, DGB-Jugendbildungssekretär.

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