Berlin/Athen / Zwei am 10. Dezember in Österreich festgenommene Terror-Verdächtige sind bereits im Oktober in Griechenland als mögliche Dschihadisten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aufgefallen. Wie die „Welt“ unter Berufung auf übereinstimmende Angaben aus Sicherheitskreisen berichtet, waren die Pässe im Schengener Informationssystem (SIS) zwar zur Fahndung ausgeschrieben, die griechischen Behörden ließen die Verdächtigen aber dennoch weiterreisen. Demnach sollen die beiden Männer, ein 24-jähriger Algerier und ein 34-jähriger Pakistaner, am 3. Oktober gemeinsam mit zwei der späteren Paris-Attentäter an Bord eines Flüchtlingsboots auf der griechischen Insel Leros angekommen sein.

Die griechischen Behörden sollen die Männer als Flüchtlinge registriert haben. In diesem Zusammenhang stellten sie nach „Welt“-Informationen fest, dass es sich um syrische Passdokumente handelt, die zur sogenannten Sachfahndung ausgeschrieben waren. Die Männer wurden allerdings nicht festgehalten.

Ihnen wurde demnach lediglich nahegelegt, Griechenland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Das griechische Ministerium für Bürgerschutz wollte sich auf Anfrage der „Welt“ zum Sachverhalt nicht äußern, verwies nur auf laufende Ermittlungen der französischen Staatsanwaltschaft. Die Terrorverdächtigen reisten nach Informationen der Zeitung als vorgebliche Syrer weiter über die sogenannte Balkan-Route.

Von Slowenien aus kamen sie über den Grenzübergang bei Spielfeld nach Österreich. Seit ihrer Festnahme vor zwei Wochen in einer Salzburger Flüchtlingsunterkunft sitzen die Männer in Untersuchungshaft. Zum Hintergrund: Im syrischen Rakka hatte der IS mindestens 1.452 Blanko-Reisepässe erbeutet.

Die Nummern der Ausweise waren europäischen Sicherheitsbehörden von einem ausländischen Nachrichtendienst in diesem Jahr übermittelt worden und wurden im Schengener Informationssystem zur Fahndung ausgeschrieben. Es wurde befürchtet, dass der IS die Dokumente nutzen könnte, um Terroristen als Flüchtlinge getarnt nach Europa einzuschleusen. Bei einem Selbstmordattentäter, der sich am 13. November vor dem Fußballstadion Stade de France in Paris in die Luft sprengte, war ein syrischer Reisepass gefunden worden, der zu dieser Liste der seit Sommer gesuchten Ausweise gehört. Mit diesem Pass ließ sich die Person nach ihrer Einreise über Griechenland in mehreren Staaten entlang der Balkan-Route registrieren. Auch diese Person soll in Griechenland bei einer SIS-Abfrage aufgefallen sein. Bereits seit Wochen bemühen sich europäische Nachrichtendienste darum, die Identität aller Personen aufzuklären, die Anfang Oktober mit dem Flüchtlingsboot ankamen. Mehrere von ihnen wurden vom Bundeskriminalamt (BKA) auch in Deutschland ausfindig gemacht. Die Ermittlungen ergaben aber in keinem Fall einen Hinweis auf einen terroristischen Hintergrund. Die europaweite Prüfung dauert noch an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erklärte auf Anfrage der „Welt“, dass in Deutschland von allen Asylantragsstellern Fingerabdrücke genommen werden. Die Daten werden einem Sprecher zufolge unter anderem automatisch mit den Erkenntnissen des BKA abgeglichen. Seit Juni werden demnach alle vorgelegten syrischen Identitätsdokumente geprüft. Bis Ende November wurden 14.673 Dokumente kontrolliert. 12.869 wurden laut BAMF als echt bewertet. Bei 1.119 blieb das Ergebnis offen. 685 Dokumente – also 4,7 Prozent – wurden beanstandet, zum Beispiel weil Personal- oder Religionsdaten nicht korrekt waren oder es sich um Totalfälschungen handelte.

Autor: dts