Köln | Der Verkehrsausschuss des Kölner Rates beschäftigte sich heute mit den Fahrplanausfällen bei den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) in einer aktuellen Stunde. Die Debatte war aufgeregt. Einzelnen Kölner Kommunalpolitiker:innen reichten die Stellungnahmen der anwesenden KVB-Vorstände nicht.
Die Fahrplanausfälle bei der KVB
Die erste Runde der Politik
Lukas Lorenz, SPD, sprach von Betroffenheit und Fassungslosigkeit zu den Fahrplanaussetzungen der KVB. Lorenz scholt den Kölner Verkehrsdezernenten Ascan Egerer für seine öffentlichen Aussagen vor allem zum Thema Automatisierung bei der KVB. Lorenz kritisierte, dass Egerer seine Aufgaben nicht erfülle, aber mit dem Finger auf andere zeige. Er forderte von Egerer ein Bekenntnis zur Verkehrswende. In einem schriftlichen Statement erklärte Lorenz konkret: „Schluss mit den Ablenkungsmanövern! Das Verhalten des Verkehrsdezernenten macht mich fassungslos. Herr Egerer kritisiert Dinge, die er in der Vergangenheit selbst verschlafen hat. Wo sind heute die Gelder für die Entwicklung des autonomen Fahrens? Wo sind die Mittel für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der KVB? Warum sind Haltestellen, Schienen und Tunnel, die sich alle im Besitz der Stadt Köln befinden, nicht in einem gepflegten Zustand? Um all diese Dinge hätten sich Herr Egerer und insbesondere die Grünen im Ratsbündnis in den letzten Jahren kümmern müssen. Statt in die Verkehrswende zu investieren, wurde hier die KVB fahrlässig kaputtgespart. Die SPD wird sich weiter für einen modernen Öffentlichen Nahverkehr einsetzen, damit die Kölnerinnen Kölner in Zukunft wieder zuverlässig von A nach B fahren können.“
Lars Wahlen, Grüne, warf Lorenz vor mit Nebelkerzen zu werfen. Egerer würde die richtigen Punkte ansprechen. Die Fahrplanreduzierung führe zu Frust und Ärger bei den Kölner:innen und der sei nachvollziehbar. Wahlen machte deutlich, dass es dennoch richtig sei, einen Fahrplan zu fahren, wo die Bahnen auch kommen. Damit stimmte der Grünenpolitiker der Strategie der KVB der Fahrplanreduzierung zu. Wahlen erwartete allerdings von den KVB-Vorständen eine Antwort auf die Frage, wie die Krankenquote bei der KVB gesenkt und die Fluktuation bei den Mitarbeitenden reduziert werden könne.
Teresa De Bellis-Ollinger, CDU und Aufsichtsratsmitglied bei der KVB. Sie sei enttäuscht, dass es die dritte Fahrplanreduzierung gebe. Die Verkehrspolitische Sprecherin der CDU Köln ließ die Fahrplanreduzierungen seit August 2022, die in drei Runden erfolgte, Revue passieren. Sie legte durchaus den Finger in die Wunde beim Thema Fahrschulen und den unterschiedlichen Begründungen für die drei Mal, an denen die Fahrpläne bei der KVB reduziert wurden. Sie kritisierte, dass jede zweite Bahn in der vergangenen Woche und damit 25 Prozent ausgefallen sei. Die CDU Frau rechnete vor, dass aber bei einer Krankenquote von 13 bis 17 Prozent nur 3 bis 4 Prozent der Bahnen hätte ausfallen dürfen. De Bellis-Ollinger fragte warum andere Städte in NRW das besser hinbekämen.
Angela Bankert, auf Vorschlag der Linke im Verkehrsausschuss, sprach von einer katastrophalen Minderleistung bei gleichzeitiger Fahrpreiserhöhung der KVB. Sie forderte die KVB dazu auf, keine Ausflüchte zu suchen, sondern zu erklären wo die Probleme bei der KVB liegen. Ein Krankenstand von 17 Prozent sei der Hammer. Sie fragte nach den Zuständen bei der KVB und ob der Aufsichtsrat und der Vorstand der KVB überfordert sei. Bankert machte deutlich wie viele Baustellen bei der KVB offen seien von der Fertigstellung der Nord-Süd-Stadtbahn, kaputte Rolltreppen und fragte wie die KVB in diesem Zustand noch den Ost-West-Tunnel stemmen möchte.
Dr. Christian Beese, FDP, stellte fest, dass es nicht akzeptabel sei, dass es seit zwei Jahren keinen Fortschritt gebe. Die Lage habe sich in zwei Jahren nicht geändert. Er stellte in Frage, ob die Qualifikationsanforderungen für Stadtbahnfahrer:innen zu hoch gesetzt seien, wenn in den Stellenanzeigen stehe, dass Bewerber:innen eine abgeschlossene Berufsausbildung brauchen und drei Jahre Berufserfahrung. Beese fragte den Personalvorstand wie er seine eigene Verantwortlichkeit sehe?
Max Pargmann, Volt, kritisierte, dass die Jobanzeigen auf der Website der KVB nicht die nötige Sichtbarkeit erführen.
Das antwortet der KVB-Vorstand
Jörn Schwarze, KVB, machte deutlich, dass die KVB nicht zufrieden sei mit der aktuellen Leistung des Unternehmens. Das Fahrplanangebot solle stabil gehalten zu werden. Schwarze wollte nicht konkret die von der Politik gestellten Fragen beantworten, sondern erklärte, dass die KVB ihre eigene Darstellungsagenda vorstellen werde. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Lino Hammer, Grüne, widersprach Schwarze nicht.
Peter Densborn, Personalvorstand der KVB, sprach davon, dass das Unternehmen sehr transparent berichte und die Ausbildung bei Bus und Bahn verstärke. Densborn sprach von einer Vorbereitungsphase, bevor mit der Ausbildung von Busfahrer:innen und Stadtbahnfahrer:innen begonnen werden könne. Bei den Busfahrer:innen sei diese kürzer und einfacher, da eine Busfahrschule extern eingekauft werden könne. Bei den Busfahrer:innen seien alle 128 Ausbildungsplätze für 2024 besetzt. Im Jahr 2025 soll gemeinsam mit der Agentur für Arbeit im Rahmen des „Jobturbo“ Bewerber:innen für den Busbereich gefunden werden. Diese Bewerber müssten ein Jahr ausgebildet werden und stünden erst 2026 zur Verfügung.
Bei der Stadtbahnfahrschule sei dies schwieriger, diese aufzubauen. Denn die müsse die KVB selbst aufbauen und könne diese nicht einkaufen. Die KVB rechne damit, dass sie im kommenden Jahr 180 Auszubildende in der Stadtbahnfahrschule qualifizieren könne. Allerdings habe sich die Ausbildungszeit verlängert. So seien heute statt 5 bis 6 Monate bis zu 8 bis 10 Monate und bei einer Gruppe über ein Jahr nötig. Zwar hätten im Stadtbahnbereich alle Ausbildungsplätze zunächst besetzt werden können, aber schon am ersten Tag kommen Auszubildende nicht. Das Problem: Ghosting. Die KVB, so Densborn, verliere bei jedem Lehrgang junge und ältere Menschen. Ein Problem sei auch, dass einige der Auszubildende erst einmal das Lernen lernen müssten. Ein weiteres Problem sei, dass es Räume für die Ausbildung in der Nähe des Betriebshofes brauche. In Merheim sei jetzt ein Raum angemietet worden, der nun umgebaut werde. Zudem fehlten Fahrlehrer:innen für die Stadtbahn. 10 aktive Stadtbahnfahrer:innen werden jetzt zu Fahrlehrern weitergebildet.
Die Stimmung der Belegschaft
Die Stimmung in der Belegschaft sei sehr angespannt, so Densborn. Es gebe Maßnahmen die Stimmung zu verbessern: Eine erste Entscheidung sei die Nachtruhezeit von 11 auf 12 Stunden zu erhöhen. Der Dienstplan soll in der Struktur so verändert werden, um mehr Erholungswert für die Belegschaft zu schaffen.
Die Führung sei neu aufgestellt und werde jetzt wieder dezentral aufgestellt. 2020 sei die Führungsstruktur im Rahmen der Restrukturierung umgestellt und zentralisiert worden, auch um Kosten einzusparen.
Ein Thema sei, dass die Stadtbahnfahrer:innen sich wünschen keine weiten Wege zu ihrem Pkw zurücklegen zu müssen, wenn sie an einer Haltestelle ihren Dienst begonnen haben, aber an einer ganz anderen Haltestelle ihren Dienst beenden müssen. Wenn die Stadtbahnfahrer:innen dort ankommen sollen, wo sie starten, benötige die KVB 150 mehr Mitarbeitende. Dies sei nicht finanzierbar, so Densborn.
Für die schlechte Stimmung in der KVB-Belegschaft seien auch die Fahrzeugausfälle verantwortlich und sorgen für Frust in der Belegschaft. Auch gesellschaftliche Probleme seien ein Problem, denn die Mitarbeitenden seien jeden Tag Beschimpfungen ausgesetzt.
Densborn sagte, dass es ein Märchen sei, dass die KVB in der Krankheitsquote so hochstehe. Im bundesdeutschen Vergleich sei die KVB bei der Krankenquote im Mittelfeld. Zur Forderung, als Vorstand persönliche Konsequenzen zu ziehen verneinte Densborn und erklärte, dass er sich seit 40 Jahren für die KVB engagiere und sich weiter für das Unternehmen einbringen werde.
Peter Ullmer, der bei der KVB für den Betrieb Stadtbahn und Bus zuständig ist, verweist auf die Erfolge der KVB bei der EM. In den vergangenen Tagen lag die Krankenquote bei 16,5 Prozent, im Durchschnitt seien es 12,5 (Bus) und 13,5 Prozent (Stadtbahn). Im Durchschnitt sei es nicht so schlecht. Ulmer machte deutlich, dass es wichtig sei den Personalaufbau so schnell wie möglich, so gut wie möglich und so qualitätvoll wie möglich zu gestalten im Sinne der Sicherheit.
Jörn Schwarze, KVB, sprach bei der Beschaffung von Fahrzeugen von massiven Industrieproblemen und griff sogar zum Instrument der Generationenschelte. In der Industrie arbeite derzeit eine Generation, die Industrie nicht könne und verstehe. Damit weist er – auch mit der Aussage Aufgabenträger Stadt Köln und KVB hätten rechtzeitig neue Bahnen bestellt – den Schwarzen Peter dem Industrielieferanten zu. Auch bei den Ersatzteilen für die alten Bahnen brächen Lieferketten weg, daher betreibe die KVB bei Ersatzteilen wieder Vorratshaltung. Dem Thema automatisiertes Fahren bei den Stadtbahnen auf kurze Sicht widersprach Schwarze eindeutig. Es brauche Level 5, um die „Fahrer:innen vom Bock zu bekommen“ und das sehe er erst nach 2030. Zudem werde dafür eine Investition von über 30 Millionen Euro nötig, die er jetzt nicht tätigen wolle. Automatisiertes Fahren sei ein „Thema für die Zukunft“, so Schwarze.
Ascan Egerer, Mobilitätsdezernent, wies die Verantwortung von sich und sprach von einem Thema aus der Vergangenheit. Daher sei es schwierig wieder aus dem Problem herauszukommen. Die Stadt und die KVB agierten im engen Schulterschluss, aber das operative Geschäft finde auf Seiten der KVB statt. Er wolle sich bundesweit für finanziellen Rahmenbedingungen des ÖPNV stark machen.
Die Politik in der zweitern Runde
Nach den Ausführungen hatte die Politik die Möglichkeit weitere Statements abzugeben oder Fragen zu stellen. Allerdings versuchte der Ausschussvorsitzende Lino Hammer immer wieder die Debatte einzudämmen.
Teresa De Bellis Olinger las das Zitat eines Bürgers vor, der die Debatte im Livestream verfolgt habe und machte deutlich, dass es nicht mehr Zeit sei die Kölner:innen zu vertrösten. Es sei Zeit für einen Plan B.
Walter Wortmann, die Fraktion wurde deutlich: „Der Fisch stinkt vom Kopf“. „Stefanie Haaks ist nicht da“. Den anwesenden KVB-Vorständen warf Wortmann vor, dass sie ihren Job nicht gemacht haben. Dies gelte auch für den Aufsichtsrat der KVB. Wortmann war der Ansicht, dass die KVB neue Vorstände benötige.
Lino Hammer, Ausschussvorsitzender von den Grünen und selbst in dieser Wahlperiode lange Jahre Vorsitzender des KVB Aufsichtsrates erklärte, dass die Vorsitzende des Vorstand der KVB, Stephanie Haaks im Urlaub sei und daher nicht an der Sitzung im Verkehrsausschuss teilnehme. Zudem forderte er von den Kommunalpolitikern von Anfeindungen Abstand zu nehmen.
KVB-Vorstand Jörn Schwarze wehrte sich gegen die Anschuldigungen und machte deutlich, dass der Vorstand und das Unternehmen seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden nachkomme. Er erklärte aber, dass der Vorstand davon ausgehe, dass erst 2026 mit Verbesserungen zu rechnen sei, wenn es gelinge Krankenquoten und Fluktuation in den Griff zu bekommen. Zur Leistungsprämie des Vorstandes von 65.100 Euro pro Jahr äußerte sich Schwarz trotz mehrfacher Nachfrage nicht. Schwarze: „Boni gehören nicht hierher“. Peter Densborn, Personalvorstand und Arbeitsdirektor, fügte an, dass sich die Fluktuationsquote bei den über 4000 Mitarbeitenden bereits verbessert habe: Vergangenes Jahr hatten 64 Mitarbeitende die KVB verlassen und dieses Jahr seien es 41.
Das Thema wird jetzt die Stadtverwaltung weiter bearbeiten.