Diese Jesus-Figur führten Impfgegner auf einer Demonstration auf dem Kölner Wilhelmplatz mit. Das Foto entstand am 18. Dezember 2021

Köln | Nippeser*innen kaufen auf ihrem Wochenmarkt ein und später bauen die Händler ihre Stände ab. Alle tragen eine Maske. Mittendrin Corona-Leugner ohne Maske. Es sind in mehrfacher Hinsicht verstörende Bilder, die eine Corona-Leugner Demonstration heute auf dem Kölner Wilhelmplatz in Nippes hinterlässt, die aber auch zeigen wie schwach die Stadt Köln mitten in der vierten Welle handelt und die staatlichen Regulierungen sind.

Markt in Nippes mit Corona-Leugner Demonstration

Die Maskenpflicht

Es sind die Bürger*innen die irritiert sind. Sie fragen sich, wie kann das sein: Gilt für Corona-Leugner keine Maskenpflicht? Hier ist doch heute Markt auf dem Wilhelmplatz und wir alle tragen eine Maske? Eine Bürgerin sagt: Auf den Weihnachtsmärkten gilt doch 2G und auf der Neusser Straße Maskenpflicht und hier stehen rund 200 Menschen aus dem Spektrum der Coronaleugner dicht an dicht gedrängt ohne Maske auf einem Markt herum. Das kann doch nicht sein. Doch kann es. Auf der Neusser Straße gilt Maskenpflicht nach einer Allgemeinverfügung der Stadt Köln. Auf dem Wilhelmplatz nicht, obwohl dort Markt ist und auch auf dem Markt die Verkaufsbuden dicht an dicht stehen, gilt für den Markt keine Regelung zum Tragen einer Maske.

Und da ist sie wieder die Uneindeutigkeit: In der aktuellen Corona-Schutzverordnung des Landes NRW heißt es: „Auch im Freien wird das Tragen einer Maske empfohlen, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann“. Es ist eine Kann und keine Muss-Bestimmung. Im Freien gilt bei Veranstaltungen eine Maskenpflicht bei mehr als 1.000 Personen. Zugangsbeschränkungen gelten auch nicht, da an der Versammlung nicht mehr als 2.500 Personen teilnahmen.

Erst auf der Neusser Straße, durch die sich die Demonstration bewegte gilt, aufgrund der kommunalen Anordnung der Stadt Köln die Pflicht eine Maske im Freien zu tragen. Da die Stadt Köln für den Wilhelmplatz durch Allgemeinverfügung keine Maskenpflicht anordnete, galt diese auch in diesem speziellen Fall nicht. Offen bleibt ob die Polizei eine solche bei den Auflagen zur Versammlung verfügte.

Da es sich auf dem Wilhelmplatz um eine Versammlung nach Art 8 des Grundgesetzes handelt gelten auch die Kontaktbeschränkungen der Coronaschutzverordnung des Landes NRW nicht. Allerdings stellt sich die Frage, warum so viele Teilnehmer*innen zugelassen waren, da in Köln derzeit die Regelungen für kreisfreie Städte mit einer Inzidenz über dem Wert von 350 gelten.

Die Frage die sich stellt ist, ob die Ordnungsbehörden selbst noch wissen, welche Regelungen gelten. Eine junge Frau erzählt, sie habe beim Ordnungsamt der Stadt Köln angerufen und darauf gedrungen, dass dieses die Einhaltung der Maskenpflicht auf dem Wilhelmplatz während der Kundgebung durchsetze. Dieses habe darauf verwiesen, dass die Polizei diese Durchsetzung verweigert habe. Die Polizei wiederum verwies bei einer Anfrage dieser Internetzeitung auf das städtische Ordnungsamt und dass man nur auf deren Anforderung handele. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob die 30 Polizeibeamten auf dem Wilhelmplatz, sollte es dennoch eine Verpflichtung zum Tragen einer Maske gegeben haben in ihrer subsidiaren Allzuständigkeit nicht handeln hätten müssen.

Eines ist klar: Obwohl Polizeibeamte vor Ort waren, mit ihren Dienstfahrzeugen, erfolgte über diese keine Aufforderung an die dicht an dicht ohne Maske stehenden Menschen eine Maske zu tragen oder den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Also die geforderten AHA-Regeln. Die Bürger*innen vor Ort, aber auch Händler auf dem Markt, waren fassungslos, dass die staatlichen Ordnungsbehörden nicht eingriffen und es nicht wenigstens eine Aufforderung Maske zu tragen gab.

Die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert bei der Gegendemonstration

Die Gegendemonstration

Die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert sprach auf einer Gegendemonstration und verwies darauf, dass die Mehrheit der Bürger*innen in Nippes sich impfen haben lassen und sich so verantwortungsvoll zeigten und die, die Impfgegner auf dem Wilhelmplatz eben nicht die Mehrheit seien. Diese Gegendemonstration fand etwas abseits des Wilhelmplatzes statt. Später strömten einige der Gegendemonstranten an den Rand der Corona-Leugner-Veranstaltung und skandierten „Wir impfen Euch alle“ oder „Maske auf“. Als einige der Gegendemonstranten in die Menge der Coronaleugner liefen und einen Tisch umstießen, griffen die Polizeibeamten vor Ort ein und trennten die Gruppen wieder.

Die Corona-Leugner

Das verstörendste Bild liefern allerdings die Corona-Leugner und Impfgegner selbst. Da sagte eine Rednerin: „Wir sind gesund. Wir müssen nicht beweisen, dass wir gesund sind.“ Das ist töricht und widerspricht der gesamten Logik des menschlichen Verstandes, der weiß, dass Gesundheit ein relativer Zustand nach, zwischen oder vor einer Erkrankung ist, die im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Im Fall einer Corona-Infektion vor allem für Menschen, die ungeimpft sind. Es ist die Gruppendynamik, die den Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen das Gefühl der Stärke gibt, allerdings wird es auf der Intensivstation einsam und dort liegen nun mal fast ausschließlich Menschen, die sich nicht impfen ließen. Allerdings sind sie fest in ihrem Weltbild orientiert, glauben an sich und die kruden Verschwörungsideologien, die die Organisator*innen auf Zettelchen geschrieben haben und auf der Treppe am Wilhelmplatz ausgelegt haben. Auch ein Kreuz führten Sie mit einer stilisierten Puppe als Jesus mit, über der das Wort „Ungeimpft“ stand. Die Wahrheit so eine der Redner*innen stehe auf den Zetteln und dem Internet. Zettel mit Verschwörungsideologien verteilten die Impfgegner und Corona-Leugner dann während ihrer Demonstration an Passant*innen, die mit Wahrheit, gesicherter Erkenntnis und Wissenschaft rein gar nichts tun haben.

Mitten in der vierten Welle und nach 1,5 Jahren keine Regeln?

Versammlungsfreiheit und das Grundrecht auf Versammlung war gewährt. Nicht gewährt war der Schutz vor Infektionen und der Überlastung des Gesundheitssystems, bedingt durch Regulierungen, die löchrig sind. Was muss in einem Menschen vorgehen, dessen Operation verschoben wird auf die er dringend wartet, wenn er diese Bilder sieht? Warum sind Behörden nicht in der Lage den Infektionsschutz durchzusetzen und klare Regeln aufzustellen, also wenigstens eine Maskenpflicht? Und wer dagegen verstößt kommt nicht mit einem Lächeln eines Polizeibeamten davon, sondern muss ein Bußgeld bezahlen? Die Stadt Köln, seit Tagen nicht in der Lage das Infektionsgeschehen korrekt abzubilden, ist in der Pflicht, für den Wilhelmplatz im Vorfeld einer solchen Versammlung eine Maskenpflicht per Allgemeinverfügung anzuordnen. Und sie muss das kontrollieren. Denn eines wird dort vor Ort klar: Die Corona-Leugner sind – gefangen in ihrer verschwörungsideologischen Miniwelt voller Fehlinterpretationen – wahrscheinlich nicht zu überzeugen. Aber ein konsequentes staatliches Handeln stärkt die, die die Dimension der Pandemie verstanden haben, und persönlich alles dafür tun, dass sie nicht außer Kontrolle gerät. Handelt der Staat hier nicht konsequent, verunsichert er aber genau diese verantwortungsvoll handelnden Bürger*innen und Einwohner*innen sehr zur Freude der Schwurbler, die mit frecher Fratze ihn, den Staat und die Demokratie auslachen.