Künstler und Theatermacher mit einer ungewöhnlichen Aktion im Comedia-Theater

Köln | Die Musik passt – zur „Hochzeit des Figaro“ werden auf der Bühne des Comedia-Theaters in der Südstadt Scheren, Kämme und Bürsten geschwungen. Auch ein silberner Föhn und eine Trockenhaube dürfen nicht fehlen. Dazu kommen mit der Ast- und der Heckenschere auch Geräte zum Einsatz, die in Friseursalon eher etwas unüblich sind.

Seit Montag haben in Deutschland die Friseure wieder ihre Geschäfte geöffnet. Dies haben Künstler wie Willibert Pauels (De Bergische Jung), Christoph Sieber, Nessi Tausendschön, Anka Zink, Barbara Ruscher, Torsten Schlosser (Atelier-Theater), Holger Müller (Ausbilder Schmidt), Markus Riedinger (Onkel Fisch), Sebastian Rüger (Ulan&Bator), Andrea Volk und Janus Fröhlich zum Anlass für eine ungewöhnliche Aktion genommen. Sie haben sich im Comedia-Theater in der Südstadt zum Haareschneiden verabredet.

„Die Friseur-Geschäfte dürfen wieder öffnen, weil ein Friseurbesuch laut Innenminister Seehofer ‚eine Frage der Menschenwürde‘ ist. Wir Künstlerinnen und Künstler freuen uns auch sehr für, mit und über die Friseurinnen und Friseure. Da die Würde des Menschen sich jedoch immer über die Kultur definiert, möchten wir die Gelegenheit nutzen und mit einer kleinen Artistis-Live-Haircut-Performance die Öffentlichkeit auf die Lage der Kultur-Branche in Deutschland aufmerksam machen: Künstler schneiden Künstlern im Theater die Haare, um die Facon zu wahren“, sagt Robert Griess. Man stehe mit dieser Aktion, die in Bonn beim Pantheon und im Düsseldorfer Kom(m)ödchen Anklang gefunden hat, stellvertretend für andere Künstler und Theatermacher in der Krise.

„Studien der TU Berlin zeigen, das Veranstaltungen in Theater mit den entsprechenden Hygienekonzepten mit Publikum möglich sind. Theater sind nach der Studie die sichersten Orte im öffentlichen Raum. Die meisten Ansteckungen passieren im privaten Bereich. Macht die Privathaushalte zu und öffnet die Theater. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der TU Berlin sollten Eingang finden in die politischen Entscheidungen. Wir brauchen eine klare Öffnungsperspektive und klare Kriterien für die Öffnung der Kulturszene und des gesamten Veranstaltungsbereichs“, fordert Griess, dem Nessi Tausendschön an die Haare gehen darf.

Willibert Pauels betont: „Der Glanz der Kultur ist das Brot für die Seele. Gebt den Menschen ihr geistiges Brot und gebt der Kultur und den Theatern ihre Freiheit.“ Bei den Äußerungen aus der Politik ist Anka Zink, die Janus Fröhlich als Friseurkunden vor sich hat, eher skeptisch: „Ich würde gerne glauben, dass es bei Seehofer um die Würde geht. Aber ihm geht es wahrscheinlich vor allem um die Mehrwertsteuer.“

Was Homeschooling bedeutet weiß Kabarettistin Barbara Ruscher, die Entertainer Linus unter der Trockenhaube hat: „Meine Kinder haben gefragt: Mama, bist Du systemrelevant. Da habe ich geantwortet, zu Hause bin ich systemrelevant, im Beruf nicht mehr. Kultur ist wichtiger, als sie von der Politik wahrgenommen wird.“ Kollegin Nessi Tausendschön sieht das ähnlich: „Ich gönne es den Friseuren, dass sie wieder öffnen dürfen. Uns Kulturschaffenden gönnt man das nicht, weil wir keine Waffen, Autos oder Eierlikör produzieren.“

Der Humor darf nach Christoph Sieber, dem Andrea Volk mit der Heckenschere an die Frisur rückt, nicht ins Hintertreffen geraten: „Humor ist ein Ventil in Krisen und Notsituationen, die man nur so ertragen kann. Es braucht die Kabarettisten auf der Bühne, die sagen, besser wird es nicht“, ist sich der neue Mann bei den „Mitternachtsspitzen“ sicher.

Autor: Von Stephan Eppinger
Foto: Nessi Tausendschön und Robert Griess bei der Haarschneideaktion. | Foto: Eppinger