Wenn kölscher Rock auf die große Welt der Klassik trifft
Von Stephan Eppinger
Köln | „Wenn wir mit einem neuen Song an den Start gehen, muss ich ihn zunächst einmal hören, um ihn dann quasi auswendig zu lernen. Das braucht immer seine Zeit. Mich hat total begeistert, wie die Orchestermusiker nur kurz auf ein Notenblatt blicken und dann direkt losspielen können.“ Wenn Peter Brings von der gemeinsamen Arbeit mit dem Bonner Beethoven Orchester spricht, kommt der Kölschrock-Sänger schnell ins Schwärmen. An diesem Freitag veröffentlicht seine Band das neue Album „Alles Tutti“, das diese gemeinsam mit den Musikern des weltweit bekannten Orchesters aufgenommen hat.
„Das Album ist der Endpunkt einer langen, gemeinsamen Reise. Begonnen hat alles mit einem Treffen mit dem Dirigenten Dirk Kaftan in einem Bonner Café. Später gab es einen gemeinsamen Auftritt mit einem Quartett aus dem Orchester beim Kunstrasen. Das war ein erster Test, der sehr gut funktioniert hat. Es folgen zwei gemeinsame Auftritte mit dem gesamten Orchester. Das war ein musikalischer Höhepunkt unserer Laufbahn mit acht extra dafür arrangierten Brings-Stücken. Im Herbst 2020 haben wir uns dann zu den gemeinsamen Aufnahmen im Telekom Forum in Bonn getroffen. Dank der Pandemie hatten wir als Band und auch das normalerweise viel beschäftigte Orchester die Zeit, um das aufwendige Projekt umzusetzen“, berichtet Schlagzeuger Christian Blüm vom spannenden Weg zum neuen Album.
„Alles Tutti“ ist für die Band weit mehr, als nur eine Klassikplatte einer Rockband mit orchestraler Hintergrundmusik. „Dafür wurden von Reinhard Summerer extra detaillierte neue Arrangements verfasst. Da ich selbst keine Noten lesen kann, wusste ich zu Beginn nicht, was daraus wird. Wir sind jetzt aber total glücklich mit dem tollen Ergebnis. Hier sind ein Weltorchester und eine Weltkarnevalsband zusammengekommen“, sagt Peter Brings. Ein gemeinsamer Auftritt bei mehreren aufeinander folgenden Konzerten ist für das Jahr 2023 auf dem Roncalliplatz geplant.
Die Aufnahme des Albums in Bonn war für alle Seiten eine logistische Herausforderung. „Wir waren in einer großen Halle, in der sich das gesamte Orchester komplett verteilt hat. Wir waren nahe beim Dirigenten, aber für manchen Orchestermusiker war dieser sehr weit entfernt. Trotzdem hat alles gut funktioniert und alle sind gesund geblieben“, berichtet Peter Brings. Nicht ganz einfach war für die Rockmusiker auch die Arbeit mit dem Dirigenten und dem richtigen Timing. Mit Christian Blüm und Harry Alfter können nur zwei Bandmitglieder Notenlesen. Der Rest lernte die Stücke auswendig.
„Wenn man hört, wie so ein großes Orchester einen Song wie den „Kölsch Jung“ interpretiert, ist das schon sehr berührend. Man hat das Gefühl, dass die Musik endlich so ist, wie sie sein soll“, freut sich Peter Brings. Beim ersten gemeinsamen Konzert gab es übrigens einen Auftritt mit umgekehrten Vorzeichen. Brings kam im Frack und das Orchester war in den karierten Accessoires der Kölner Band auf der Bühne. „Es war für mich toll, solche renommierten Musiker live zu erleben und gemeinsam mit ihnen zu arbeiten. Ich habe da einen sehr großen Respekt vor den Kollegen, die bei den Aufnahmen auch so richtig Spaß hatten. Da ist der Funke schnell übergesprungen. Der „Kölsche Jung“ hört sich fast wie ein Frank-Zappe-Stück an“, sagt Harry Alfter.
Viel Lob gibt es auch von der Seite des Beethoven Orchesters: „Ich mag die Songs von Brings. Da trifft tolle Musik auf Texte mit Inhalt und viel Poesie. Wir haben mit den gemeinsamen Aufnahmen ein neues Genre entwickelt, den symphonischen Kölschrock. Bei der Arbeit in Bonn gab es einen echten Dialog auf Augenhöhe zwischen der Band und dem Orchester. Beide Seiten hatten großen Respekt voreinander. Genauso wie Brings keine reine Karnevalsband sind, wollen wir ein Orchester mitten im Leben sein, das nahe an den Menschen dran ist. Für mich ist dieses Album ein wichtiges Lebenszeichen in der Corona-Zeit – ein echter Kraftgeber“, sagt Dirk Kaftan, der Bonner Generalmusikdirektor und Chefdirigent des Beethoven Orchesters.
„Das Projekt sorgt dafür, dass auch das Publikum aufgebrochen wird. Es wird Leute geben, die erstmals unsere Musik hören und andere, die bislang noch nicht mit einem klassischen Orchester und seiner Musik vertraut waren. Ich fiebere schon jetzt auf die gemeinsamen Auftritte im August 2023 hin. Für ein Orchester ist es etwas ganz Neues, wenn Menschen im Publikum aufspringen und mitsingen. Insgesamt haben wir als Band bei diesem Projekt eine Menge dazu gelernt“, erklärt Peter Brings.
Auch Produzent Helmuth Rüßmann ist begeistert: „Wir haben hier wirklich ein Crossover hinbekommen. Zwei verschiedene Welten sind aufeinander getroffen und beide Seiten haben Kompromisse gefunden, mit denen alle zufrieden sein können. Alle sind richtig stolz auf dieses neue Album, das auch immer wieder Zitate großer Komponisten wie Bach und Beethoven enthält.“
Das Album mit seinen zwölf Tracks ist wie eine musikalische Zeitreise in die bewegte Welt von Brings, eine Band, die gerade mit dem Dokufilm „Nix för Lau“ ihr 30-jähriges Bestehen feiern konnte. Im neuen Arrangement finden sich Klassiker wie „Katharina“ aus den 90er Jahren, große Hits wie „Superjeile Zick“, „Halleluja“ oder „Polka Polka Polka“ genauso wie neuere Songs wie „Liebe Gewinnt“, „Et jeilste Land“ oder „Mir Singe Alaaf“, mit dem die Band im Vorjahr den Nerv der schwierigen Corona-Zeit traf. Das Cover ist ein augenzwinkernder Verweis auf den legendären Hund Nipper, wie er einst gebannt in jenes Grammofon starrte und folgend zum Logo für „His Master’s Voice“ und Electrola avancierte. Gerade veröffentlicht wurde auch die Single „Mir Sin Widder Do“, ein Song mit Blick auf die bevorstehende neue Karnevalssession.