Vesper: Boykott schadet mehr als er nützt
In einer emotionalen kraftvollen und kontrovers geführten Debatte ging es um die Allianz von Politik, Sport, Wirtschaft und Medien, die ihren Kulminationspunkt immer wieder mit den olympischen Sommerspielen erreichen. Vor allem Vesper, eckte auf dem Podium, aber auch beim Publikum mit seinen Ansichten und diplomatischen Phrasen immer wieder an. Das Tibet-Problem gab es schon 2001 als die Spiele nach Peking vergeben wurden und nicht erst im Frühjahr 2008, so Sportfunktionär Vesper, der Tibet im Auge des medialen Hypes sieht und verortet. Allerdings betonte Vesper auch dass man die Menschenrechtsfragen ansprechen müsse, am Ende der Diskussion war der EX-NRW Bauminister sogar der Auffassung das man das noch vermehrt tun sollte. Vesper sprach sich mehrfach deutlich gegen einen Boykott aus, denn dies hätte  mehr Schaden angerichtet, sowohl in China, als auch in den Beziehungen Chinas zur Welt.

“Wir Athleten sind touristisches Beiwerk“
Kritisch äußerte sich Athletin Duplitzer – der eindeutig die Sympathien des Publikums galten – zum Verhältnis von Athleten, IOC und Sponsoren, letztere bezeichnete sie sogar als „Closed Club“. „Wir Athleten sind touristisches Beiwerk“, formulierte die Sportlerin als sie ein Tag bei den Olympischen Spielen in Sydney schildert, der nicht an den Bedürfnissen der Athleten ausgerichtet war, sondern an den Bedürfnissen der übertragenden TV Gesellschaften. So mussten die Fechter um 4:00 Uhr morgens aufstehen, um 8:00 Uhr die ersten Kämpfe austragen und erst um 21:00 Uhr, ohne Verpflegung war der letzte Wettkampf mit langen Pausen zu Ende. Unangemessen ätzte Vesper: „Dann bleiben Sie doch zu Hause, wenn Ihnen das nicht passt“

Quo vadis Olympia
Duplitzer warf richtigerweise die Frage auf, dass sich das IOC überlegen muss wo es mit der olympischen Idee hin will. Darin unterstützte Vesper die Sportlerin und stellte fest, dass das „IOC kein Verein von reinen Menschenfreunden sei, da gibt es ökonomische Interessen.“ Vesper geht davon aus, dass das IOC einen Ausfall der Olympischen Spiele ökonomisch verkraften würden und dass das IOC keine Vertretung der 2005 teilnehmenden Nationen ist, sondern „ein Club von 115 betagten Herren“. Den Fackellauf kommentierte Sportlerin Duplitzer auf zwei Arten, zum einen machte sie klar „kein Sportler braucht Fackelläufe mit Raketentechnik auf den Mount Everest“.  Aber sie erklärte auch die Emotionalität als sie erlebte wie die Fackel in Sydney an ihr vorbeilief und wie die Menschen darauf reagierten.

Fechterin Duplitzer wird nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen. Ihren Kritikern, die ihr vorwerfen, dass sie schon dreimal dabei war, entgegnet die Fechterin , dass sie noch keine einzige Eröffnungsfeier mitgemacht habe. Sie erinnerte an die emotionale Abschlussfeier in Sydney und wie gerne sie noch an diesen Moment zurückdenke als das gesamte Stadion den Athleten entgegensang „Toll, dass ihr da wart“. Mit Ihrem Entschluss will die Athletin ein Zeichen gegen die Materialschlacht der Eröffnungsfeier setzen.

Propaganda-Versuche von China will man bei ARD und ZDF einordnen
Medienmann Balkausky versprach den Zuhörern, dass ARD und ZDF sich auf die Olympischen Spiele vorbereiten konnten und dies intensiver als bei anderen Veranstaltungen getan haben. Immerhin investieren die öffentlich rechtlichen Anstalten einen dreistelligen Millionenbetrag. Er machte aber auch klar, dass man sich als Berichterstatter sieht und über sportliche Erfolge berichten wird. Einen Boykott, oder einige Minuten schwarzer Bildschirm etwa bei der Eröffnungsfeier zu zeigen hält er nicht für sinnvoll. Etwaiger Propaganda durch die Machthaber in China will man bei ARD und ZDF entgegenstehen, indem man die Veranstaltung für die Zuschauer „einordnen will“. Balkausky gab zu, dass man selbst erst einen Tag vor der Eröffnung wisse, was China plant, am Tag der Probe, versprach aber eine Nachbereitung des Themas und auch eine kritische Prüfung, ob die Olympischen Spiele mehr nach innen oder nach außen gerichtet sind. Die Korrespondenten der ARD und des ZDF berichten, dass sie sich noch nie so frei bewegen konnten wie aktuell. Balkausky hofft, dass die 25.000 akkreditierten Journalisten ein differenziertes Chinabild vermitteln können und das die Zusage Chinas auf freie Arbeitsbedingungen auch eingehalten werden.

Der Mann aus der Politik, Johannes Pflug, MdB [SPD], will den Sport nicht überfordern, sondern sieht Politk und Wirtschaft in der Pflicht über Menschenrechte zu reden. Johannes Pflug stellte auch die Frage was passiert nach der Schlusszeremonie, geht der Dialog dann weiter? Pflug mahnte: „Die Tibetproblematik wird damit nicht einfach zu Ende sein.“ und weiter „Die Politik muss Druck ausüben und die Wirtschaft muss die Verhandlungsposition der Politik unterstützen.“ Pflug machte aber auch deutlich, dass es sich immer um einen Ausgleich handelt, den die Politik suchen muss, zwischen Wertepolitik auf der einen und Interessenpolitik auf der anderen Seite. Pflug kritisierte stark Altkanzler Schröder, den er auch auf mehreren Reisen begleitet hatte: „Schröders Chinapolitik war rein ökonomisch orientiert.“ Pflug hofft, dass die Gespräche zwischen den Gesandten des Dalai Lama und der chinesischen Regierung zielorientiert geführt werden und nicht nur eine Hinhaltetaktik sind.

PR-Desaster Fackellauf
Einigkeit auf dem Podium herrschte darüber, dass der Fackellauf ein PR-Desaster ist, auch wenn die Einordnung unterschiedlich gewertet wurde. Der Fackellauf wurde erstmals zur Olympiade 1936 von den Nationalsozialisten initiiert. Nicht wenigen war unwohl bei der Vorstellung, dass gerade China – dem Land der Todestrafe und wo Oppositionelle in Umerziehungslagern landen – diesen Fackellauf so inszeniert und von Bodyguards schützen lässt. Vesper kommentierte den Fackellauf damit, dass er glaube China habe die Idee missverstanden und den Fackellauf zu einem chinesischen Hoheitszeichen gemacht: „Ich bin froh, dass die Fackel nicht in Deutschland war“, so Vesper. Vesper betonte, das der Fackellauf vom NOK des gastgebenden Landes in Eigenregie organisiert wird. Duplitzer kommentierte den Lauf durch Tibet drastisch „das ist so wie wenn Verwandte zu Besuch kommen, die man aber gar nicht dahaben möchte.“

Die chinesische Perspektive
Zhang Danhong, Redakteurin in der Chinaredaktion der Deutschen Welle, kritisierte die Debatte in der Dellbrücker Friedenskirche als zu behaftet von Vorurteilen. Zudem warf sie dem Westen Unwissenheit vor in Bezug auf China. Die Wirkung der aktuellen Diskussionen gerade auf die chinesische Mittelschicht – die sich dem Westen öffnet – hat nach ihrer Auffassung eine verheerende Wirkung. Denn jetzt wendet sich gerade diese Gruppe vom Westen ab, weil man die Diskussionen des Westens in dem Moment, indem man stolz auf die Leistungen des eigenen Landes ist, nicht versteht. Alle Akteure bat sie, sich mit der Wirkung von Diskussionen und Statements auf die Bevölkerung in China auseinanderzusetzen.

Ganz zum Schluss formulierte Vesper die Ziele des DSOB
Drei Hauptzíele des DOSB benannte Michael Vesper am Ende der Diskussion: 1. Sportlicher Erfolg, 2. Sauberer sportlicher Erfolg, ohne Doping und 3. Würdige Verterter unseres Landes, Diskussion mit den Menschen in China ja, aber dabei dabei keinen mit seiner Kritik vor den Kopf stoßen.

Imke Duplitzer brachte noch ein Beispiel aus Frankreich, das zum Nachdenken anregt. Dort wollten französische Sportler Button tragen mit der Aufschrift „Human Sports – Human Rights“. Dies wurde Ihnen untersagt: Duplitzer: „Das ist doch kein Free-Tibet-Bändchen – das zeichnet unsere Gesellschaft aus.“ Auch der Kölner amnesty international Vertreter brachte es mit am Besten auf den Punkt, denkt man an Todestrafe und Umerziehungslager. Die Menschenrechte sollten nicht generalistiert angesprochen werden, sondern die Themen müssen klar benannt werden und forderte vor allem Politik und Funktionäre auf: „Stellt mehr Lichter die das Thema Menschenrechte beleuchten auf, damit man besser sieht.“

Die Diskussion und das Thema hätten eigentlich mehr Zuhörer und eine größere Plattform verdient, aber vielleicht ist es gerade der etwas abgeschiedene Ort in Köln Dellbrück/Holweide der so intensive Diskussion ermöglicht.

Mehr Infos zum Dellbrücker Forum gibt es auch im Netz >
www.dellbrucker –forum.de >>>

Kommentar der Redaktion: Das Bild ist bezeichnend, da sitzen drei gesellschaftliche Vertreter eng zusammen, der Politiker, der Medienmanager und der Sportfunktionär und etwas abgerückt die Athletin. Für alle Vier wäre ein Olympiaboykott oder eine Absage eine Katastrophe. Schon alleine deshalb wird es diese nicht geben, sie ist auch politisch, wirtschaftlich und medial nicht gewünscht. Auf die Frage ans Publikum, fordern gerade mal zwei Menschen den Boykott. Zu weit fortgeschritten ist die Maschine Olympia, zu viel investiert.

Olympia hat nichts mehr mit Amateuren und Idealen zu tun. Es ist eine Illusion, dass wissen wir alle schon lange, aber jetzt wird es noch einmal deutlicher klar. Dennoch hält eine das Fähnlein hoch, hat Ideale, es ist die Athletin Duplitzer. Sie ist das schlechte Gewissen emotional und unbequem und muss sich prompt vom obersten Funktionär neben ihr sitzend öffentlich in Gutsherrenmanier anschnauzen lassen, anstatt dass er sie unterstützt.

Denn die Diskussion um China, Menschenrechte, Kommerz und Pressefreiheit beschränkt sich nicht nur auf das größte Land Asiens. Auch hier im Westen ist nicht alles in Butter. Der Sport ist ein Wirtschaftsgut erster Klasse und wird entsprechend vermarktet, das weiß jeder der sich einmal die Akkreditierungsunterlagen des DFB durchgelesen hat. Von Pressefreiheit auch in der BRD sind wir auch da weit entfernt, die lukrativen Pründe aufgeteilt, Du Bundesliga, ich Formel 1. Und davon können sich auch die öffentlich rechtlichen Sender nicht freimachen. Ob Sportjournalisten jetzt die großen politischen Aufklärer sein werden, das sei dahingestellt. 

Man muss jetzt auf eines Hoffen, dass man den Sport objektiv bewertet, dass man auch und gerade bei ARD und ZDF transparent umgeht mit den Realitäten. Das man die Öffentlichkeit transparent informiert, wer die Bilder aus dem Stadion liefert, von wem man welche Signale abgreift und was selbst produziert ist. Den Sportfunktionären und Politrentnern wie Michael Vesper muss man ins Stammbuch schreiben, kümmert Euch um die Belange der Athleten, stellt sie und ihre Leistungen in den Vordergrund und seid alle ein wenig, weniger gieriger und satter.

Klar wurde aber auch, dass wir viel zu wenig wissen über China, die Befindlichkeit seiner Menschen und das statt ausschließlicher Empörung über die Zustände, jetzt intensiver Dialog mit denen stattfinden muss, die vitale Interessen haben die Dinge in China zu verändern, das letztlich zu einem demokratischen System führt. Ob man allerdings diesen Dialog Sportfunktionären, Wirtschaftsbossen, Medienmanagern und Regierungsdelagationen alleine überlassen sollte ist fraglich. Die Hoffnung ruht eher auf den Dialogen der Athleten, Gäste und auch Journalisten und das sie diese weitertragen, weiter erzählen, mit oder ohne Button. In diesem Sinne wäre ein Boykott das Schlechteste was man tun kann.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung