Das Kölner Dreigstirn 2022 bei ihrer Halbzeitbilanz am 18. Februar 2022. | Foto: Stephan Eppinger

„Die zwei Jahre waren wie eine Achterbahnfahrt“

Köln | Ihre Leistung als Dreigestirn dürfte in die Geschichte des Kölner Karnevals eingehen: Prinz Sven, Bauer Gereon und Jungfrau Gerdemie stehen seit zwei Jahren an der Spitze der Narren in der Domstadt. Und sie haben in den beiden Sessionen den Karneval unter Pandemiebedingungen kennengelernt. „Die zwei Jahre waren wie eine Achterbahnfahrt, auf die man sich zunächst sehr freut. Dann kommen plötzlich Loopings, mit denen keiner gerechnet hat“, so beschreibt Björn Braun als Jungfrau Gerdemie seine Erfahrungen. Nicht einfach sei es gewesen, mit den coronabedingten Ausfällen umzugehen: „Wir sind zu einem echten Team zusammengewachsen, da fällt es schwer, insgesamt zweieinhalb Wochen nur zu zweit unterwegs zu sein. Zu dritt macht es deutlich mehr Spaß.“

Positiv in Erinnerung bleibt Braun die Ahrtour des Dreigestirns: „Nach der Flutkatastrophe im Sommer waren viele Altstädter vor Ort und haben mit angepackt. Bei der Tour jetzt haben wir gesehen, was in den vergangenen sechs Monaten passiert ist. Wir waren beeindruckt, was die ehrenamtlichen Helfer alles geschafft haben. Auch die Solidarität der Karnevalshochburgen für die Karnevalisten im Ahrtal war sehr hoch. Da gab es viele Spenden, aber auch Hilfe direkt vor Ort. Das zeigt, dass der Karneval weit mehr ist, als nur zu feiern. Hier wird die soziale Kraft des Karnevals deutlich. Mich beeindruckt auch, was hier in Köln die ehrenamtlichen Karnevalisten in den Gesellschaften geleistet haben, um die Fahne des Brauchtums hochzuhalten. Da wurden auch viele neue Formate aus dem Boden gestampft. Und jetzt geht es endlich wieder aufwärts“, sagt Braun, der sich besonders auf seinen Auftritt als Jungfrau an Weiberfastnacht auf dem Alter Markt, dem „Wohnzimmer“ seines Traditionskorps freut.

Auch Prinz Sven Oleff sieht in dieser Session viele positive Aspekte: „Das Ganze hat eine sehr positive Entwicklung genommen. Wir hätten im Dezember nie gedacht, dass noch so viel stattfinden kann. Dem Karneval tut aber gut, dass er bei den kleineren, traditionelleren Formaten zunehmend entschleunigt wird. Uns wird als Dreigestirn eine große Wertschätzung entgegengebracht. Wenn wir kommen, strahlen alle Augen. Und es ist still in den Sälen, man hört uns wirklich zu. Toll ist auch, wie die Gesellschaften zusammenhalten. Das sieht man auch an der Arena, die jetzt zum Straßenkarneval auf dem Alter Markt entstehen wird. Das ist etwas, das wir uns für die Zukunft bewahren sollten“, sagt der Prinz, bei seiner Bilanz in der Hofburg, dem Dorint-Hotel am Heumarkt.

Die zwei Jahre seien eine lange Wegstrecke gewesen. „Dass wir in der Session Familie, Job und Dreigestirn vereinen mussten, hat sehr an unseren Kräften gezehrt.“ Anders als die Dreigestirne zuvor, waren die Tollitäten der Altstädter unter der Woche meist zu Hause oder im Büro und haben sich die jecke Zeit nicht komplett freigenommen. Erst jetzt können sie sich auf der Zielgeraden voll aufs jecke Treiben fokussieren. „Ein Tiefpunkt war für mich der 10. November 2021, als ich positiv auf Corona getestet worden bin. Danach habe ich zwei Wochen gebraucht, um mental wieder auf die Beine zu kommen. Gesundheitlich ging es mir gut, da hatte ich nur einen Schnupfen.“ Für alle drei war vor allem die Situation zum Jahresende schwierig, als alle Veranstaltungen wegen der hohen Infektionszahlen abgesagt worden sind.

Normalerweise haben die drei in der Session etwa 420 Termine. Jetzt waren es 280. „Und täglich kommen neue Auftritte dazu, da muss man schon sehr flexibel sein. Viel passiert auch auf Zuruf. Jeden Morgen bekommen wir eine Mail mit den Updates für den Tag. Es ist toll, wie kreativ und mutig die Gesellschaften sind, wenn es darum geht, kleine und sichere neue Formate zu finden. Es gibt auch eine große Solidarität. Das sieht man jetzt, wenn es um das neue Rosenmontagsfest geht. Keiner hat in dieser Session Kamelle bestellt und jetzt hilft man sich gegenseitig, um doch noch an Wurfmaterial fürs Stadion zu kommen. Wir freuen uns sehr auf den Rosenmontag. Das Fest ist sicher kein Ersatz für einen Zug, der an den Jecken in den Straßen vorbeizieht. Aber es ist eine Alternative. Im Vorjahr gab es außer dem sehr gelungenen Puppenzug gar nichts. Und den hat man sich von zu Hause auf dem Sofa angeschaut“, sagt Bauer Gereon Glasemacher.

Für ihn wird ein Besuch in der Heliosschule in Erinnerung bleiben: „Da waren wir schon kurz vor der Abfahrt, als ein kleines Mädchen mit Trisomie 21 auf uns zukam und fragte, ob ich mit ihm tanzen kann. Mit Maske und Test war das möglich und wir haben zusammen ein paar Walzerschritte gemacht. In solchen Momenten kann man die Strahlkraft des Ornats spüren.“ Was dem Bauern etwas gefehlt hat, war der Genuss- und Ruhemodus in der Session. „Die dauerhafte Flexibilität hat hier auch ihren Preis. Man muss schon sehr bewusst abschalten, um genießen und zur Ruhe kommen zu können. Aber ab jetzt kommen zwei Wochen voller Genuss, wenn wir in Vollzeit als Dreigestirn unterwegs sind“, freut sich Glasemacher.

Die laufende Session unterscheidet sich für das Dreigestirn deutlich von der vergangenen: „Die jetzige Session ist zu 100 Prozent anders. Wir können wieder zu den Menschen gehen und erleben bei den Sitzungen Rückmeldungen, auch wenn alles etwas ruhiger und ursprünglicher geworden ist. Es ist toll, zu sehen, wie viel Leben in diese Session gekommen ist.“ Was für alle drei Tollitäten feststeht, ist, dass sie nicht in eine weitere, dritte Session gehen werden: „Die vergangenen zwei Jahre haben sehr viel Kraft gekostet. Man muss da auch die monatelange Vorbereitung im Sommer mit einberechnen. Wir wünschen jedem Dreigestirn, das auf uns folgt, dass dieses wieder ganz normal feiern kann“, sagt Prinz Sven.