Köln | Mit gut 70.000 Aufnahmen besitzt das Museum Ludwig eine der umfassendsten Sammlungen über die Geschichte der Fotografie. Mit kleinen Sonderausstellungen werden regelmäßig einzelne Aspekte herausgegriffen. Mit „Die humane Kamera. Heinrich Böll und die Fotografie“ wird jetzt der 100. Geburtstag des Kölner Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers gefeiert.


Foto: Museum Ludwig, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln |Siedlung Huckingen, Duisburg 1957 – ein Motiv aus Chargesheimers Buch „Im Ruhrgebiet“, für das Heinrich Böll die Texte schrieb.

Heinrich Böll fotografierte selber gerne. Wenn auch die Ergebnisse eher schlecht waren. So verriet es jetzt sein Sohn Rene, der ebenfalls fotografierte und auch eine Dunkelkammer hatte. Er selber aber wollte lieber nicht fotografiert werden, ertrug eher unwillig „die verrückte Publicity“, die mit seiner Prominenz verbunden war.

Und so war sein Verhältnis zur Fotografie durchaus zwiespältig. Auf der einen Seite hatte sie für ihn einen hohen Stellenwert. So ließ er sich von ihnen inspirieren – etwa für seinen letzten, posthum erschienenen Roman „Frauen vor Flußlandschaft“. Hierfür streifte er mit seinem fotografierenden Sohn durch Bonns Villenviertel, um die Lebenswelt der Einflussreichen in Augenschein zu nehmen.

„Ein gutes Auge gehört zum Handwerkzeug des Schriftstellers“, sagte er einmal. Und über seinem Schreibtisch hing – gleichsam als Mahnung – ein großes Plakat (in der Ausstellung zu sehen), die medizinische Wiedergabe der menschlichen Retina. Und ebenso wie der Schriftsteller eine ausgewählte Realität schafft, so macht es auch der Fotograf, verglich Böll beide Tätigkeiten.

Er war mit Fotografen wie Heinz Held befreundet, arbeitete eng mit dem Kölner Chargesheimer zusammen. Begleitete ihn etwa bei dessen Arbeit durch das Ruhrgebiet. Das Buch „Das Ruhrgebiet“ vereinte dann Foto und Text als jeweils selbstständige Aussage. Nicht nur hierfür schrieb Böll das Vorwort, ebenso für „Unter Krahnenbäumen“ und „Menschen am Rhein“. Warum seine Mitarbeit für ein viertes Chargesheimer-Fotobuch abgelehnt wurde, ist bis heute unklar.

Jeweils drei Fotos aus diesen Büchern präsentiert diese Ausstellung. Dazu andere Bücher – etwa über Russland, August Sander, das heilige Land oder das kriegszerstörte Köln –, für die Böll das Vorwort schrieb.

Doch so sehr Böll die Fotografie für seine Arbeit schätzte, so kritisch stand er ihr gegenüber, wenn er sich mit deren Aufdringlichkeit beschäftigte. Das bezog er nicht nur auf sich als Objekt der Fotografen. Dass er ihnen nicht entkommen konnte, ihnen bisweilen sogar seine Arbeitsräume öffnet, zeigen einige Porträts, darunter auch Kontaktabzüge und negative.

Böll sah die Aufdringlichkeit der Kamera und der Fotografen generell. Geradezu prophetisch muten seine Gedanken an, die er 1964 unter dem Titel „Die humane Kamera“ für die Hamburger „Weltausstellung der Photographie“ schrieb. Hier beklagte er die Kamera als Instrument der Denunziation, der Verletzung der Privatsphäre – sah den Überwachungsstaat voraus.

Auch in seinem schriftstellerischen Werk taucht diese Kritik auf. Eher „harmlos“ das Klicken der Kamera, das den Fischer in seiner „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ aus dem Schlummer schreckt. Brutal in der von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta verfilmten „Die Verlorene Ehre der Katharina Blum“, als die fälschlich verdächtigte Titelheldin der meute von Fotoreportern preisgegeben wird.

Der Text „Die humane Kamera“ wurde jetzt – so Kuratorin Miriam Halwani – erstmals ins Englische übersetzt. Er steht auch in dem kleinen Heft (gibt’s auch auf Englisch), mit dem künftig jede der Foto-Sonderausstellungen begleitet werden soll.

[infobox]„Die humane Kamera. Heinrich Böll und die Fotografie“ – bis 7. Januar 2018, Museum Ludwig Heinrich-Böll-Platz, Di-So 10-18 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat 10-22 Uhr, Begleitheft: 8 Euro.

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Autor: ehu | Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Museum Ludwig, Köln
Foto: Freund Heinz Held durfte Heinrich Böll 1953 in dessen Arbeitszimmer porträtieren.