Berlin/Wien | Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sieht laut eines Zeitungsberichts offenbar erhebliche Risiken in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Österreich. Die „Welt am Sonntag“ schreibt, Haldenwang habe sich in dieser Woche entsprechend im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Deutschen Bundestages geäußert. Laut des Berichts sprach Haldenwang den österreichischen Behörden zum wiederholten Male sein Misstrauen aus.
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Hintergrund ist die Annahme, dass Österreich geheime Informationen, die es von eigentlichen Partnerländern wie Deutschland erhält, missbräuchlich verwenden und womöglich an Russland weiterleiten könnte. Das BfV wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Bei einer umstrittenen Razzia im vergangenen Jahr im österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) waren unter anderem hochsensible Datenträger beschlagnahmt worden.

Es ging dabei zum Beispiel um Informationen über Rechtsextremisten. Besondere Bedeutung für ausländische Nachrichtendienste wie den deutschen Verfassungsschutz hat aber die Kopie eines Ausschnitts der Datenbank „Netzwerk Neptun“, die nach Informationen der „Welt am Sonntag“ auch konfisziert wurde. Dabei handelt es sich um geheime Daten, die zwischen Österreich und anderen europäischen Behörden in den Jahren zuvor ausgetauscht worden waren.

Als Konsequenz spielt Österreich zum Beispiel in der Counter Terrorism Group (CTG) des Berner Clubs, einem informellen Zusammenschluss europäischer Nachrichtendienste, nur noch eine Außenseiterrolle: Österreich gehört nicht mehr zum offiziellen Verteiler, auf dem Informationen ausgetauscht werden. Eine Einbindung Österreichs wird mittlerweile immer geprüft. Das deutsche Bundesinnenministerium reagierte auf offizielle Anfrage dazu zurückhaltend.

Im April teilte es mit, man arbeite mit dem BVT „im Rahmen des gesetzlichen Auftrages zusammen“. Ein Untersuchungsausschuss in Österreich hat mittlerweile deutlich gemacht, dass maßgeblich der österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hinter den Durchsuchungen im BVT stand. Vertreter der Partei des Innenministers unterhalten wiederum enge Kontakte nach Russland. Die europäischen Dienste fürchten, dass ihre geheimen Informationen dort bereits gelandet sind. Ein heimlich gefilmtes Video, in dem Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache offenbar Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellt, setzt die Regierung in Wien schwer unter Druck. Der FPÖ-Chef soll Berichten von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ zufolge vor der Parlamentswahl 2017 der Verwandten eines russischen Oligarchen Staatsaufträge im Gegenzug für Wahlkampfhilfe versprochen haben. Das Video zeigt den Chef der rechtspopulistischen FPÖ im Gespräch mit einer Frau, die ihm als Nichte eines russischen Oligarchen vorgestellt worden sein soll. Die oppositionelle SPÖ sprach am Freitag vom „größten Skandal“ in der jüngeren Geschichte des Landes. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will nach Informationen vom Samstag die Zusammenarbeit mit Strache beenden.

Autor: dts