Linke Gruppen und Antifa protestierten gegen die geplante Demonstration der Rechten.

Weniger „Autonome Nationalisten“ als ein Junggesellenabschied
Der gesamte Bahnhofsvorplatz und auch am Dom hat die Polizei ein massives Aufgebot an Beamten zusammengezogen. Viele Besucher und Passanten fragen was los ist. Manch einer zeigt sich am Rande rassistisch, schimpft über zu viele Ausländer in Deutschland, obwohl fast ausschließlich Deutsche unterwegs sind. Allerdings zeichnet Köln ein buntes Bild, junge Frauen aus der Gothic Szene mischen sich mit älteren Reisenden, oder Touristen aus Spanien und Italien. Im Foyer des Bahnhofes dann die Gruppe von rund 10 Menschen, unauffällig, keine Transparente, Fahnen oder dergleichen. Einige der Männer haben den Kopf zu einer Glatze geschoren, einer trägt eine schwarze Kappe und dunkle Sonnenbrille. Die Gruppe – kleiner als viele der Junggesellen- / innenabschiede die heute durch Köln tröten – wird von Polizeibeamten bewacht. Immer wieder lassen sich ahnungslose Junggesellinnen mit den Rechten oder von den Rechten fotografieren. Zu einer Demonstration formiert man sich nicht, Parolen werden nicht gerufen, man verhält sich eher mucksmäuschenstill. Um 15:15 Uhr setzt sich die Gruppe in Richtung Bahnsteig zur Abreise in Bewegung, man zieht unverrichteter Dinge wieder ab.

Die Polizei begleitete die Rechten auf den Bahnsteig. Dort wurden sie von Protestlern der Linken Szene, die massiv in der Überzahl waren, eingekreist. Es kommt zu verbalen Attacken oder Sprechchören wie „No Paseran“, einmal reckt ein Rechter die Faust nach oben. Kurz vor 16 Uhr ist der Spuk vorbei, die Rechten bestiegen eine Regionalbahn in Richtung Krefeld, die Polizei begleitete die Minigruppe. Ohne weitere Zwischenfälle verlassen die Rechten Köln. Köln ist, wie man auch schon an den Aufmärschen von der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung Pro Köln, oder anderen Gruppierungen wie einer Gruppe um Axel Reitz initiierten Aufmärschen  gesehen hat, kein gutes Pflaster für rechtes Gedankengut.
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Infobox „Autonome Nationalisten“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Mai 2009 eine Informationsschrift mit dem Titel „Autonome Nationalisten“– Rechtsextremistische Militanz“ herausgegeben. Das Amt unterzieht dabei die Gruppierung einer sehr analytischen Wertung und auch deren Bedeutung innerhalb rechtsextremer Kreise in Deutschland. Report-K.de zitiert aus dem Papier, dass man auch hier beim Bundesamt für Verfassungsschutz herunterladen kann [zum Download].

Der Verfassungsschutz beschreibt die „Autonome Nationalisten“ so: „Seit einigen Jahren treten vermehrt Personen bei rechtsextremistischen Demonstrationen auf, die in ihrem Erscheinungsbild dem traditionellen Habitus der Neonazi-Szene nicht entsprechen: mit einer Kleidung, die ursprünglich den eher „linken“ oder von Migranten geprägten Bereichen entstammt, Transparenten und Sprüchen, die Anglizismen verwenden, vor allem aber mit Forderungen nach einer offensiveren, gewaltbereiten Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und der Polizei. Diese Rechtsextremisten sind mit ihrer schwarzen Kleidung,Turnschuhen, Sonnenbrillen, Baseball-Kappen und Kapuzenpullovern auf den ersten Blick von „linken“ Gegendemonstranten kaum zu unterscheiden. Sie bezeichnen sich oftmals als „Autonome Nationalisten“. IhrAnteil an der Neonazi-Szene ist angestiegen. Aktuell sind den „Autonomen Nationalisten“ 400-500 Personen zuzurechnen (ca. 10% der 4.800 Neonazis). Gerade das Auftreten aber sorgt immer wieder für Zwist mit den Altvorderen etwa der NPD. Allerdings sieht der Verfassungsschutz die Rolle der „Autonome Nationalisten“ zumindest 2009 als gestärkt an, weil eine der größten rechten Demonstrationen mit rund 1.200 Teilnehmern in Dortmund 2008 aus deren Reihen organisiert wurde.  

Die „Autonome Nationalisten“ wollen dem rechtsextremen Spektrum gerade unter jungen Menschen neue Zielgruppen erschließen, in dem sie ein offeneres Angebot formulieren, als etwa die Skinhead Szene. Die „Autonome Nationalisten“ haben ihre Schwerpunkte daher auch im ehemaligen Westdeutschland, vor allem in Berlin. So schreiben Sie nicht vor welche Musik man cool finden muss, thematisieren die soziale Frage, lehnen das aktuelle politische System ab und fordern von Sympathisanten und Mitgliedern lediglich rechte politische Gefolgschaft.

Der Verfassungsschutz kommt zu folgender Wertung und Prognose: „„Autonome Nationalisten“ stellen weniger eine ideologische als vielmehr eine strategisch-aktionistische Neuerung im Rechtsextremismus dar. Diejenigen Neonazis, die an einer eigenständigen Politik festhalten, sind in der Mehrzahl eher traditionell ausgerichtet, lehnen aber den provokativ-militanten Stil „Autonomer Nationalisten“ nicht mehr in der Schärfe früherer Jahre ab.“ Die Aktionen der „Autonome Nationalisten“ haben einen stärker politischen Charakter, wie etwa der Überfall auf die DGB Kundgebung am 1. Mai 2009 in Dortmund, als bei den Skinheads, die sich vor allem gegen „Fremde“ richten.

Der Verfasssungsschutz weiter: „Revolutionäres Pathos, antibürgerlicher und provokativer Habitus zielen vornehmlich auf Jugendliche und Heranwachsende. Die Protagonisten übernehmen Insignien der „linken“ Protestkultur, einschließlich ihrer militanten Aktionsformen und versuchen sich als Avantgarde einer neuen Jugendrevolte zu inszenieren – bislang jedoch weitgehend erfolglos. Der Versuch eine neue Klientel für rechtsextremistische Inhalte zu gewinnen, muss gleichwohl ernst genommen werden. „Autonomen Nationalisten“ setzen dabei weniger auf Inhalte, sondern eher auf „erlebnisorientierte“ Aktionen, wenngleich mit einem „sozialrevolutionären Nationalismus“ auch neue Politikfelder in den Vordergrund rücken, die auf ein gesellschaftliches Potenzial zielen, das auch von linksextremistischer Seite agitiert wird.“

[ag]