Köln | Um kurz nach 9.30 Uhr heute Morgen, 14. November 2024, eröffnete Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Ratssitzung zur Einbringung des Doppelhaushaltes 2025/2026. Reker und die Kämmerin Dörte Diemert begleiteten die Einbringung des Haushaltsplanentwurfs mit Grundsatzreden. Diese wurden begleitet von lautstarken Protesten auf dem Theo Burauen Platz, der bis ihm Ratssaal und Livestream zu hören war.
Reker und Diemert malten düstere Bilder zur finanziellen Situation in der Stadt und das nicht nur in den beiden Jahren 2025 und 2026 für die der Doppelhaushalt vor allem konzipiert ist, sondern bis zum Ende des Jahrzehnts. Köln steckt in einer massiven Finanzkrise und beide, Reker und Diemert fanden drastische und mahnende Worte.
Reker, die Verwaltungsjuristin ist, sprach in Richtung Land NRW und Bund deutliche Worte und warf Land und Bund vor das Subsidaritätsprinzip zu verletzen und die kommunale Selbstverwaltung auszuhöhlen, weil dort Gesetze beschlossen würden, die zu Lasten der kommunalen Finanzen gingen und die Bund und Land nicht ausglichen. Wenn die Lobbyverbände wie der Städtetag dies ansprächen, stießen sie auf taube Ohren bei den Bundes- und Landespolitiker:innen. Reker erwartet Widerspruch aus der Stadtgesellschaft, vor allem zu den Kürzungen.
Diemert wurde konkreter und sprach von einer großen Finanzkrise der Stadt Köln. Sie erinnerte daran, dass sie schon vor zwei Jahren bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2023/2024 den Rat gemahnt habe, dass die Stadt mit ihrem Haushalt „hart am Wind segle“. Jetzt sei die Stadt mit ihrer Finanzkrise mitten drin im Sturm und dieser habe das Stadtsäckel eingeholt. Drastisch schilderte die Kämmerin was eine Überschuldung für die Stadt bedeuten würde: alles gehörte den Gläubigern. Die finanziellen Mittel reichten aktuell hinten und vorne nicht, so Diemert.
Heute liegt der Etat der Stadt Köln über dem des Bundeslandes Saarland. Diemert mahnte die Ratspolitik, dass die Genehmigungsfähigkeit des jetzt vorgeschlagenen Entwurfs kein Selbstläufer sei, sondern manche Konstruktion nur funktioniere, weil der globale Minderaufwand und ein Verlustvortrag eingerechnet seien. Das bedeute aber, dass diese Positionen in Zukunft ausgeglichen werden müssten. Der Haushalt weise tiefrote Zahlen aus und es sei das Gebot der Stunde hier gegenzusteuern. Dennoch zeige der vorgelegte Haushalt starke Akzentsetzung.
Dies ist eine kurze Zusammenfassung. Bei report-K können Sie die Grundsatzreden von OB Henriette Reker und Kämmerin Dörte Diemert im Wortlaut lesen. Die schriftliche Fassung der Reden stellte die Stadt Köln zur Verfügung.
Die Reden im Wortlaut
Rede von Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Einbringung des Doppelhaushalts 2025/26
„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Kölnerinnen und Kölner – hier vor Ort und im Live-Stream,
ich bringe heute den Haushaltsplanentwurf der Stadtverwaltung für die Jahre 2025 und 2026 ein. Mit einem Volumen von 6,5 Milliarden Euro im kommenden und 6,7 Milliarden Euro im darauffolgenden Jahr erreicht er neue Rekordwerte. Die Verwaltung hat also einen weiterhin aufwachsenden Haushalt aufgestellt. Er ist aber ein Haushalt, und das möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede klarstellen, wie es ihn in den letzten zehn Jahren in Köln nicht gegeben hat.
Die schlechte konjunkturelle Lage bestimmt derzeit die Schlagzeilen. Die Folgen einer stagnierenden Wirtschaft zeigen sich meist mit etwas zeitlicher Verzögerung. Ausbleibendes wirtschaftliches Wachstum hat enorme Folgen für die öffentlichen Haushalte. Das betrifft, wie wir ja nun alle sehr genau wissen, den Bundeshaushalt genauso wie den Landeshaushalt und die Haushalte der Kommunen.
Die Kommunen aber sind diejenigen, die es doppelt trifft. Erstens: unsere Einnahmesituation haben wir nur sehr eingeschränkt in der Hand. Eine der wichtigsten Einnahmequellen, die Gewerbesteuer, ist eine der volatilsten Steuern überhaupt. Die konjunkturelle Lage schlägt so voll auf die kommunalen Haushalte durch. Jeder Appell des Deutschen Städtetages, von Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern zur Reform der kommunalen Finanzen ist bei Bund und Land bisher auf taube Ohren gestoßen.
Zweitens: Bund und Land treffen regelmäßig Entscheidungen, die wir als Kommune nicht beeinflussen können, die unsere Aufwandsseite aber teils massiv beeinflussen. Alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen erleben Kostenexplosionen, etwa bei den Hilfen zur Erziehung oder durch erhöhte Regelsätze für SGB II und SGB XII-Empfänger. Bund und Land verletzen in aller Regelmäßigkeit das Subsidiaritätsprinzip.
Man kann zu sozialpolitischen Maßnahmen stehen, wie man will, aber als kommunale Vertreterinnen und Vertreter wird uns die Sicht einen, dass Kommunen zur Finanzierung neuer Aufgaben und höherer Standards einen Ausgleich brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Nicht-Einhaltung von Subsidiaritätsregeln ist in Wahrheit eine schleichende Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung.
Nicht zuletzt wird der städtische Haushalt durch die direkten und indirekten Folgen der Inflation zusätzlich belastet. Bitte verstehen Sie mich richtig: Der öffentliche Dienst wird dem Fachkräftemangel nur dann begegnen können, wenn unsere Löhne und Gehälter auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig sind. Aber klar ist auch: Tarifabschlüsse wie der vom April 2023, die je nach Entgeltgruppe bis zu 16 Prozent Lohnsteigerung bedeuten, haben Auswirkungen auf unseren Haushalt. Bei einem Personalaufwand von rund 1,3 Milliarden Euro führt jeder Prozentpunkt Tarifsteigerung zu einer Mehrbelastung von mehr als zehn Millionen Euro. Die Mittel müssen wir entweder an anderer Stelle einsparen oder, mit unseren begrenzten Möglichkeiten, neu erheben.
Die aktuelle Situation führt dazu, dass in Nordrhein-Westfalen vier von zehn Kommunen ein Abrutschen in die Haushaltssicherung droht.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich will mich nicht darüber beklagen, was von uns nicht zu ändern ist. In dieser ernsten Lage kann es nur ein Ziel geben: Nämlich die Sicherstellung der Hoheit der Kölnerinnen und Kölner über ihre eigenen Finanzen und damit über den Weg, den ihre Stadt in Zeiten multipler Krisen und Herausforderungen nimmt. Eine Millionenmetropole wie Köln kann sich es sich nicht leisten, in die sogenannte Haushaltssicherung zu rutschen. Ich bin eine überzeugte Verfechterin der kommunalen Selbstverwaltung. Köln hat eine lange demokratische Tradition der Eigenständigkeit. Die Vorstellung, dass zentrale Entscheidungen über die Zukunft unserer Stadt von Beamtinnen und Beamten der Kommunalaufsicht statt von den gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Kölnerinnen und Kölner getroffen werden, ist keine, für die sich irgendjemand in diesem Saal ernsthaft wird einsetzen wollen.
Das kann also nur bedeuten: Entweder übernehmen wir Verantwortung und treffen im Rahmen der vor uns liegenden Haushaltsberatungen schwierige Entscheidungen – oder andere tun es für uns. Dann aber unter den eigenen Voraussetzungen und mit deren eigenen Prioritäten. Und vor allem: Ohne sich dafür vor den Kölnerinnen und Kölnern politisch verantworten zu müssen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Haushaltsplan ist das Ergebnis eines intensiven Haushaltsaufstellungsprozesses, in dem die Verwaltung zugunsten einer intensivierten Konsolidierungsdiskussion anders als in den vorangegangenen Jahren den Zeitpunkt der Einbringung verschieben musste. Es war richtig, dass wir uns dafür Zeit genommen haben.
Beim vorliegenden Haushaltsentwurf handelt es sich – und mir ist es wichtig, das zu betonen – um ein Gemeinschaftswerk des Verwaltungsvorstands. Die Konsolidierungen betreffen alle Bereiche der Stadtverwaltung. Die Summe der eingeplanten Konsolidierungen beläuft sich auf insgesamt 93,5 Millionen Euro im Jahr 2025 und 97,8 Millionen Euro im Jahr 2026.
Mir ist die Feststellung wichtig, dass die Verwaltung natürlich auch bei sich selbst spart. Alle Dezernate haben Konsolidierungsbeiträge eingebracht, die für die Kolleginnen und Kollegen schmerzhaft sind. Das bedeutet im Klartext etwa, dass viele freiwerdende Stellen nicht unmittelbar nachbesetzt werden können. Gleichzeitig spüre ich bei Gesprächen mit Mitarbeitenden immer wieder das Bewusstsein für die zumindest temporäre Notwendigkeit interner Konsolidierungsbeiträge. Den Mitarbeitenden der Stadt Köln ist die Lage bewusst. Sie leisten ihren Beitrag.
Natürlich aber müssen wir zusätzlich schmerzhafte Einsparungen oder Belastungen vorschlagen, die viele Kölnerinnen und Kölner vor Herausforderungen stellen werden. Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen heute nicht auflisten werde, bei welchen konkreten Leistungen wir sparen. Das ist alles im Haushalt nachzulesen. Ich möchte Ihnen stattdessen exemplarisch nennen, wo wir mit allergrößter Mühe nicht sparen.
Denn auch das unterscheidet den Haushalt 2025/26 von den Haushalten der Vergangenheit, die unter erheblichem Druck standen:
Nie wieder dürfen wir es nämlich zulassen, dass unsere Schulen durchweg so marode werden, wie sie es vor zehn Jahren waren. Der Respekt vor der Zukunft unserer Stadt gebietet es, dass wir alles dafür tun, um Kölner Kindern die besten Rahmenbedingungen zu bieten, um später aus eigener Leistung und im Interesse Kölns im Leben voranzukommen. Köln investiert deshalb weiter stark in Bildung und Schulen. Für 2025 plane ich daher, die Schaubauinvestitionen im Vergleich zu 2024 um ein gutes Drittel zu steigern und insgesamt 445 Millionen Euro in moderne Schulen zu investieren.
Das gleiche gilt für die Digitalisierung. Wir haben stark aufgeholt. Im sogenannten „Smart City Index“ des Branchenverbands BITKOM belegt Köln aktuell den bundesweit ersten Platz in der Kategorie „Digitale Verwaltung“. Es gibt aber noch viel zu tun. Daher setzen sich städtische Mitarbeitende täglich dafür ein, Köln bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen weiter voranzubringen.
Bildung und Digitalisierung: Das sind die Herausforderungen der Zukunft, deren erfolgreiche Beantwortung maßgeblich vom Beitrag der Stadt abhängt. Aber auch hier gilt: Nur die Sicherstellung der finanziellen Eigenständigkeit erlaubt uns diese Prioritätensetzung.
Köln wird aber nicht deswegen zur unsozialen Stadt, oder geringschätzt die Kultur, weil es in diesen Bereichen Konsolidierungsbeiträge gibt. Das Wesen einer Stadt hängt nicht in allen Bereichen des Lebens allein von einzelnen städtischen Haushaltsposten ab.
Für den Zustand unserer Schulen aber gibt es keine zweite und dritte verantwortliche Ebene. Im Unterschied zu anderen Bereichen des städtischen Lebens sind wir für unsere Schulen direkt verantwortlich. Ihr Zustand ist also auch eine Anzeige dafür, was uns die Zukunft unserer Kinder wert ist. Und natürlich führen die unsere hohen Standards und die neuen Schulen, die wir gemeinsam gebaut haben, auch dazu, dass Erhaltungs- und Betriebskosten erheblich steigen.
Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich betrachten wir auch die Einnahmesituation, zumindest im Rahmen dessen, was der Gesetzgeber uns zubilligt. Es ist eine gute Nachricht für die Kölnerinnen und Kölner, dass wir den Grundsteuerhebesatz unverändert lassen. Eine Erhöhung der Sätze hätte den Konsolidierungsdruck sicher etwas gemildert. Gleichzeitig ist klar, dass durch den Effekt der Grundsteuerreform auch bei unverändertem Hebesatz nicht mit Aufkommensneutralität zu rechnen ist, sondern dass die Neubewertung zahlreicher Liegenschaften zu absehbar höheren städtischen Einnahmen führen werden. Auch dieser Schritt belastet viele Kölnerinnen und Kölner, die ihrerseits unter der konjunkturellen Lage leiden. Die Einführung eines differenzierten Hebesatzes halte ich, das am Rande, für nicht ausreichend rechtssicher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lage wird sich dann grundlegend bessern, wenn sich die Wirtschaft flächendeckend erholt oder wenn Bund und Land ein Einsehen haben und die Finanzierung der kommunalen Haushalte reformieren. Beides liegt nicht in unserer Hand.
Sollte nicht mindestens eins von beiden eintreten, wird dieser Haushalt lediglich der erste einer Reihe von schwierigen Haushaltsaufstellungen sein. Noch können wir unsere eigenen Prioritäten setzen, wenngleich wir sie an vielen Stellen komprimieren müssen. Was wir also brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Mut zur Priorisierung.
Vor Ihnen liegt der Haushaltsentwurf der Verwaltung. Es ist das Königsrecht des Rates, diesen Entwurf so zu verändern, wie Sie es für richtig erachten. Vor dem Hintergrund der Bewahrung der finanziellen Handlungsfähigkeit unserer Stadt aber erwarte ich, dass Änderungswünschen konstruktive Vorschläge zur Gegenfinanzierung zu Grunde liegen.
In den nächsten Wochen werden noch dicke Bretter zu bohren sein. Der vorliegende Entwurf wird Widerspruch aus Teilen der Stadtgesellschaft erfahren. Auch das gehört zur Demokratie. Wer es aber mit den Kölnerinnen und Kölnern ernst meint, der oder die enthält ihnen die Schwierigkeiten, denen wir als Kommune begegnen, nicht vor. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, Prioritäten zu setzen und sie dann zu erklären.
Aufrichtigkeit mit den Kölnerinnen und Kölnern: Das ist zumindest mein Erfolgsrezept als Oberbürgermeisterin, in guten, wie in schwierigen Zeiten.“
Die Rede von Stadtkämmerin Dörte Diemert im Wortlaut
Rede von Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert zur Einbringung des Doppelhaushalts 2025/26
„Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Mitglieder des Rats,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,
liebe Gäste auf der Tribüne und im Livestream,
Haushalt – das klingt nach Zahlen und Fachbegriffen, aber Haushalt ist mehr: Ein Haushalt ermöglicht. Er finanziert pflichtige und freiwillige Aufgaben. Er bedeutet Planung und Vorausschau. Klarheit über den weiteren Weg. Und Vertrauen in die Zukunft.
Das gilt auf allen Ebenen des Staates, aber erst recht hier vor Ort. Denn Städte sind Heimat, hier vor Ort wird Demokratie erlebbar. Unser aller Auftrag ist es, dem gerecht zu werden. Zu handeln, wenn es notwendig ist. Und dann das Notwendige zu tun.
Dafür braucht es
- eine ehrliche Bestandsaufnahme
- mutige Entscheidungen
- und einen klaren Blick in Zukunft.
Ich möchte Sie daher anhand von drei Leitfragen in die Zahlen des Haushalts mitnehmen:
- Wo stehen wir?
- Welche Entscheidungen treffen wir mit diesem Haushalt? Oder auch: Was können wir gestalten – und was nicht? Und welche Schwerpunkte setzen wir?
- Und ganz zentral: Wie stellen wir sicher, dass auch morgen noch der Rat die Finanzpolitik dieser Stadt steuert? Mit anderen Worten: Wie sichern wir unsere Handlungsfähigkeit?
- Wo stehen wir heute?
Ich befasse mich – in unterschiedlichsten Funktionen – schon seit fast einem Vierteljahrhundert mit kommunalen Finanzen. Und es gab immer auch Herausforderungen. Die jüngsten Krisen – durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg – haben wir hier in Köln gut gemeistert. Wir alle hätten uns nun wohl ruhigere Zeiten gewünscht. Dieser Wunsch erfüllt sich nicht. Die nüchterne Bestandsaufnahme zeigt: Die Finanz- und Haushaltslage unserer Stadt ist höchst kritisch.
Vor zwei Jahren haben die kommunalen Spitzenverbände gemutmaßt, dass wir vor der größten Finanzkrise der Städte- und Gemeinden seit Bestehen der Bundesrepublik stehen könnten. Vor zwei Jahren habe ich gewarnt, dass wir „hart am Wind segeln“ und sich die Bedingungen jederzeit verschlechtern können. Heute müssen wir feststellen: Wir sind mitten drin in der Krise. Der Sturm hat uns eingeholt.
Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden in NRW hat sich dramatisch verschlechtert: Fast sämtliche NRW-Städte und Gemeinden bewerten die Aussichten bis 2028 als schlecht oder sehr schlecht. Kaum eine Stadt wird in den nächsten fünf Jahren einen ausgeglichenen Haushalt schaffen. Schon jetzt befindet sich mehr als jede zehnte Kommune im Haushaltssicherungskonzept oder im Nothaushalt. Die Kommunen fahren auf Verschleiß, Rücklagen schmelzen dahin und weitere Städte und Gemeinden werden in die Überschuldung abrutschen.
Überschuldung. Das heißt: Ab diesem Zeitpunkt gehört das gesamte städtische Vermögen – Straßen, Gebäude, Kunst, Fahrzeuge…– , gehört all das den Banken und Gläubigern der Stadt.
Köln kann für sich reklamieren, dass wir da noch nicht sind. Dass wir das Steuerrad noch fest in der Hand halten. Dass wir noch nicht zum Spielball der Elemente geworden sind.
Der vorliegende Haushaltsentwurf bewahrt uns davor. Er verschafft uns Zeit – eine Atempause. Die Situation ist aber alles andere als stabil. Für stabileres Tauwerk – das wir liebend gerne eingezogen hätten – reichen die finanziellen Mittel aber vorne und hinten nicht.
Zur Verdeutlichung erlauben Sie mir bitte, dass ich Ihnen heute zwei Folien zumute.
Lassen Sie uns zuerst einen Blick auf die Entwicklung der zu erwartenden Jahresergebnisse werfen:
Wir haben in den Jahren 2020 bis 2023 – wie Sie links sehen – trotz aller Herausforderungen – solide gewirtschaftet. Auch wenn zur Ehrlichkeit gehört, dass ein Teil dieser Ergebnisse auch den Corona- und Ukraine-Isolierungen geschuldet ist, das heißt außerordentlichen Erträgen, die nur kurzfristig unser Ergebnis verbessert haben.
Der Puffer, den wir so in den letzten Jahren – als so genannte Ausgleichsrücklage – bilden konnten, wird spätestens 2025 vollständig aufgebraucht sein. Denn das aktuelle Jahr und die nächsten Jahre, das ist eindrucksvoll zu erkennen, laufen in tiefes, tiefes Rot.
Für 2025 wird das Defizit bei über 395 und 2026 bei fast 440 Millionen Euro liegen. Auch in den kommenden Jahren wird der Haushaltsausgleich weit verfehlt. Es zeigen sich auch hier durchgängig hohe Defizite.
Die Ergebnisse sind nur deshalb nicht noch schlechter, weil wir uns im Haushalt verpflichten, in den kommenden Jahren – über das, was wir derzeit schon an Gegensteuerungsmaßnahmen entwickelt und aufgenommen haben – weitere Einsparungen vorzunehmen und dafür zusätzliche Maßnahmen zu entwickeln. Dafür haben wir einen sog. globalen Minderaufwand berücksichtigt, der beginnend im Jahr 2026 von 45 Millionen Euro auf 135 Millionen Euro anwächst. In dieser Höhe müssen wir daher zusätzliche Verbesserungen erzielen. Anderenfalls sähen unsere Ergebnisse noch viel schlechter aus, wie Sie an der ebenfalls dargestellten Zahlenreihe erkennen können . Trotzdem verbleiben hohe Defizite. Und unsere Schulden steigen.
Die zweite Folie zeigt die prognostizierte Entwicklung unserer Liquiditätskredite. Das sind die Kredite, die wir bei Banken aufnehmen müssen, wenn wir für unsere laufenden Aufgaben mehr Finanzmittel benötigen, als reinkommen:
Sie sehen, es ist uns lange Zeit gelungen, die Kredite unter einer Milliarde Euro zu stabilisieren. Jetzt steigen sie sprunghaft an. Ich denke, dass beide Grafiken für sich sprechen.
Die Folge der hohen Verschuldung wird sein, dass ein immer größerer Teil unseres Vermögens nicht mehr uns, sondern den Banken gehört. Unser Eigenkapital – also das, was tatsächlich uns und nicht den Banken gehört – schrumpft. Allein in der mittelfristigen Finanzplanung, das heißt bis 2029, werden wir rund 1,4 Milliarden Euro Eigenkapital verlieren. Bei einem Ausgangsvolumen von rund 5 Milliarden Euro sind das fast 30 Prozent! Wenn das in dem Tempo weitergeht, wird auch Köln in absehbarer Zeit überschuldet sein. Soweit zur – ernüchternden – Bestandsaufnahme.
Kommen wir zu Frage zwei.
Welche Entscheidungen treffen wir nun im Haushalt? Was können wir gestalten – und was nicht? Welche Schwerpunkte setzen wir?
Ein Haushalt ist ein Zusammenspiel zwischen dem, was raus geht – der Aufwandsseite – und dem, was reinkommt – der Ertragsseite.
Lassen Sie uns zunächst die Aufwandsseite betrachten:
Hier werden in 2025 rund 530 Millionen Euro und in 2026 rund 770 Millionen Euro mehr an Aufwandsermächtigungen zur Verfügung stehen als noch 2024. Wir werden also mehr ausgeben.
Mit anderen Worten: Das Volumen des Kölner Haushalts wächst. Für Aufwendungen stehen rund 6,45 Milliarden Euro und 6,69 Milliarden Euro bereit. Zur Einordnung: Das ist mehr als der Etat des Saarlandes!
Hinter dieser Entwicklung stehen einige, sehr bewusste Entscheidungen und Schwerpunktsetzungen – aber nicht nur.
- Zu den bewussten Schwerpunktsetzungen zählt die Entscheidung für die städtischen Kliniken. Unser Doppelhaushalt enthält nun Betriebskostenzuschüsse in Höhe von 76,6 Millionen Euro und 69,3 Millionen Euro in den beiden kommenden Jahren. Außerdem werden wir in erheblichem Umfang in den neuen Klinikstandort investieren und dafür Investitionskredite aufnehmen.
- Wir haben den Schulbau in den letzten Jahren massiv forciert. Die Stadt refinanziert das, indem sie die Gebäude nach der Fertigstellung anmietet. Unsere Schulmieten steigen daher gegenüber 2024 massiv. Und zwar um 77,6 Millionen Euro in 2025 und 114,5 Millionen Euro in 2026 – auf dann rund 327 Millionen Euro beziehungsweise 364 Millionen Euro.
- Der städtische Haushalt muss den großen Herausforderungen an die weiter wachsende Stadt und die nachhaltige Transformation Rechnung tragen. Stichworte sind hier: Klimaschutzmaßnahmen, Ausbau des ÖPNV-Netzes, die Sanierung und Instandhaltung unserer Brücken, unserer Straßen- und Gebäude sowie unserer technischen Infrastruktur. Allein für den Breitbandausbau stellen wir in den kommenden Jahren 131,5 Millionen Euro an Investitionsmitteln bereit. Auch die großen Stadtentwicklungsprojekte – wie die Parkstadt Süd – die mehr Wohnraum schaffen, werden den Haushalt in der Zukunft erheblich fordern.
- Einmal getroffene Investitionsentscheidungen prägen den Haushalt langfristig. Im Bereich der Kultur wurden mit der Baustelle am Offenbachplatz, mit dem MiQua und dem Erweiterungsbau für das Wallraf-Richartz-Museum große Projekte angeschoben, die Mittel binden werden. Gleiches gilt für das vor einem Jahr beschlossene Radsportstadion.
Viele Veränderungen im Haushalt zeichnen aber auch „nur“ gesellschaftliche und / oder rechtliche Notwendigkeiten nach:
- Bundesweit und auch in Köln steigen die Kosten für die wirtschaftliche Jugendhilfe. Eine Folge von Tarifkostensteigerungen in den Sozialberufen, allgemeinen Kostensteigerungen und steigenden Bedarfen in den Familien. Unsere Ansätze werden in 2025 bei fast 310 Millionen Euro liegen. Das ist ein Plus von über 60 Millionen Euro oder fast 20 Prozent. Das vom Jugendamt entwickelte Maßnahmenpaket wird die Kostenentwicklung zwar einbremsen, aber kaum umkehren können.
- Auch Aufgaben, die Bund und Länder auf Kommunen übertragen haben, schlagen ins Kontor: Dazu zählt die mangelnde Finanzierung beim Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in den Schulen, ebenso wie bei der Versorgung von Geflüchteten. So rechnen wir bei den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zwar mit deutlich rückläufigen Zahlen, gleichzeitig brechen aber die Erträge überproportional ein – eine Folge der vielfach kritisierten Erstattungsregelungen .
- Dasselbe Bild zeigt sich im Bereich der Kindertagesbetreuung. In Folge der jüngsten Reformen, der erhöhten Zuschüsse für Tagespflegeeltern und steigender Platzzahlen. Dafür stellen wir rund 34 Millionen Euro (2025) bzw. rund 54 Millionen Euro (2026) mehr zur Verfügung .
- Weiter müssen die Belastungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs geschultert werden. Es geht um 412 Millionen Euro, die wir in den kommenden 50 Jahren mit jährlich rund 8,2 Millionen Euro abstottern werden.
Last but not least: Wir müssen mit Kostenentwicklungen umgehen, die wir nur sehr eingeschränkt beeinflussen können. So können die bei den Tarifabschlüssen und den Zinsen zu verzeichnenden Sprünge getrost als „in der jüngeren Geschichte einmalig“ bezeichnet werden.
- Die durchschnittliche Tarifkostensteigerung von rd. zehn Prozent hat zur Folge, dass der Personaletat rund 153 Millionen Euro (2025) bzw. rund 194 Millionen Euro (2026) mehr benötigt.
- Da die Zeiten, in denen geborgtes Geld „nichts kostete“, vorbei sind, müssen wir für Zinsen deutlich mehr Haushaltsmittel bereitstellen: Waren es 2024 noch rund 100 Millionen Euro, werden es 2025 schon fast 167 und 2026 fast 203 Millionen Euro sein.
Sie sehen, sehr geehrte Ratsmitglieder, hier kommt auf der Aufwandsseite Einiges zusammen. Mit dieser Entwicklung halten unsere Erträge nicht mit. Nein, sie bleiben weit dahinter zurück. Und das, obwohl wir – auch dank des breiten Branchenmix – mit Erträgen von etwas über 6 Milliarden Euro – auf eine stabile, ja sogar leicht anwachsende Ertragsbasis setzen können.
Die Wachstumsraten der Vergangenheit sind angesichts der zurückhaltenden Wirtschaftsprognosen leider nicht mehr realisierbar . Das ernüchternde Fazit: Es klafft eine große und zunehmend größer werdende Lücke zwischen den Aufgaben und den Erträgen.
Wie stellen wir also – drittens – sicher, dass wir auch weiterhin die Finanzpolitik dieser Stadt gestalten können?
Es gibt Probleme, die lösen sich durch Zeitablauf. Es gibt aber Probleme, die werden größer, wenn man sie nicht anpackt. So ist es hier.
Wir haben uns daher verwaltungsintern intensiv damit befasst, was wir Ihnen heute vorschlagen können.
Das hat Zeit in Anspruch genommen. Zeit, die wir gut investiert haben:
- Wir haben alle Positionen im Haushalt kritisch auf ihre Notwendigkeit hin hinterfragt; viele Wünsche oder Projekte, teilweise auch solche, die schon beschlossen oder in Konzepte eingebettet waren, konnten nicht erfüllt werden.
- Alle Dezernate waren außerdem gefordert, für ihre Bereiche Vorschläge zur Priorisierung von Aufgaben und zur Entlastung des Haushalts zu erarbeiten. Dies betrifft die Aufwands- ebenso wie die Ertragsseite, externe Projekte ebenso wie interne Strukturen.
Das war nicht leicht. Teilweise war es eine Zumutung. Wir haben diese Aufgabe aber angenommen, um ihnen heute eine Beratungsgrundlage zu geben, die belastbar ist.
Unser Ziel dabei war eine solidarische und ausgewogene Verteilung der Lasten. Eine Verteilung, die das Gesamtinteresse, die zukünftige Handlungsfähigkeit dieser Stadt, in den Vordergrund stellt.
Insgesamt haben wir kurzfristig mögliche Konsolidierungsmaßnahmen mit einem Volumen von 93,5 Millionen Euro (2025) aufwachsend auf bis zu 115,1 Millionen Euro (2029) erarbeitet, mit denen es gelungen ist, unser Haushaltsdefizit entsprechend zu verringern. Mit anderen Worten: Ohne diese Maßnahmen sähen unsere Zahlen noch viel schlechter aus. Diesen Prozess und wesentliche Maßnahmen finden Sie im Vorbericht beschrieben. Und natürlich Details im Haushaltsplan.
Uns allen ist bewusst: Diese kurzfristigen Verbesserungen werden das Problem allein nicht lösen. Weitere Maßnahmen werden folgen müssen. Aber sie sind ein Anfang und eine wichtige Botschaft an die Aufsicht, aber vor allem an unsere Bürgerinnen und Bürger,
- dass wir den Handlungsbedarf sehen und gegensteuern.
- dass wir einen Haushalt vorlegen, der genehmigungsfähig ist.
- dass wir nicht das Steuer fahren lassen, nein,
- dass wir Kurs halten, auch wenn die Wetterbedingungen rau und nicht zu unseren Gunsten sind.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das entspricht unserer Verantwortung.
Und das ist – nach unserer festen Überzeugung – auch auf der Zeitschiene der richtige Weg: Ein von oben verordnetes Haushaltssicherungskonzept würde deutlich mehr Zeit kosten. Es würde zur Folge haben, dass die Stadt auf Monate ohne Haushalt dastünde.
Und das, das darf nicht unser Ziel sein. Zur Ehrlichkeit gehört: Die Genehmigungsfähigkeit ist kein Selbstläufer. Sie kann nur dadurch hergestellt werden, dass wir zwei Instrumente nutzen, die von der Landesregierung erst jüngst geschaffen wurden, um den Kommunen in dieser kritischen Lage Spielraum, vor allem aber Zeit zu verschaffen:
- So planen wir zum einen im Haushalt erstmals – wie vorhin dargestellt – mit einem sog. globalen Minderaufwand. Und werden daher in den betreffenden Jahren entsprechende Konsolidierungsmaßnahmen entwickeln müssen.
- Trotzdem liegen unsere Jahresergebnisse über der kritischen Schwelle des Eigenkapitalverzehrs von max. 5 Prozent in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. In den Jahren 2026 und 2028 werden wir daher die übersteigenden Verluste teilweise vortragen müssen – in der Überzeugung, dass die Haushaltslage zum Positiven verändert werden kann.
Der Konsolidierungskurs muss daher in der Zukunft konsequent fortgesetzt werden. Natürlich gilt: Auch Bund und Land müssen ihren Teil dazu beitragen.
Sehr geehrte Ratsmitglieder, Sie haben inzwischen wahrscheinlich eine Ahnung, wie herausfordernd dieser Haushaltsaufstellungsprozess für die Verwaltung war.
Ich möchte mich daher an dieser Stelle herzlich bedanken: bei Ihnen, Frau Oberbürgermeisterin, für Ihre Rückendeckung und Klarheit angesichts der Zahlen und Handlungsnotwendigkeiten, bei meiner Kollegin und meinen Kollegen im Verwaltungsvorstand, den Dienststellen und Beteiligungen – kurz bei den Vielen, von denen wir Solidarität einfordern mussten und müssen. Es ist ein harter, ein zäher und für alle mühsamer Prozess, der noch lange nicht zu Ende ist. Danke, dass Sie sich dem stellen! Mein besonderer Dank gilt den Teams der Kämmerei und des Finanzdezernats. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Haushaltsaufstellung ist schon in normalen Zeiten nicht immer einfach – in diesem Jahr war es eine Herkulesaufgabe. Dafür – ganz persönlich, aber ich denke auch im Namen aller – meinen aufrichtigen Dank!
Liebe Mitglieder dieses Rates, dass wir trotz all dieser Mühen, trotz dieser schmerzhaften Maßnahmen auch zukünftig tiefrote Zahlen schreiben werden und weitere Gegensteuerung folgen muss, das stimmt mich als Kämmerin nicht glücklich. Zur Ehrlichkeit gehört aber: Schon ein genehmigungsfähiger Haushalt ist in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit mehr.
Wer also meint, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zumutbar seien, der bedenke bitte die Alternative. Die Oberbürgermeisterin, Kollege Haack und ich, wir können aus Gelsenkirchen und Duisburg berichten, welchen Einschnitt eine echte Haushaltssicherung in die Kommunalpolitik vor Ort bedeutet. Ich bin sicher: Das wollen wir alle nicht!
Ich fasse zusammen: Dieser Haushalt trägt nicht nur der allgemeinen Kostenentwicklung Rechnung, er setzt auch wichtige und starke Akzente, er verteilt die erforderlichen Lasten ausgewogen und fair, er stellt sicher, dass Köln lebenswert und handlungsfähig bleibt. Ich bin überzeugt, dass er eine gute Basis für Ihre Beratungen bilden kann. Dennoch wissen wir alle, dass die Beratungen auch für Sie, für den Rat dieser Stadt, nicht leicht sein werden. Das geben die Rahmenbedingungen und die Zahlen schlicht nicht her. Es braucht Mut und Entschlossenheit, das Ruder umzulegen. Eigene Vorstellungen zurückzustellen. Verantwortung für das gesamte Ganze zu übernehmen – nicht nur hier im Rat, sondern gegenüber den Menschen dieser Stadt, im alltäglichen Gespräch auf der Straße, vor Ort. Als Stadtkämmerin, aber auch als Bürgerin dieser Stadt, möchte ich mich deshalb schon heute bei all denen bedanken, die sich dieser Verantwortung stellen werden.
Bei allen anderen werbe ich um Anerkennung und Respekt. Respekt für diese zentrale, für diese wichtige demokratische Aufgabe. Für Respekt im politischen Miteinander. Wenn Sie also andere, bessere Vorschläge haben, bringen Sie sich konstruktiv ein.
Köln ist stark und hat schon viele Krisen gemeistert. Köln – das ist die Stadt, das sind die hier lebenden Menschen. Für sie, und für die nachfolgenden Generationen, bestimmen wir den Kurs. Bei schönem Wetter, aber eben auch im Sturm. Ich bin zuversichtlich, dass uns dies trotz aller Herausforderungen gemeinsam gelingen kann.
Nun, liebe Ratsmitglieder, nun legen wir den Haushalt in Ihre Hände. Ich wünsche Ihnen gute, faire, konstruktive Beratungen und sage für heute: Vielen Dank!“