Das Pressefoto des NRW Landtages zeigt den Plenarsaal in Düsseldorf. | Foto: NRW Landtag/Bernd Schälte

Köln/Düsseldorf | Erst haben sie die Landtagswahl NRW gewonnen: CDU und Grüne. Dann haben sie erfolgreich sondiert und jetzt ist der Weg frei für Koalitionsverhandlungen zwischen Schwarz-Grün, das Schwarz-Gelb ersetzen soll. Die sollen am Dienstag beginnen.

CDU NRW stimmt für Koalitionsverhandlungen

Am Sonntag traf sich der erweiterte Landesvorstand der CDU Nordrhein-Westfalens und traf ein einstimmiges Votum für Koalitionsverhandlungen mit den NRW Grünen. Der amtierende Ministerpräsident von NRW und Landesvorsitzende der CDU NRW Hendrik Wüst in einem schriftlichen Statement: „Die CDU nimmt damit ihre Verantwortung aus dem Ergebnis der Landtagswahl wahr, eine stabile Regierung für unser Land zu bilden. Wir haben das Ergebnis der Sondierung diskutiert. Es ist insgesamt eine tragfähige Grundlage für Koalitionsverhandlungen.“

Grüne mit kleinem Parteitag

Die NRW Grünen trafen sich am gestrigen Sonntag zum Landesparteirat. Dort stimmten die Delegierten bei 7 Enthaltungen ebenfalls für eine Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU. Die beiden grünen Spitzen Mona Neubaur und Felix Banaszak erklären dazu schriftlich: „Nach rund einer Woche intensiver, offener und ehrlicher Sondierungsgespräche mit der CDU Nordrhein-Westfalen haben wir unserem kleinen Parteitag heute ein Ergebnis vorlegen können, das eine gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen legt. Deshalb freuen wir uns sehr über die breite Zustimmung des Parteitags, diese Grundlage jetzt weiter ausbauen zu können. Uns ist klar, dass noch viel Arbeit, anstrengende Verhandlungsstunden und durchaus weite Wege vor uns liegen. Wir sehen aber die ehrliche Bereitschaft auf allen Seiten, genau das auf Augenhöhe zum Erfolg zu bringen.“

Kritik aus der eigenen Partei und von den NRW Piraten

Die Parteispitze der NRW Grünen spricht von einem realistischen Optimismus mit dem sie in die kommenden Gespräche gehen will, wohl wissend, dass nicht allen Grünen im Land das Farbspiel Schwarz-Grün gefällt und es zudem Kritik am Sondierungspapier gibt, dass Schlangenlinien um einige problematische Punkte zwischen Schwarz und Grün fährt sowie die echten Knackpunkte offen oder vage formuliert lässt. Genau an diesen Punkten entzündet sich nun auch die erste Kritik.

Die NRW Piraten legen den Finger in die auffälligsten Wunden: Sie vermissen die Rücknahme der unter Schwarz-Gelb vorgenommenen Verschärfung des Versammlungs- und Polizeigesetzes NRW. Ein Punkt den die Grünen im Wahlprogramm versprachen. Die NRW Piraten vermissen weitere Punkte: Keine Korrektur von Grundrechtseingriffen wie Staatstrojaner und anlassloser Videoüberwachung und keine Wiedereinführung der Kennzeichnungspflicht für uniformierte Polizist:innen.

Andrea Deckelmann, stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei NRW kommentiert in einer schriftlichen Stellungnahme: „Das umstrittene Versammlungsgesetz soll laut Sondierungspapier im Zuge der vorgesehenen Berichtspflicht Ende 2023 evaluiert werden. Die Evaluierung war auch eine unserer Forderungen an die neue Landesregierung. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass eine Regierung mit Beteiligung der Grünen mehr Druck macht. Keine Erwähnung findet das Polizeigesetz, gegen das auch die Grünen NRW mit uns im Bündnis auf die Straße gegangen sind. Unter den Folgen dieses Gesetzes haben vor allem Klimaaktivist:innen zu leiden. Seit 2019 werden sie präventiv, also ohne eine Straftat begangen zu haben, über mehrere Tage eingesperrt, Rechtsbeistand wird ihnen verweigert. Ich erwarte, dass Gesetze, die zivilen Ungehorsam und antifaschistische Protestformen kriminalisieren und unsere Grundrechte einschränken, rückgängig gemacht werden, vor allem von einer Partei, die sich einst Bürger:innenrechte und Versammlungsfreiheit auf die Fahnen schrieb.“

Stefan Borggraefe, Fraktionsvorsitzender der PIRATEN in Witten ergänzt: „Das Sondierungspapier ist innenpolitisch leider eine Enttäuschung. Zwar vertreten die Grünen in ihrem Wahlprogramm noch einige richtige Positionen. So lehnen sie darin Grundrechtseingriffe wie den Staatstrojaner und anlasslose Videoüberwachung ab. Diese Forderungen scheinen aber für sie – anders als für die Piratenpartei – keine Priorität zu haben. Sie wurden offensichtlich bereits jetzt am Verhandlungstisch geopfert und finden im vorliegenden Papier keine Erwähnung mehr. Wollen die Grünen tatsächlich im Wesentlichen eine schwarze Innenpolitik Reul’scher Prägung mittragen? In den anstehenden Koalitionsverhandlungen müssen sie in diesem Bereich noch deutlich nachlegen!“

Vor dem kleinen Parteirat äußerte die Grüne Jugend Nordrhein-Westfalen bereits deutliche Kritik an den Sondierungen. Nicola Dichant, die Landessprecherin der Grünen Jugend kommentierte am 23. Mai schriftlich: „Die jetzt anlaufenden Sondierungen sehen wir weiterhin kritisch. Denn auch in Nordrhein-Westfalen schlittern wir von einer Krise in die nächste, für die es Lösungen braucht. Wir brauchen insbesondere Investitionen im großen Stil – in sozialen Wohnraum, bezahlbare Mobilität, Bildung und für die Bekämpfung der Klimakrise. Ganz aktuell sehen wir die Frage von fehlenden Investitionen beim Streik an den Unikliniken, denn mehr Personal bezahlt sich eben nicht von selbst. Wie all das in einer Koalition mit der CDU funktionieren soll, bleibt fraglich. Die Frage stellt sich für uns auch in der Innenpolitik, ob mit dem Versammlungsgesetz oder dem Polizeigesetz, die CDU steht für eine repressive Innenpolitik, während wir für das genaue Gegenteil stehen.“