Köln | Deutschland hat einen Hang dazu, sich über Papier lustig zu machen oder es zu hamstern. Klopapier und Corona, jetzt Papier für die Wahlzettel und Druck, möglichst schnell neu zu wählen. Wer mahnt wird öffentlich heruntergeputzt, egal auf Social Media oder im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
Politisch sind baldige Neuwahlen zu begrüßen
Das Ding mit dem Neuwahltermin hat zwei Seiten einer Medaille. Auf der politischen Seite sind baldige Neuwahlen einer Hängepartie vorzuziehen. Keine Frage. Auch wenn dahinter politisches Kalkül der Union stecken sollte, ihre guten Umfragewerte möglichst schnell ins Trockene zu bringen. Aber Wahlkampf ist Wahlkampf und da kann sich noch viel verändern. Aber auch politisch gibt es eine weitere Dimension. Die großen Parteien sind entsprechend gut gerüstet, finanziell ausgestattet und können einen Wahlkampf schneller wuppen als die vielen kleineren Parteien.
Die Verwaltungsabläufe
Die zweite Seite der Medaille sind die Verwaltungsabläufe, die zudem rechtlich geregelt sind. Und hier wird es komplizierter. Da ruft eine Moderatorin eines öffentlich-rechtlichen Senders dazu auf in den Keller zu gehen und Papier zu spenden, damit die Wahlen gelingen können oder verweist auf Papierspenden aus Polen. Das mag alles witzig gemeint sein, lustig ist es nicht. Und man darf gespannt sein, was die Redner:innen auf den Karnevalsbühnen alle dazu labern werden.
Es geht dabei aber um mehr. Es geht um die Demokratie. Wie leicht es ist mit Propaganda Wahlen zu diskreditieren, ein Blick über den großen Teich genügt. Es geht um Vertrauen und um Abläufe bei Wahlen und die sind komplex.
Es sei an die vielen Wahlpannen, nein nicht nur in Berlin, sondern auch in Köln erinnert. Da wurde falsch gezählt, die Kölner CDU ließ nachzählen, da wurden Wahlzettel neu gedruckt, wegen falscher Typografie und so weiter. Und Berlin…
Die Abläufe müssen organisiert werden. Bevor gedruckt werden kann, müssen die Parteien ihre Bewerber:innen benannt haben. Die Listen und alle Bewerber:innen müssen von einem Wahlausschuss bestätigt werden. Bewerber:innen brauchen die Zeit um Unterschriften zu sammeln. Nach der Entscheidung der Wahlausschüsse müssen die Stimmzettel gedruckt werden. Immer mehr Menschen machen Briefwahl und wollen sicher nicht auf dies Annehmlichkeit verzichten. Alleine die Stadt Köln benötigt Messehallen für die Auszählung der Briefwahlen.
NRW-Landeswahlleiterin warnt vor Fehleranfälligkeit durch Zeitdruck
Nordrhein-Westfalens Landeswahlleiterin Monika Wißmann warnt davor, dass aufgrund eines zu starken Zeitdrucks Fehler bei der Bundestagswahl unterlaufen könnten.
„Vorgezogene Bundestagswahlen stellen alle Ebenen der Wahlorganisation vor besondere Herausforderungen“, sagte Wißmann der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Sie stehe im Austausch mit der Bundeswahlleiterin und den Kreiswahlleitern, um eine ordnungsgemäße Durchführung der vorgezogenen Bundestagswahl auch bei stark verkürzten Fristen sicherzustellen.
Bestimmte Prozesse benötigen laut Wißmann ein Mindestmaß an zeitlichem Vorlauf. So müssten für den Stimmzetteldruck und die Auslieferung etwa 14 Tage kalkuliert werden. Die Parteien bräuchten vorher genug Zeit, um ihre Bewerber für die Wahl aufzustellen, je nach Satzung müssten zuvor noch Mitgliederversammlungen zur Wahl von Delegierten durchgeführt werden. Kleinere Parteien müssten zudem noch Unterstützungsunterschriften sammeln, bevor sie ihre Zulassung zur Wahl beantragen können.
„Dazu kommen die notwendigen Sitzungen der Kreis- und Landeswahlausschüsse sowie des Bundeswahlausschusses und die für Beschwerden gegen Beschlüsse dieser Gremien einzuhaltenden Mindestfristen.“ Die von der Bundeswahlleiterin genannten 60 Tage, die das Grundgesetz nach der Auflösung des Bundestags bis zu einem Neuwahltermin vorsieht, stellten daher „einen Anhaltspunkt für den erforderlichen zeitlichen Vorlauf dar“, so Wißmann.
Zeitlicher Druck in der Wahlvorbereitung steigere naturgemäß die Schwierigkeiten bei der Organisation und erhöhe die Fehleranfälligkeit, warnte sie. „Allen Beteiligten ist klar, dass eine vorgezogene Bundestagswahl eine erhöhte Sorgfalt erfordert. Die Kommunen in NRW sind leistungsstark und sich der herausfordernden Terminlage bewusst.“ Alle Akteure in NRW bereiteten sich derzeit auf alle denkbaren Wahltermine für die vorgezogene Bundestagswahl vor.
Größte Stimmzetteldruckerei hält Neuwahlen im Januar für riskant
Der Geschäftsführer von Deutschlands größter Stimmzetteldruckerei hält einen Neuwahltermin im Januar für riskant. „Zwei bis drei Wochen mehr sollte man sich in jedem Fall Zeit nehmen“, sagte Bastian Beeck von der „Köllen Druck und Verlag“ dem „Stern“.
„Mit ganz viel Biegen und Brechen bekämen wir das zwar hin“, sagte Beeck. Papier sei längst reserviert, das sei nicht das Problem. Aber durch die kurzen Fristen würde die Fehleranfälligkeit der Wahl erheblich steigen.
Das Unternehmen „Köllen Druck und Verlag“ beliefert einen Großteil der 11.000 deutschen Kommunen mit Stimmzetteln. In jedem Wahljahr werden in der Druckerei in Bonn Millionen Stimmzettel gedruckt und geliefert.
Immer wieder würden dabei Fehler passieren, so Beeck. Das sei normal. Aber diesmal würde keine Zeit für Korrekturen bleiben. Besonders die Briefwahl sieht Beeck bedroht: „Das Zeitfenster dafür würde bei einem derart frühen Wahltermin besonders kurz ausfallen“, sagte der Unternehmer.
Er rechnet mir nur etwa einer Woche, in der die Bürger ihr Kreuz per Post setzen könnten, nachdem sie die Unterlagen erhalten haben. Schneller gehe es nicht. Denn bis Weihnachten passiere sowieso nichts mehr. „Es gibt keine Anlieferung zwischen Weihnachten und Neujahr“, sagte Beeck. Die Logistikspeditionen würden in diesen Tagen nicht zur Verfügung stehen. Das liegt an Urlauben und Heimreisen, denn viele Fahrer kommen nicht aus Deutschland.
Auch ein später Wahltermin Anfang März hätte seine Tücken besonders für Köln
Wer Neuwahlen Anfang März fordert, gerät in Terminkonflikt mit den Festivitäten im Rheinland und Rest des Landes. Am 3. März 2025 ist Rosenmontag. Da kann im Rheinland nicht am 2. März 2025 gewählt werden, also am Karnevalssonntag.
Ein Kompromiss dürfte in der Mitte liegen, zwischen denen, die ganz früh wählen wollen und denen, die mit ausreichend Vorbereitungszeit demokratische Wahlen bevorzugen. Das könnten die Sonntag im Februar 9. 16. oder 23. Februar 2025 sein.
Ramelow warnt vor überstürzter Neuwahl im Bund
Thüringens geschäftsführender Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) drängt die Parteien in Berlin zu einer raschen Klärung des Neuwahl-Prozederes und übt in diesem Zusammenhang Kritik an „parteitaktischen Spielchen“. „Wir brauchen schnell eine verlässliche Auskunft darüber, wie es gelingt, Neuwahlen so zu organisieren, dass diese nicht anfechtbar sind. Statt das in den Vordergrund zu stellen, erlebe ich bei CDU, SPD, FDP und Grünen in Berlin vor allem parteitaktische Spielchen“, sagte der Linken-Politiker dem „Spiegel“.
Er erwarte, dass der Wahlausschuss im Bundestag in dieser Woche kläre, wie das Wahlrecht unfallfrei umzusetzen sei. „Hektik erhöht gemeinhin das Klagerisiko“, sagte Ramelow weiter. „Ich bin für zügige Neuwahlen, aber mit dem nötigen Respekt vor Gesetzen, und diesen Respekt vermisse ich derzeit.“
Er halte es für fahrlässig, „der Bevölkerung zu suggerieren, Neuwahlen seien im Grunde Popelkram und mal eben über Weihnachten und Neujahr umzusetzen“. Es gehe dabei auch um kleine Parteien, die Unterschriften sammeln müssten, um überhaupt antreten zu können. Für die Aufstellung von Kandidaten „gibt es in jeder Partei Regeln und Fristen“, argumentierte er.
Thüringens Noch-Ministerpräsident wies auf mögliche Konsequenzen einer überstürzten Neuwahl hin. „Ich warne davor, dass wir am Ende nur aus parteitaktischen Erwägungen heraus einen Wahltermin bekommen, und das dann ähnlich chaotisch läuft wie die letzte Bundestagswahl im Land Berlin.“ Das hätte dramatische Folgen für die Stimmung in unserem Land.
Das sagte die Bundeswahlleiterin heute
Mit Material der dts nachrichtenagentur