Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld begrüßt Flüchtlinge. Foto: Stadt Dormagen

Köln/Dormagen | Immer mehr Menschen aus der Ukraine kommen zu uns nach Deutschland. Eine Mammutaufgabe für die Behörden, denn die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge muss organisiert werden.

Dass hierbei noch Verbesserungsbededarf besteht, macht Erik Lierenfeld (SPD, 36) im Interview mit report-k.de deutlich. Denn der Bürgemeister von Dormagen (nördlich von Köln) legt den Finger in die Wunden der Bürokratie…

Herr Lierenfeld, Sie klingen gehetzt. Was ist los?

Lierenfeld: Alles was schief laufen kann, läuft schief.

Sie haben öffentlich moniert, dass die Arbeitsgruppe für die Finanzierung der Flüchtlingshilfe sich bis zum 7.4. „Gedanken machen“ wolle…

Lierenfeld: Ja. Hintergrund ist, dass die Finanzierung noch nicht klar ist. Es gibt Pauschalen vom Land an die Kommunen. Aber ich finde, man kann nicht mit Pauschalen arbeiten. Weil es verschiedene Standards gibt. Es gibt Kommunen, die machen sich das Leben einfach, verfrachten die Menschen in Turnhallen aufs Feldbett, Bauzaun davor, fertig.

Und es gibt Kommunen wie unsere, die Wert auf Privatsphäre legen. Dass die Flüchtlinge eine Tür und einen Schrank zum Abschließen haben, eben damit sie längere Zeit unterkommen können. Wir benötigen Mittel, damit wir den Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Und wir sparen dem Bund Millionen.

Erik Lierenfeld (SPD, 36) hat selbst eine Familie aus der Ukraine aufgenommen. Foto: Stadt Dormagen

Wodurch?

Lierenfeld: Zum Beispiel, indem wir ehrenamtliche Arbeit einsetzen, zig tausende Stunden. Das gilt nicht nur für Handwerker, denken Sie allein an die Kleiderspenden. Dazu gibt es viele Unternehmen, die spenden. Und da empfinde ich es als Frechheit, zu sagen: Wir müssen uns mal Gedanken machen bis zum 7.4.

Bis dahin haben wir hier vier Einrichtungen eingerichtet. Die Menschen kommen, ich muss jetzt was tun, jetzt Plätze schaffen. Da kann ich nicht warten, bis einer sagt, wie viel Geld ich ausgeben kann, alleine das Catering der bislang Angekommenen kostet pro Monat 100.000 Euro.

Wie viele Menschen nimmt Dormagen auf?

Lierenfeld: Wir haben in Dormagen schon über 500 Menschen aufgenommen. Wenn 1 Million nach Deutschland kommen, kommen 812 nach Dormagen. Es gibt Prognosen, dass 4 Millionen kommen werden, dann wären bei uns 3200 Menschen unterzubringen.

Mit allen Kapazitäten plus der Privatunterkünfte schaffe ich Stand jetzt 1000. Von den 500 sind mehr als die Hälfte privat aufgenommen, auch wir haben eine Familie aufgenommen. Dafür gibt es eine kleine Pauschale für Neben- und Heizkosten.

Flüchtlingshilfe: Preise für Duschcontainer explodieren

Besteht die Gefahr, dass manche in den Flüchtlingen ein Geschäft wittern?

Lierenfeld: Definitiv. Wir müssen aufpassen, wir zahlen keine Freundenhauspreise, wir achten auf Wirtschaftlichkeit, es ist das Thema Angebot und Nachfrage.

Ein Beispiel: Ganz am Anfang lag der Preis für einen Duschcontainer bei 7000 Euro, eine Woche später waren das plötzlich 35 000. Die Kommunen tun ihr Bestes, am Ende zahlen wir als Gesellschaft gemeinsam die Zeche.

Was für Schicksale haben Sie selbst bereits mitbekommen?

Der Bruder, der zur Hochzeit nach Ägypten flog und nach dem Urlaub nie wieder heim konnte, weil alles zerstört war. Andere haben tagelang im Auto gesessen. Wenn hier Flugzeuge fliegen, gehen Kinder in die Hocke. Das war sehr schwierig für sie die Bomben hinter sich zu lassen.

Inzwischen aber schallt wieder Kinderlachen durch die Räume. Viele Flüchtlinge haben sofort gefragt, ob die hierbleiben dürfen. Die fühlen sich schnell heimisch, wollen arbeiten und zur Schule.

Dormagen: Bürgermeister Erik Lierenfeld will klares Bekenntnis von Bund und Ländern

Welche Perspektiven sehen Sie für Flüchtlinge bei uns?

Es wird für den Staat eine Herkulesaufgabe, weil wir in den nächsten Jahren Wohnraum werden schaffen müssen. Die Integration, die Organisation der Sprachkurse, das wird nochmal schwieriger als 2016, denn das werden noch mehr Menschen.

Was wünschen Sie sich?

Zwei Dinge: 1. Eine sinnvolle Verteilung der Menschen, damit alle Kommunen die Möglichkeit haben wie wir und nicht überrannt werden. 2. Ein klares Bekenntnis von Bund und Ländern, dass kein Euro bei den Kommunen hängenbleibt.