Karlsruhe | aktualisiert | Im NPD-Verbotsverfahren hat sich das Bundesverfassungsgericht gegen ein Verbot der rechtsextremen Partei entschieden. Die Partei sei zwar verfassungsfeindlich, habe aber derzeit wenig Einfluss auf die Gesellschaft und keine Möglichkeiten ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchzusetzen, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, am Dienstag zur Urteilsbegründung.

Das Bundesverfassungsgericht bewertete den Verbotsantrag als zulässig und erklärte auch, dass der Bundesrat überzeugend gezeigt hätten, dass alle V-Männer in der Führungsebene der NPD abgeschaltete seien. Daran war 2003 der erste Verbotsantrag der NPD gescheitert. Der Bundesgerichtshof räumte ein, dass die NPD die freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen wolle. „Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Gerichts. Die NPD arbeite auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin. Allerdings fehle es derzeit an konkreten Anhaltspunkten, dass die Partei ihr Ziel erreichen könnte.

Daher wies der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den Antrag des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der NPD und ihrer Unterorganisationen einstimmig als unbegründet zurück. Die Bundesländer hatten den Verbotsantrag am 3. Dezember 2013 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Bundesregierung beteiligte sich nicht an dem Antrag. Ein früheres NPD-Verbotsverfahren war im Jahr 2003 aus Verfahrensgründen eingestellt worden, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig waren.

Auschwitzkomitee entsetzt über NPD-Urteil

Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, hat sich entsetzt über das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur NPD geäußert. „Heute ist ein tragischer Tag für die wehrhafte Demokratie. Das IAK hat dieses Verbot der NPD immer wieder gefordert und das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung gedrängt. Die heutige Entscheidung ist für die Überlebenden des Holocaust eine empörende und erschreckend realitätsferne Entscheidung“, sagte er der „Bild“. Wie könne es sein, „dass diejenigen, die den Holocaust nicht nur klammheimlich bejubeln und in vielen Kommunen ständig neue Kapitel des Hasses provozieren, im demokratischen Spektrum bleiben dürfen und vom Staat weiter bei Hetze und Gewalt gegen die Demokratie allimentiert werden?“. Darüber hinaus sei „diese realitätsblinde und unzeitgemäße Entscheidung ein fatales Signal nach Europa, wo Rechtsextreme und Rechtspopulisten längst neue Schnittmengen miteinander finden und ständig versuchen, Angst und Unsicherheit von Menschen in Hass und Aggression zu verwandeln“.

NRW-Innenminister Jäger bedauert Urteil

„Leider erhält die NPD für ihren aggressiven Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung weiter Steuergelder“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger. Seit dem Prozessbeginn hätte sich die politische Landschaft verändert, die NPD sei ins politische Abseits geraten. „Politik und Gesellschaft müssen jetzt dafür sorgen, dass das so bleibt“, sagte Jäger. „Die NPD-Funktionäre haben im Prozess ihre wahren Gesichter gezeigt. Sie wollen die Demokratie abschaffen. Deshalb wird der Verfassungsschutz die Entwicklung der Partei weiter genau beobachten.“

Lammert begrüßt politische Bedeutung des Karlsruher NPD-Urteils

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die politische Bedeutung der Karlsruher NPD-Entscheidung hervorgehoben. „Ich begrüße, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich feststellt, dass das politische Konzept der NPD verfassungsfeindlich ist, der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde verletzt und die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip missachtet“, sagte Lammert der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). Diese Feststellungen hätten „nicht nur juristische, sondern auch politische Bedeutung“, erklärte Lammert.

Zu Recht habe Karlsruhe festgestellt, dass das Grundgesetz kein Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot enthalte. Von einer Durchsetzungskraft der NPD könne aber bei dem „seit Jahren schwindenden politischen Einfluss, sinkenden Mitgliederzahlen, dem Verlust der letzten Landtagsmandate und der schwachen finanziellen Ausstattung“ kaum die Rede sein.

De Maizière bezeichnet NPD-Urteil als „starkes Zeichen“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat das Urteil des Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren als „starkes Zeichen“ für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit der NPD bezeichnet. „Das Verbot der NPD ist also nicht daran gescheitert, dass sie keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt, sondern daran, dass sie zu schwach und unwichtig ist, sie auch zu verwirklichen“, sagte der CDU-Politiker am Dienstag in Berlin. „Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass wir in den letzten Jahrzehnten die Auseinandersetzung mit der NPD erfolgreich geführt haben.“

Das Bundesverfassungsgericht habe deutlich bestätigt, „dass die Ideologie der NPD verfassungsfeindlich und mit dem Demokratieprinzip unvereinbar ist sowie die Menschenwürde missachtet“. Außerdem schaffe das Urteil Rechtssicherheit. Der Innenminister kündigte an, mögliche Änderungen bei der Parteienfinanzierung „sorgfältig prüfen“ zu lassen.

Autor: co, dts | Foto: 360b/ shutterstock.com