Köln | Das Gestaltungsbündnis aus Grünen, CDU und Volt will keinen Bebauungsplan für das Belgische Viertel. Die Debatte im Rat.
Für die einen im Rat ist das Belgische Viertel vor allem Vergnügungsviertel mit stadtweiter, ja sogar weltweiter Anziehungskraft. Hans Schwanitz von den Grünen verleitet es sogar zur Aussage, dass hier Köln Metropole ist. In den Ohren mancher Anwohner mag das wie ein herangrollendes Gewitter klingen. Für anderen ein vielfältiger Ort, den sie so bewahren wollen mit Anwohnern, deren Recht es ist dort wohnen zu können.
Fakt ist: Es wird keinen Bebauungsplan für das Belgische Viertel geben. Im übrigen war der Entwurf ein besonderer, denn er war sogar Blockscharf. Die Veränderungssperre ist damit ebenso Makulatur. Damit gilt im Belgischen Viertel: Es lebe der Markt. Die unangenehmen Auswirkungen regelt das Ordnungsamt, so die Ratspolitiker von Grünen, CDU und Volt. Dazu gehören Betrunkene, Wildpinkler, laute Partypeople und was einem sonst noch einfällt. Es ist eine Besonderheit, dass innerstädtisch und damit im belgischen Viertel viele Menschen immer noch leben und wohnen. Und es leben die Bürgerlichen im Viertel.
Die Gastro-Enthusiasten und Marktradikalen
Hans Schwanitz, Grüne, kommt ins Schwärmen am Rednerpult am späten Montagabend im Kölner Rat: Das Belgische Viertel ist ein Leuchtturm und habe eine kulturelle Funktion für die Stadt als Metropole. Das belgische Viertel ziehe junge Menschen aus der Welt nach Köln. Zwar sehe er einen Nutzungskonflikt, aber Schwanitz gibt dieser Funktion den Vorzug. Niklas Kienitz, CDU, erwartet Konflikte zwischen Nachtschwärmern und Wohnbevölkerung sieht aber nicht, dass ein Bebauungsplan etwa für Sauberkeit sorgen könne. Das kann ein B-Plan nicht erfüllen, so Kienitz, der das Belgische Viertel ein Biotop nennt aus Gewerbe, Gastro und Kultur. Die Konflikte müssen mit dem Ordnungsrecht bekämpft werden und nicht mit dem Bebauungsplan. Er kann sich ein Format Runder Tisch vorstellen, an dem Anwohner und Gewerbe zu Kompromissen finden können. Kienitz sagte aber auch, dass er keine zweite Zülpicher Straße wünsche. Viola Recktenwald, die für die SPD spricht, fordert ein Bekenntnis zu Kultur und Gastroszene. Auch Manuel Jeschka, Volt, stößt ebenfalls in dieses Horn und spricht davon, dass der Abbiegevorgang in Richtung Bebauungsplan falsch und jetzt korrigiert worden sei. Für Volt gebe es das Recht auf Nachtruhe und für die Nachtschwärmer das Recht auf ein lebendiges Nachtleben.
Die Nachdenklichen
Michael Weisenstein, Linke, zeigte sich enttäuscht, dass es nicht gelungen sei einen Bebauungsplan für das Belgische Viertel aufzustellen. Der sei nur ein Baustein, aber ein wichtiger. Er befürchtet, dass das Belgische Viertel jetzt ein monotones Viertel werde, da sich nur die kommerziellen Anbieter wie Kioske und Gastronomie halten werden können. Heute sei das Viertel noch ein gemischtes Viertel. Da gebe es noch Friseure und Schneidereien. Für diese Unternehmen, die zu einem Veedel gehören, hätte der Bebauungsplan Schutz vor Verdrängung geboten. Weisenstein mahnte, dass ein Bebauungsplan ein langfristiges Element sei. Er prophezeite eine Entwicklung in 10 Jahren hin zu einer monotonen Struktur und Verhältnisse wie in der Zülpicher Straße. Der Rat müsse seiner Verantwortung gerecht werden und Wohnen und nicht nur feiern mit Augenmaß begegnen.
Ralph Sterck, FDP, mahnte ebenfalls. Der Bebauungsplan sei ein Instrument, negativen Wildwuchs zu begrenzen oder sogar zu stoppen. Er erinnerte an den Bebauungsplan rund um den Rathenauplatz, der zur Beruhigung beitrug. In der Zülpicher Straße sei es für die Stadt sehr schwer die Fehlentwicklung wieder in den Griff zu bekommen.
Thor Zimmermann von Gut Köln zeigte sich überzeugt, dass es ein Fehler sei auf den Bebauungsplan zu verzichten. Solange eine Kneipe mehr Rendite abwerfe als dies ein Friseursalon oder Designerladen tue, werde immer die Gastronomie gewinnen. Schließlich gibt es dann auch mehr Pacht beziehungsweise Miete. Den Befürwortern im Rat rief er zu: Ihr macht das Gegenteil von dem, was ihr wollt.
Auch der grüne Bezirksbürgermeister konnte seine Partei nicht umstimmen
Es war eine bemerkenswerte Situation als Andreas Hupke, Grüne, an das Mikrofon trat. Die Ratsfraktion seiner Partei stimmte gegen den Bebauungsplan, für den Hupke warb und ein eindrucksvolles Plädoyer abgab. Das Bebauungsplanverfahren habe bereits zur Befriedung im Viertel geführt, sagt der Mann, der am nächsten am Thema dran ist. Aktuell sei das Viertel heterogen, jetzt drohe es homogen zu werden. Auch Hupke zeigte mit dem Finger in Richtung Zülpicher Straße. Die Bildungsbürger, die im Viertel lebten formierten sich jetzt bereits. Er erinnerte an das Urteil zur Volksbühne. Für das Belgische Viertel gelten jetzt ohne Bebauungsplan die Marktgesetze für die einen, vorrangig die Gastronomen. Und die anderen, die Anwohner werden klagen. Hupke rief den Vertreter*innen im Rat zu: „Sie haben die Verantwortung“.
Das Gestaltungsbündnis entschied sich gegen den Bebauungsplan. Ob dies klug ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Vor allem sind alle Bilder zur Entwicklung von Nachtleben durch die Pandemie derzeit arg und seit zwei Jahren verzerrt. Was, wenn wieder die Nachtschwärmer massenhaft auf den Brüsseler Platz schwärmen?