Eine Visualisierung von Coronaviren

Karlsruhe | dts Nachrichtenagentur | Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die sogenannte Bundesnotbremse, die von April bis Juni die Grundlage für harte Corona-Maßnahmen war, zurückgewiesen. Die beanstandeten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen seien „in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar“ gewesen, hieß es zur Begründung. Insbesondere waren sie demnach trotz des Eingriffsgewichts „verhältnismäßig“.

Die Beschränkungen seien als Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers zu betrachten. Dieses habe in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als „überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen“ gedient, so die Karlsruher Richter. Auch Verfassungsbeschwerden, die sich gegen Schulschließungen richteten, wurden zurückgewiesen.

Auch diese seien „nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und Sachlage“ zulässig gewesen, teilte das Verfassungsgericht mit. Die Bundesnotbremse war Ende April in Kraft getreten. Sie sollte für bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sorgen.

Bis auf die Homeoffice-Regelung waren dabei alle Maßnahmen abhängig von der Inzidenz. Besonders umstritten waren dabei die jetzt vom Verfassungsgericht geprüften Maßnahmen. Gegen die Vorschriften waren zahlreiche Klagen und Eilanträge in Karlsruhe eingereicht worden.

Das Verfassungsgericht hatte eine Entscheidung im Eilverfahren allerdings abgelehnt und die Maßnahmen vorerst erlaubt. Mit Spannung wird erwartet, wie die Politik auf die jüngsten Urteile aus Karlsruhe reagieren wird. Für 13 Uhr ist eine Telefonkonferenz der Länderchefs mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem künftigen Kanzler Olaf Scholz (SPD) angesetzt.

Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll dabei eine Rolle spielen.

Söder sieht „Grundlage für neue Bundesnotbremse“   

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Corona-Maßnahmen im Frühjahr die „Grundlage für eine neue Bundesnotbremse“. Das Urteil sei eine „Bestätigung auf ganzer Linie“, schrieb der CSU-Chef am Dienstag bei Twitter. Karlsruhe habe „alle zentralen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung“ für rechtens erklärt.

„Auch alle bayerischen Regelungen waren im Einklang mit den Grundrechten.“ Damit seien alle widerlegt, die versucht hätten, ein anderes Bild zu zeichnen. „Wir müssen jetzt schnell handeln“, fügte er hinzu.

Der scheidende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die Entscheidung des Verfassungsgerichts unterdessen als „staatspolitisch klug und rechtlich überzeugend“. Sie gebe alter und neuer Regierung sowie Mehrheit und Minderheit die Chance zur Gemeinsamkeit: „Wir durften im Frühjahr handeln und wir dürfen/müssen es auch jetzt“, teilte Altmaier über Twitter mit. Aus der FDP, die vor allem Ausgangssperren und Schulschließungen kritisiert hatte, kamen zurückhaltendere Töne.

„Dass der Gesetzgeber im April 2021 Ausgangsbeschränkungen einführen durfte, bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber im Dezember 2021 Ausgangsbeschränkungen einführen muss“, schrieb der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle bei Twitter.

Kubicki wirft Ländern Schwarzer-Peter-Spiel vor 

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat sich enttäuscht über das Verfassungsgerichtsurteil zur Bundesnotbremse gezeigt und die Länder aufgefordert, rasch die Möglichkeiten des aktuellen Infektionsschutzgesetzes zu nutzen. „Das Urteil ist enttäuschend, aber das Bundesverfassungsgericht ist Letztentscheider“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). Dies gelte es im Verfassungsstaat zu respektieren.

„Die Länder müssen jetzt in eigener Zuständigkeit die Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes nutzen, statt Schwarzer Peter zu spielen“, sagte der Bundestagsvizepräsident. „Die Hauptursache der aktuellen Welle war die fatale Entscheidung der noch amtierenden Bundesregierung, die Kostenfreiheit bei den Corona-Tests aufzuheben und die Impfzentren zu schließen. Damit haben wir jegliche Übersicht und Kontrolle über das laufende Infektionsgeschehen verloren“, so Kubicki.

„Und auch Markus Söder und Michael Kretschmer müssen sich vorwerfen lassen, viel zu spät auf die Lage reagiert zu haben“, sagte der FDP-Politiker mit Blick auf den bayerischen und den sächsischen Ministerpräsidenten. Letzterer forderte unterdessen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Bund zum Handeln auf. „Das Urteil fordert geradezu das beherzte Handel zum Schutz der Bevölkerung“, sagte Kretschmer der „Bild“.

Der Bund müsse das Infektionsschutzgesetz schnell ändern und „alle Instrumente zur Krisenbekämpfung“ für die Länder ermöglichen. „Die Länder sind bereit zu handeln.“ Man habe bereits Fans in den Stadien verboten und alle Weihnachtsmärkte abgesagt.

Kretschmer verlangte außerdem, dass von der Bund-Länder-Schalte am Dienstag eine „deutliche Warnung an die Bevölkerung“ ausgehen müsse. „Alle unnötigen Kontakte müssen in den kommenden Wochen unterbleiben“, so der CDU-Politiker.